Stuttgart21: Der Bund muss jetzt die Notbremse ziehen

Im Bundestag wird heute Abend der neue Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Ausstieg aus Stuttgart 21 (18/7566) beraten.

Weitere milliardenschwere Kostensteigerungen bei dem Projekt sind inzwischen nicht mehr abzustreiten. Daher fordert Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, in ihrer Rede heute Abend im Bundestag:

„Der Bund muss jetzt die Notbremse ziehen! Als Vertreterin des Eigentümers der Bahn hat die Bundesregierung die Verantwortung, wirtschaftlichen Schaden von diesem öffentlichen Unternehmen abzuwenden. Außerdem droht den Mitgliedern des Aufsichtsrats der DB AG eine Klage wegen Verletzung Ihrer Aufsichtspflicht.“

Leidig macht auch deutlich, was die Alternative wäre: „Der bestehende Bahnhof kann architektonisch ansprechend mit einem großzügigen Bahnhofsdach und Vorplatz ohne Verkehr saniert werden. Die sechsspurige Straße, die den Bahnhof von der Innenstadt trennt, wird stattdessen in die S21-Baugrube verlegt. Die Kapazität für die Züge bliebe damit deutlich größer als mit dem geplanten Tiefbahnhof. Und all das würde mindestens 5,9 Milliarden Euro weniger kosten als der Weiterbau. Geld, das für sinnvolle Zwecke gebraucht wird: für barrierefreie Bahnhöfe, für Nachtzüge, für die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken, für Integrationsprogramme, für Lehrerinnen und Polizisten beim Land und für den sozialökologischen Umbau in Stuttgart.“

Presseerklärung 25. 2. 2016

 

Ausstieg aus Stuttgart 21 – Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster bewahren

Rede Deutscher Bundestag 25. Februar 2915

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wenn Verschwendung, Murks und Machtpolitik bei Großprojekten so offensichtlich sind wie beim BER und bei Stuttgart 21 und niemand dafür geradestehen muss, dann macht das politikverdrossen. Und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb gibt es unseren neuen Antrag „Ausstieg aus Stuttgart 21 - Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster bewahren“.

Sie erinnern sich sicher alle: Als 2009 der Baubeginn beschlossen wurde, haben Sie behauptet, dass die Bahn dann auf der europäischen Magistrale - ich weiß schon gar nicht mehr, von wo aus - nach Bratislava schneller und um zehn Minuten früher in Ulm wäre, und das für schlappe 3 Milliarden Euro. Hartmut Mehdorn hat damals Stein und Bein geschworen, dass es so sein würde.

Kurz zuvor allerdings hat das unabhängige Verkehrsplanungsunternehmen Vieregg-Rössler die Kosten für Stuttgart 21 auf 6,9 Milliarden Euro veranschlagt. Später musste dann Bahnchef Grube Mehrkosten zugeben. Er legte sich fest, 4,5 Milliarden Euro seien die Sollbruchstelle, weil es sonst ein völlig unwirtschaftliches Projekt sein würde.

Auf dieser Grundlage haben dann die Bewohner von Baden-Württemberg - nachdem die CDU abgewählt war - darüber abgestimmt, ob das Land aussteigen soll. Die Projektbetreiber plakatierten damals überall die falsche Behauptung, dass beim Ausstieg 1,5 Milliarden Euro für nichts fällig würden. Unter diesen Bedingungen war die knappe Mehrheit dagegen.

Was aber kam danach? Im Dezember 2012 musste Herr Grube zugeben, dass die Kosten viel höher sein werden als die 4,5 Milliarden Euro. Sie würden nämlich 6,5 Milliarden Euro betragen. Der Kostendeckel war krachend gesprengt worden. Vieregg und Rössler hatten mit ihrer Kostenschätzung offensichtlich recht gehabt.

Die einzig vernünftige Konsequenz wäre gewesen, den Ausstieg zu beschließen. Das hätte der Aufsichtsrat der Bahn im März 2013 tun müssen. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar die Bäume im Park gefällt und ein Teil des denkmalgeschützten Bahnhofes war abgerissen worden, aber der eigentliche Bau war noch gar nicht begonnen worden.

Was aber geschah? Aus politischen Gründen hat die Kanzlerin höchstpersönlich interveniert und dafür gesorgt, dass wider besseres Wissen weitergemacht wird. Im Jahr der Bundestagswahl sollte die CDU und nicht die Bürgerbewegung triumphieren - zum Schaden der Bahn übrigens. Denn keiner der anderen Projektpartner ist bereit, sich an den gewaltigen Mehrkosten zu beteiligen. Und Frau Merkel wird ihre Schatulle auch nicht öffnen.

Mittlerweile sind nun genau die Probleme zutage getreten, vor denen zum Beispiel die „Ingenieure gegen Stuttgart 21“ von Anfang an gewarnt hatten: Es sei viel zu viel Grundwasser abzupumpen. Der Brandschutz sei nicht ausreichend, und es gebe Fehlplanungen bei der Flughafenanbindung usw. - Deshalb hat Vieregg-Rössler jetzt eine neue Kostenstudie vorgelegt. Das Projekt wird nicht 6,5 Milliarden Euro, sondern 9,8 Milliarden Euro kosten.

Stellen Sie sich vor: Auf der einen Seite werden gerade sämtliche Nachtreisezüge gestrichen, weil sich die Investitionen in neue Schlafwagen angeblich oft nicht lohnen. Auf der anderen Seite soll die Deutsche Bahn dieses Milliardengrab finanzieren. Das ist völlig absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir verlangen, dass der Bund jetzt endlich die Notbremse zieht. Als Eigentümer der Bahn haben Sie die Verantwortung, wirtschaftlichen Schaden von diesem öffentlichen Unternehmen abzuwenden. Sie dürfen nicht zulassen, dass diese Milliarden an Steuergeldern so verschwendet werden. Ihren Mitgliedern im Aufsichtsrat - auch Frau Lühmann - droht übrigens eine Klage wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Sorgen Sie dafür, dass die Bahn aus Stuttgart 21 aussteigt!

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt das Positive zum Schluss: Es gibt gute Alternativen. Auch die sind mitsamt den Ausstiegskosten seriös berechnet worden. Der bestehende Bahnhof kann restauriert werden. Er erhält ein neues Dach und verfügt danach über viel größere Kapazitäten. Die Baugrube kann für Nahverkehrsangebote genutzt werden.

(Michael Donth (CDU/CSU): Als Schwimmbad noch, oder?)

In jedem Fall würden die K-21-Vorschläge mindestens 5,9 Milliarden Euro weniger kosten als Stuttgart 21 - Geld, das für sinnvolle Zwecke gebraucht wird.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Frau Kollegin, Sie ignorieren zwar meinen Hinweis, dass Ihre Redezeit beendet ist, sie ist aber trotzdem beendet.

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss und bedanke mich beim Aktionsbündnis und bei allen Aktiven gegen Stuttgart 21, die immer wieder für Aufklärung und konkrete Alternativen sorgen. Das ist wirkliche Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

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