Durchbruch beim Mieterstrom?

PV Dachfläche Schule Hildesheim Foto Landkreis Hindesheim, Foto: Flickr

Mieterstromprojekte sollen künftig rentabel werden. Der bereits in erster Lesung im Bundestag beratene Regierungsentwurf zu einem Mieterstromgesetz sieht Zuschüsse für diese Art der Bürgerenergie vor. Jetzt kommt es darauf an, dass das Gesetz zügig noch vor den Bundestagswahlen vom Bundestag verabschiedet wird - und in wichtigen Punkten verbessert.

Beim Mieterstrom handelt es sich um lokal (oft im gleichen Gebäude) produzierten Strom, der Wohnungs- oder Gewerbeflächen-Mietern angeboten wird. Der Strom wird beispielsweise in einer Photovoltaik-Anlage (PV) auf dem Dach des Mietshauses oder in dessen Keller in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) produziert. Letzteres ist dann zwar kein Ökostrom, dafür aber durch direkte Abwärmenutzung sehr effizient hergestellter Erdgas-Strom. Der aktuelle Regierungsentwurf zielt nur auf PV-Anlagen als Mieterstromanlagen ab. BHKWs als Mieterstromanlagen werden bereits über das KWK-G mittels Zuschlägen gefördert (aber dort nicht so benannt), argumentiert die Regierung. Darauf wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.

Bei der Debatte um Mieterstrom (gelegentlich auch Quartierstrom genannt) geht es darum, ob und inwieweit die direkte Belieferung von Mietern mit PV-Strom vom Dach oder BHKW-Strom aus dem Keller durch den Gebäudeeigentümer so zusätzlich gefördert wird, dass in diesem Segment ein merklicher Zubau stattfindet. Viele Verbände haben hier lange eine Gleichstellung mit so genannten Eigenstrom-Modellen gefordert, bei denen Ökostromproduzent und Verbraucher identisch sind (etwa klassisches Einfamilienhaus mit PV-Anlage). Im Unterschied zu diesen, wo Altanlagen für den selbst verbrauchten Solarstrom keine EEG-Umlage zahlen müssen und Neuanlagen nur einen auf 40 Prozent der Regelumlage abgesenkten Betrag, müssen Mieterstrom-Projekte (größer 10 kW) die EEG-Umlage von gegenwärtig 6,88 Cent je kWh vollständig zahlen. Allerdings entfallen - anders als beim Strombezug aus dem Netz - beim Mieterstrom wie auch beim Eigenverbrauch einige Kostenbestandteile. So etwa Netzentgelte, Stromsteuer und Konzessionsabgaben sowie andere netzseitige Umlagen. Auf der anderen Seite müssen die Betreiber die Kosten einer Solaranlage tragen, ohne für jenen Teil Stroms, der vor Ort verbraucht wird, die EEG-Einspeisevergütung zu erhalten. Ob in diesem Gemisch unterschiedlich wirkender wirtschaftlicher Effekte ein Projekt rentabel arbeiten kann oder nicht, hängt von einer Reihe von Nebenbedingen ab. So etwa von der tatsächlichen Höhe der Netzentgelte, die beispielsweise in Ostdeutlichland regelmäßig über denen Westdeutschlands liegen. Höhere Netzentgelte bedeuten in diesem Zusammenhang eine höhere Projekt-Rentabilität im Vergleich zum Fremdstrombezug, denn schließlich entfallen die Netzentgelte bei der Stromlieferung innerhalb eines Hauses.

Gleichwohl schon heute manche Mieterstromprojekte auf Basis der bisherigen Befreiungen rentabel arbeiten können, konnten sie sich bislang nicht breiter durchsetzen. Darum wurde seit Jahren von Verbänden der Erneuerbaren Energien und von Bürgerenergie-Vereinigungen die zusätzliche Teilbefreiung von der EEG-Umlage gefordert. Allerdings würde auch diese nicht für alle Projekte gleiche Bedingungen schaffen. Denn die Rentabilität dieser zusätzlichen Förderung ist abhängig

  1. von Größe der Anlage,
  2. von der Anzahl der teilnehmenden Mieter*innen,
  3. vom jeweiligen Eigenverbrauchsanteil (Anteil des von den Teilnehmer*innen des Projekts selbst verbrauchten Solarstroms an der Solarstromerzeugung). Sie ändert sich zudem
  4. wenn sich die Stromkosten für den alternativen Fremdstrombezug ändern. Steigen letztere (etwa wegen steigenden Abgaben oder steigenden Großhandelspreisen), so würden leistungslos auch die Vorteile aus dem Modell gegenüber einem klassischen Fremdstrombezug wachsen, und zwar auf Kosten aller anderen Stromkunden.

Das Problem ist also verzwickt und harrte einer Lösung. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte gleichwohl lange Zeit überhaupt nichts getan, um schließlich irgendwann bei Prognos eine Studie zum Thema in Auftrag zu gegeben. Deren Ergebnisse liegen seit Januar vor. Die Studie empfiehlt, den Mieterstromprojekten die EEG-Umlage nicht auf 40 Prozent abzusenken - wie im EEG 2017 ursprünglich in einer Verordnungsermächtigung vorgesehen -, sondern ihnen alternativ einen Zuschlag je Kilowattstunde selbst verbrauchtem Strom zu zahlen, der diesen Mieterstrommodellen eine attraktive Renditen bietet. Dem folgt nun die Bundesregierung, wie dem Regierungsentwurf zu entnehmen ist (Details zur Förderung siehe unten). Die meisten Erneuerbaren-Verbände tragen dieses Konzept mit. Einige kleinere Verbände halten aber weiterhin einen Ausbau der indirekten Förderung über eine abzusenkende EEG-Umlage für zielführender.

DIE LINKE Bundestagsfraktion verfolgt bezüglich der Förderphilosophie beim Mieterstrom schon längere Zeit ein Konzept, wie es nun auch die Bundesregierung umsetzen will. Denn ein direkter Zuschuss kann differenzierter ausgegeben werden als es eine indirekte Förderung vermag. So sind Über- und Unterförderungen besser vermeidbar. Bei Bedarf kann zudem unkomplizierter und zielsicherer nachgesteuert werden. Die Mieterstrom-Zulage je kWh vor Ort verbrauchten Stroms etwa kann je nach Größenklasse der Anlage unterschiedlich hoch bemessen sein – so wie jetzt auch vorgehsehen. Wir sehen es im Grundsatz allerdings nicht so eng, ob am Ende eine abgesenkte EEG-Umlage oder ein Zuschussmodell gewählt wird. Viel wichtig ist es, dass hier endlich etwas passiert, und Bürgerenergien hier nicht länger ausgebremst werden.

Bezüglich der Kosten von Mieterstrommodellen sollte die Bundesregierung nicht zu kleinlich sein. Es ist zwar richtig, dass die wegfallenden Einnahmen aus Netzentgelten sowie anderen Umlagen/Abgaben sowie die Mieterstrom-Zuschüsse höhere Kosten verursachen als an EEG-Vergütungen eingespart wird. Diese Zusatzkosten müssen die restlichen Verbraucher*innen tragen. Aber 80 Prozent der Zusatzkosten, die sich insgesamt aus Eigenverbrauchsprivilegien beim EEG ergeben, entstehen durch die Privilegierung von oft großen Unternehmen mit eigenen Stromerzeugungs-Anlagen. Hier liegt einer der wesentlichen Ursachen für die bestehenden Verteilungsungerechtigkeiten bei der Energiewende - und nicht bei den kleinen Erzeugern und Verbrauchern (Prosumern).

DIE LINKE kritisiert am Regierungsentwurf zwei Dinge grundsätzlich:

  1. Mieterstrommodelle als Quartierslösungen profitieren nicht von der Förderung, ebensowenig Nichtwohngebäude, etwa Schulen oder Krankenhäuser. Beides ist inneffizient und beschränkt das Projekt-Potential (auch hier Details siehe unten).
  2. Wohnungsunternehmen verlieren nach gegenwärtigem Recht bestimmte Steuerprivilegien, wenn sie Strom an Mieter*innen verkaufen, und zwar für das gesamte Vermietungsgeschäft. Das sollte ursprünglich geändert werden. Die Bundesregierung verzichtet nun aber offensichtlich doch darauf. Damit werden solche Unternehmen wohl kaum Mieterstrommodelle in Angriff nehmen (Details siehe unten).

Darüber hinaus gibt es einige unklare Detailfragen, auf deren Beantwortung wir in der Anhörung am 21. Juni im Ausschuss für Wirtschaft und Energie drängen werden. Etwa wie mit Ladesäulen für E-Autos umgegangen wird, die sich ja nicht immer direkt am Haus befinden.

Der Regierungsentwurf im Detail

Photovoltaik-Mieterstrommodelle sollen künftig mit einem direkten Einspeisetarif gefördert werden, der 8,5 Cent pro Kilowattstunde unter jenen für die Direkteinspeisung des Solarstroms ins Netz nach § 48 (2) EEG 2017 liegen soll. Im Gegenzug solle die EEG-Umlagepflicht von 100 Prozent für die Modelle erhalten bleiben. Die noch in der Verordnungsermächtigung zum EEG 2017 vorgesehenen Pläne, Photovoltaik-Mieterstrommodelle bei der EEG-Umlage besserzustellen, hält das Ministerium dagegen mittlerweile auch aus EU-beihilferechtlichen Aspekten für problematisch. Eigentlich war geplant, Mieterstrommodelle mit Eigenverbrauch gleichzustellen, bei dem bei Anlagen ab zehn Kilowatt Leistung eine EEG-Umlagepflicht von 40 Prozent besteht.

Zudem soll es eine jährliche Begrenzung der mit den Zuschüssen verbundenen Förderung auf 500 Megawatt Photovoltaik-Mieterstrom-Projekte geben. Damit will die Bundesregierung „unvorhersehbare Entwicklungen“ verhindern, wie es heißt. Diese Grenze liege jedoch am oberen Ende dessen, was in dem genannten Gutachten als tatsächliches Potenzial geschätzt worden sei. Verbändevertreter sehen in dem Deckel zunächst auch kein Problem.

Mit Regierungsentwurf ergeben sich Vergütungssätze von 3,81 Cent pro Kilowattstunde für Mieterstrom bei Photovoltaik-Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung; 3,47 Cent pro Kilowattstunde bei Anlagen zwischen 10 und 40 Kilowatt sowie 2,21 Cent pro Kilowattstunde bei Anlagengrößen zwischen 40 und 100 Kilowatt. Laut einem Eckpunktepapier zum Entwurf würden auf diese Weise viele Photovoltaik-Mieterstromprojekte jährliche Renditen von mindestens fünf bis sieben Prozent erreichen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit dem Gesetz „Mieterstromprojekte wirtschaftlich (zu) machen und zugleich Überrenditen (zu) verhindern“ seien. Ob dies der Realität entspricht, wird zu prüfen sein.

Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung beschränkt sich die Förderung nicht nur auf Wohngebäude. Es reicht aus, wenn 40 Prozent der Gebäudefläche als Wohnfläche genutzt werden. Darum können auch Vermieter und Mieter überwiegend gewerblich genutzter Gebäude in den Genuss der Mieterstromförderung kommen. Der Mieterstrompreis soll auf 90 Prozent des Grundversorgungstarifs gedeckelt werden, der in dem jeweiligen Netzgebiet gilt. Dadurch soll verhindert werden, dass der Vermieter allein die „Rendite“ aus der Förderung abgreift oder gar Mieter*innen für Mieterstrom mehr zahlen, als über einen Grundversorgungstarif des örtlichen Versorgers. Ohnehin haben die Mieter*innen die freie Wahl, ob sie beim Projekt ihres Vermieters mitmachen oder nicht.

Eigentlich wollte die Bundesregierung im Rahmen des Mieterstromgesetzes auch einige steuerliche Details neu regeln. Der Stromverkauf innerhalb des Gebäudes sollte nach einem ersten Referentenentwurf künftig „unschädlich“ sein für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung und die verminderte Körperschaftssteuer, welche dem Wohnungswesen gewährt werden. Bislang verlieren die Eigentümer diese Privilegien, wenn sie Strom an Dritte verkaufen, was eine weitere Hürde für Mieterstromprojekte darstellt. Im Regierungsentwurf sind die ursprünglich vorgeschlagenen Artikel 3 und 4 zur Änderungen am Gewerbesteuer- und Körperschaftssteuergesetz leider nicht mehr enthalten.

Ein weiter Kritikpunkt: Nach dem Regierungsentwurf sind die Förderungen nur für unmittelbare Mieterstrom-Vorhaben in oder an einem Gebäude nutzbar, nicht aber für Quartierslösungen. Sie wird gewährt für Strom aus Solaranlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 100 Kilowatt, die auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sind, soweit er innerhalb dieses Gebäudes an einen Letztverbraucher geliefert und im Gebäude verbraucht worden ist. Das ist eine Hürde insbesondere für Wohnungsgenossenschaften oder kommunale Wohnungsunternehmen, sofern sie mehrere Häuser mit größeren effizienteren Anlagen beliefern wollen, die zwar in unmittelbarer Nähe stehen, aber eben nicht im oder auf dem Gebäude. Solchen effizienten Anwendungen nutzt also der Gesetzentwurf kaum etwas, was sehr ärgerlich ist. Entsprechend fordert u.a. die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften eine weitergehende Lösung. Solarstrom solle auch gefördert werden, „sofern er ‚im räumlichen Zusammenhang‘ ohne Nutzung des öffentlichen Netzes zum Wohngebäude geliefert und verbraucht wird. Quartiers- oder Reihenhäuserlösungen würden auch zu einem Kostenersparnis und einer Effizienzsteigerung führen, weil weniger Geräte wie z.B. Einspeisezähler und Überwachungsgeräte eingesetzt werden müssten“, so der Verband.

Die erste Lesung des Mieterstromgesetzes im Bundestag fand am 18. Mai statt, am 21. Juni fand die parlamentarische Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie statt. Die abschließende 2./3. Lesung findet am vorletzten Tag dieser Legislaturperiode statt: am 29. Juni 2017.

Den Eigenverbrauch weiter steigern?

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Sinn von Eigenverbrauch und Zwischenspeicherung von Ökostrom. Die dezentrale Erzeugung von Strom und Wärme ist ein unbedingt zu verteidigendes elementares Prinzip einer bürgernahen Energiewende. Was allerdings den Verbrauch des produzierten Stroms angeht, so ist es zum gegenwärtigen Stand der Energiewende volkswirtschaftlich deutlich preiswerter - und im Übrigen meist auch der Energiewende dienlicher - lokal überschüssigen Strom einfach dort zu verbrauchen, wo er zum Zeitpunkt der Produktion gerade gebraucht wird, etwa um fossile Kraftwerke überflüssig zu machen. Es ist also wenig sinnvoll, ihn mit aller Macht in kleinen Batterien im Hauskellerteuer zwischenzuspeichern, um seinen eigenen Bedarf zu optimieren. Den Eigenversorgungsgrad mit Elektrizität von Gebäuden oder Quartieren hoch zu treiben ist also kein Wert an sich. Im Gegensatz zur Wärme, die natürlich möglichst lokal verbraucht werden sollte, um Leitungs-Wärmeverluste zu vermeiden, verursacht ein Abtransport überschüssiger Elektrizität überschaubare Verluste und stellt gleichzeitig eine wichtige Flexibilitätsoption in einem zunehmend durch schwankende erneuerbare Einspeisung geprägten Stromsystem dar. 

Dennoch kann Mieterstrom den Verteilnetzausbau entlasten. Würden die gleichen PV-Anlagen auf dem Land gebaut, würde dort eine Verstärkung der Verteilnetze benötigt. Die bestehenden Verteilnetze in den Städten kommen dagegen vielfach mit PV-Anlagen auf den Dächern gut klar, auch weil ein Teil des Stroms, vereinfacht gesagt, das Hausnetz gar nicht verlässt. Wir unterstützen Mieterstromprojekte darum, weil sie wirtschaftlich ein Schlüssel dafür sein können, endlich die Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer der Städte zu bekommen. Bislang waren vergleichbare Projekte im Verhältnis zum Aufwand schlicht nicht rentabel genug, um Vermieter gerade von Mehrfamilienhäusern dazu zu bewegen, ihre Dachflächen mit Solaranlagen zu bestücken. Zudem können Mieterstrommodelle zu einer lokalen Verankerung der Energiewende führen („Mein Ökostrom!“), was Akzeptanz schaffend im Sinne des Umbaus unseres Energiesystems sein dürfte.

Nachtrag zum Beitrag: 

Bundestagsrede zur 2./3. Lesung des Gesetzes (am 29.06.2017) von Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE zum Thema:

http://www.bulling-schroeter.de/mieterstromgesetz-ist-halbherzig/