Debatte um Glyphosat geht in die nächste Runde

von Dr. Kirsten Tackmann

Wieder hat sich mit der EU-Chemikalienagentur ECHA eine EU-Behörde dazu geäußert, ob der Wirkstoff Glyphosat - ein so genanntes Totalherbizid, also ein Unkrautvernichter mit sehr breitem Wirkungsspektrum - bei Menschen Krebs auslösen kann oder nicht. Grund genug für DIE LINKE, das Problem erneut im Fachausschuss des Bundestags auf die Tagesordnung zu setzen.

Es war - leider - nicht zu erwarten, dass die ECHA der entwarnenden Bewertung der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA widerspricht und sich auf die Seite der WHO-Krebsagentur IARC stellt, die Glyphosat als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ bewertet, was ein KO-Kriterium für die Zulassung wäre. Da der Bericht der ECHA noch nicht vorliegt bleibt es - zumindest vorerst und anders als gerade von der Union behauptet - bei dem wissenschaftlichen Dissens zwischen der Bewertung durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der einen und der EU auf der anderen Seite. Damit ist auch die Kritik an der jeweils anderen wissenschaftlichen Bewertung nicht ausgeräumt. Aber müsste das Vorsorgeprinzip in einem solchen Fall nicht ‚im Zweifel für die Menschen und gegen die Zulassung‘ heißen?
Bei der Beantwortung dieser Frage geht es um sehr viel mehr als nur ein wissenschaftlichen Streit.

Zum Beispiel ist Glyphosat für seinen Hersteller Monsanto eine üppige Profitquelle, die weiter sprudelt, wenn der Wirkstoff in der EU infolge der routinemäßigen Neubewertung nach zehn Jahren Nutzung wieder zugelassen wird. Der neue Saatgut- und Chemie-Riese Bayer/Monsanto hofft sogar auf noch mehr Profit. Denn wenn der Widerstand in der EU gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen doch noch gebrochen oder erfolgreich unterwandert wird, kann der Mega-Konzern doppelt abkassieren: Zum Saatgut für Glyphosat-resistente Gentech-Pflanzen hat er dazu das passende Pflanzenschutzmittel Roundup. Gerade für DIE LINKE ist deshalb unübersehbar, dass es in diesem Streit natürlich auch um eine Systemfrage geht: Wieviel Einfluss sollen solche Konzerne auf unsere Lebensmittelproduktion haben? Südamerika ist hier ein mahnendes Beispiel.

Diese ernsthafte Frage stellt sich erst Recht, weil sich in einem Bereich der Landwirtschaft Anbausysteme etabliert haben, die auf einer routinemäßigen Anwendung von Glyphosat basieren. Dazu gehören so absurde Verfahren wie die Vorerntebehandlung (Sikkation), wenn der Mähdrescher nicht rechtzeitig verfügbar ist. Aber auch Verfahren mit gewünschten Effekten, wie z. B. die pfluglose Landwirtschaft, die Bodenerosion reduziert und auch klimaschonend ist. Aber damit ergibt sich eben nicht nur quasi eine Abhängigkeit vom Totalherbizid, sondern auch ein exzessiver Gebrauch, der die kritische Debatte befeuert hat. Völlig zu Recht, denn die ökologischen Risiken dieses Totalherbizids für die biologische Vielfalt auf dem Acker und für Wasserlebewesen z. B. sind unstrittig.

Deshalb bleibt eine konsequente Minimierungsstrategie als Sofortmaßnahme die LINKE Forderung.

Auch, weil es für uns Menschen um Schwerwiegendes geht. Deshalb ist ja ein Nachweis, krebsauslösend zu sein, ein KO-Kriterium für die EU-Zulassung von Pflanzenschutzwirkstoffen. Wie wahrscheinlich es ist, dass Menschen Kontakt zum Wirkstoff haben, wird überhaupt erst eine relevante Frage, wenn ausgeschlossen ist, dass er nicht krebsauslösend oder erbgutschädigend ist.