UBA: "Bundesverkehrswegeplan besteht eigene Umweltprüfung nicht"

BVWP klSo scharfe Worte hört man auch vom Umweltbundesamt selten: Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) verfehle elf der zwölf im eigenen Umweltbericht gesetzten Ziele. Ein Überarbeitung wird dringend angehmahnt. Gefordert werden deutlich mehr Mitteln für die Schiene (60% statt 42%) sowie mehr Ambitionen für den Klimaschutz. Der Entwurf spare nur 0,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ein, während 7-10 Tonnen möglich und auch notwendig seien, um die Klimscahutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Auch der Flächenverbrauch wird kritisiert und vorgeschlagen, 41 Projekte des vordringlichen Bedarfs ganz zu streichen, da sie viel Fläche beanspruchten und hohe Lärm-, Luftschadstoff- und Klimagasemissionen verursachten. > ganze Pressemitteilung des UBA

Im Folgenden gibt es eine erste eigene Analyse des Umweltberichts (siehe auch die Analyse zum BVWP)

 

Anmerkungen zum Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030

von Gerrit Schrammen, Verkehrs-Referent der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, 8.4.2016

Bei Interesse ist es empfehlenswert, sich zumindest die gut 20 Seiten Zusammenfassung ab Seite 177 durchzulesen.

Eine Einschätzung, ob der Umweltbericht in Gänze den Anforderungen der SUP-Richtlinie der EU und deren Umsetzung im deutschen UVP-Gesetz entspricht, kann ich nicht liefern, dazu bin ich hierbei zu wenig Experte. Die Umweltverbände aber halten diesen als Grundlage der vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung für unvollständig und unbrauchbar, eine starke Ansage!

Konkret führen sie dafür an, dass die drei untersuchten oder genauer, im Bericht dargestellten Investitionsszenarien (s. Text zum BVWP) unzureichend sind. Jedenfalls sind diesen keine konkret untersuchten Verkehrsnetze unterlegt, die die Verkehrswirkungen untersuchen. Auch an anderer Stelle findet keine Netzbetrachtung statt. Der BVWP ist weiterhin nur ein Sammelsurium von Einzelprojekten.

Es scheint eben so zu sein, als ob die Gutachter, wie im BVWP-Text angedeutet, einfach nach Abschluss der Projektbewertungen des BVWP 2030 die Investitionssummen verschoben und die bei den Projekten ermittelten Nutzen und Schäden einfach addiert haben. Welche Projekte sich dahinter verbergen, also welche bei welchem Szenario, wird nicht angegeben – und war laut Umweltbericht selber (S. 139) auch gar nicht Teil der eben reinen INVESTITIONSSZENARIEN. Wie allerdings die konkreten Nutzen und Schäden ermittelt werden konnten, ohne die Werte konkreter Projektbewertungen aufzusummieren, bleibt mir schleierhaft. Hier gibt es einen Widerspruch in sich.

Zudem werden die Umweltauswirkungen nur für die Projekte dargestellt, die NEU in den BVWP 2030 aufgenommen werden (S. 30, 55; mit Ausnahme von 25 Straßenprojekten, die Dobrindt 2015 mal eben schnell bewilligt hat, S. 133). Der so genannte Bezugsfall ist damit außen vor. Damit aber sind ca. 50% aller Investitionen in den Neu- und Ausbau, die bis 2030 tatsächlich getätigt werden, gar nicht berücksichtigt (s. BVWP-Text)! Dafür wird allerdings Schleppe mit berücksichtigt, also der ganze VB. Unklar ist mir, was es für Auswirkungen hat, dass für die Darstellung der Umweltwirkungen des Gesamtplans der ganze VB als bis 2030 realisiert unterstellt wird – obwohl er das erst 2050 sein dürfte.

>> (S. 147): Wie wurden die Umweltnutzen eigentlich berechnet? Ich dachte, der Plan berechnet die Umwelteffekte nach Realisierung des gesamten VB für das Jahr 2030, die Situation dann. Auf Seite 147 steht unter Kriterium 1.4. Luftschadstoffemissionen aber, dass es einen positiven Umweltnutzen gibt, weil „bei Schienen- und Wasserstraßenprojekten eine deutlich längere Lebensdauer anzunehmen ist“. Was hat die Lebensdauer damit zu tun? Inwiefern ist die berücksichtigt, und wie wirkt sich das noch aus, ggfs. an anderer Stelle?

Der Umweltbericht liest sich so, als ob alles nicht so schlimm sei. Selbst bei den Aussagen zu der Umweltbelastung des Gesamtplanes (Kapitel 7.2), wird in den Passagen, die die Überschreitung der gewählten Schwellenwerte darstellen und somit von erheblicher Umweltbeeinträchtigung auszugehen ist, wird grundsätzlich relativiert. In den folgenden Planungsstufen sei ja vieles noch lösbar. Dabei wurden für viele mögliche Konflikte – hierbei geht es i.d.R. um schützenswerte Flächen (Naturschutz, Wasserschutz, Unzerschnittene Räume, Grünbrücken) – im Rahmen der Projektbewertung Untersuchungen zu Lösungen durchgeführt. Wenn z.B. eine Umfahrung möglich ist, dann wurde dies entsprechend eingriffsmindernd berücksichtigt. All diese Optionen werden aber nicht verbindlich vorgeschrieben, im BVWP als Nebenbedingungen vermerkt, sondern können in den nachfolgenden Planungsstufen auch entfallen! Hierzu soll es lediglich ein Monitoring geben, das knapp in Kapitel 10 dargestellt wird. Dabei soll es zusammen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung der Bedarfspläne 5 Jahre nach deren Verabschiedung einen Bericht geben, der bei in Bau gegangenen Projekten bei Abweichungen von der im BVWP 2030 jeweils unterstellten Trassenführung die Umweltbetroffenheit neu ermitteln soll. Das sieht nach einem sehr schwachen, eher einem Gummi-Schwert aus…

Grundsätzlich zu kritisieren ist, dass sich die Ermittlung der Umweltauswirkungen bei den monetarisierten Effekten wie gehabt nur auf Basis der ein erhebliches Wachstum voraussagenden Verkehrsprognosen basierendem Vergleich mit dem sog. Bezugsfall basiert,. Bezugsfall bedeutet, dass man nichts baut. Dann vergleicht man, wie sich ein Projekt auswirkt. Im Straßenverkehr werden dadurch Menschen innerorts von Lärm entlastet, sogar CO2 kann eingespart werden. Nur so jedenfalls erreicht der BVWP einen positiven Umwelteffekt, zumindest was die monetarisierten Nutzen betrifft, in Höhe von 3,634 Milliarden Euro! Würde man aber die heutigen Umweltbelastungen des Verkehrs mit denen des Jahres 2030 vergleichen, dann würde man mitnichten einen positiven Umwelteffekt feststellen, weil ja der Verkehr (voraussichtlich, ohne Verkehrswende) an sich erheblich gewachsen ist (sein wird).

Konkret dargestellt ist das jedenfalls nicht, so dass dies weder in die eine noch in die andere Richtung überprüfbar ist. Insbesondere beim CO2-Ausstoß, für dessen Angabe im Jahr 2030 auf die – vorab erstellte – Verkehrsprognose 2030 verwiesen wird. Aber eine Zusammenführung des „positiven Beitrags“ des BVWP auf den Klimaschutz (BVWP 2030 ergibt ein Plus von 1,91 Mrd. €! – obwohl nur 0,1 % des jährlichen CO2-Gesamtausstoßes in D entfallen) in Form einer Angabe daraus resultierender CO2-Gesamtemissionen des Verkehrs im Jahr 2030 wird verzichtet. Sehr schwach! Dazu kommt, dass ist eben die grundlegende Kritik, dass man eigentlich erst das Klimaziel und andere Ziele festlegen müsste und dann darauf basierend Investitionsszenarien ermitteln müsste, die diese Ziele zusammen mit anderen Maßnahmen erreichen.

Beim Naturschutz – der aber nicht monetarisiert ist – gibt es erhebliche Beeinträchtigungen, sogar bei den (EU-)rechtlich besonders streng geschützten Natura 2000-Gebieten werden „wahrscheinlich 128“ Gebiete und 374 „möglicherweise“ nur durch den VB beeinträchtigt. Bei insgesamt 5.346 Gebieten in Deutschland sind das etwa 10% aller Gebiete! Neben Natura 2000-Gebieten wurden aber weitere Kriterien geprüft, die zu einer Bewertung der Umweltbetroffenheit in 3 Kategorien geführt haben: hohe, mittlere und geringe Umweltbetroffenheit, wobei Ausbauprojekte nur maximal eine mittlere „erreichen“ konnten. Im Straßenbau haben von 819 Neubau-Projekten des VB 160 (20%) eine hohe Umweltbetroffenheit erreicht, 402 (49%) eine mittlere und NUR 257 (31%) eine geringe Umweltbetroffenheit.

>> (S. 52f:) Bei wie vielen Projekten und welchen erfolgte eine Abstufung der Umweltrelevanz aufgrund einer nachträglichen Plausibilitätsprüfung? Wie ist jeweils die Begründung?

Beim Flächenverbrauch erscheint mir die Berechnung zur Zielerreichung des Nachhaltigkeitszieles einer Reduktion der täglichen Inanspruchnahme auf 30 ha im Jahr 2020 sehr abenteuerlich zu sein (ab S. 152). Obwohl alter BVWP 2003 und der neue BVSP 2030 sich in der Zahl und Art und Umfang der Projekte kaum unterscheiden, soll der neue BVWP nur einen Flächenverbrauch von 2,83 ha täglich zu Folge haben, wohingegen der alte noch 7,8 ha verbraucht haben soll. Vielleicht deswegen, weil für die Wirkung des Gesamtplans nur die vollständige Versiegelung durch die Projekte berücksichtigt wird (S. 56), nicht aber die indirekten Beeinträchtigungen (insbes. Lärm und Schadstoffemissionen). Diese wirken bis zu 500 Meter Entfernung, wurden jeweils berechnet und anteilig in ihrer Beeinträchtigung auf schützenswerte Gebiete in der Einzelprojektbewertung berücksichtigt (S. 37 + 38). Diese indirekten Beeinträchtigungen sind also als Flächenverbrauch gar nicht berücksichtigt, da in der Einzelprojektbewertung die Flächeninanspruchnahme gar nicht einfließt. Wieso nicht? Überzeugt die Begründung (S. 45), dass dabei „die Bewertung einzig von der Projektgröße abhinge“?