Fünf Fragen an Christoph Bautz

Christoph Bautz kl1.  Warum ist die ökologische auch immer eine soziale bzw. Gerechtigkeits-Frage?

Linke Bewegungen kranken immer wieder daran, Themen viel zu verinselt zu denken. Ökologische und soziale Fragen müssen eng verschränkt beantwortet werden. Schon vor gut 15 Jahren scheiterte Rot-Grün daran bei der Ökosteuer-Reform. Die Mehrbelastungen für sozial Benachteiligte in der Gesellschaft wurden nicht ausgeglichen. Das untergräbt die Akzeptanz für lenkende Ansätze, mit denen die wahren ökologischen Folgekosten von Produkten oder Dienstleistungen für den Konsumenten eingepreist werden.


Ich denke, wir brauchen eine grundlegende ökologische Wende in der Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik – und dies mit einer guten Kombination von ordnungspolitischen Verboten und Anreizen für ökologische Innovationen. Doch dies wird nur auf breite Unterstützung in der Bevölkerung treffen, wenn diese über soziale Sicherheit verfügt – und nicht große Teile von ihr mit Abstiegsängsten konfrontiert sind oder in Armut leben. Aber Ökologie und Gerechtigkeit sind auch immer eine globale Frage. Für den Weg aus der Armut hin zu gerechter Teilhabe brauchen Menschen eine saubere Umwelt.
Letztlich geht es darum, wer auf diesem endlichen Planeten noch wieviel Zugang zu den knappen fossilen Ressourcen erhält, die uns noch bleiben, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel von Paris einhalten wollen. Aus einer Gerechtigkeits-Perspektive müssen diese Ressourcen vor allem den Menschen aus dem Globalen Süden zur Verfügung stehen. Um so schneller und tiefgreifender muss die Transformation bei uns hier stattfinden, da wir verantwortlich für das ganze Klima-Desaster sind.

2.  Welche Strukturen müssen sich verändern, damit ökologische Lebensweisen für alle möglich werden?

Ja, es geht in erster Linie um Strukturen und nur in zweiter um individuelles Konsumverhalten und Lebensstil. Um Strukturen zu verändern, gilt es die Macht derer zu begrenzen, die die bisherigen Strukturen betonieren – Großkonzerne mit ihren einseitigen Profitinteressen. Solange ihre Lobbydrähte in die Politik funktionieren, wird es schwer mit einer gesellschaftlichen Transformation. Aufgabe von Protestbewegungen, als dessen Teil Campact sich sieht, ist es Gegenmacht zu erzeugen. Hierfür braucht es eine von breiten Gesellschaftskreisen getragene Bewegung, wie sie gegen TTIP und CETA vorbildhaft entstanden ist.

3.  Was sind die „harten Brocken“ für die linke Politik, denen sie sich stellen muss?

Beim Brexit und den US-Wahlen hat sich gezeigt, dass sich viele Menschen aus den mittleren und unteren Einkommensschichten abgehängt fühlen und entsprechend abstimmen und wählen. Das ist eigentlich die traditionelle Gefolgschaft der Linken. Sie muss wieder Politik für diese Menschen erkämpfen, ob es nun um Kinderarmut, Bildung, Wohnraum, Ausbildung, Arbeit, Pflege oder Rente geht.
Eine stärkere Polarisierung in der sozialpolitischen Debatte und das Herausarbeiten von Alternativen und Gegensätzen sind auch das beste Rezept gegen den Aufwind der Rechtspopulisten. Gleichzeitig ist dies eine große Chance zur Wiederbelebung unserer Demokratie.
Wichtig ist mir zu betonen, dass es eine Illusion ist zu glauben, eine linke Perspektive läge in einem Zurück zum Nationalstaat. Linke Politik wird in Zeiten der Globalisierung nur in einem europäischen Projekt durchsetzbar sein. Nur so werden wir Sozial- und Umweltstandards verteidigen und erhöhen können.

4.  Erwerb/Muße/Sorgearbeit: Welchen Mix brauchen wir, um die Gesellschaft nachhaltig umzugestalten?

Ich finde es spannend, dass eine Debatte um eine Postwachstums-Gesellschaft mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Endlichkeit der Ressourcen auf diesen Planeten und die massiv wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich machen es nötig, über eine sehr grundsätzliche gesellschaftliche Transformation nachzudenken.
Hierzu wird auch eine Debatte über Zukunft der Arbeit gehören müssen. Die rasant fortschreitende Digitalisierung stellt etliche Formen von Arbeit in Frage. Gleichzeitig gibt es im sozialen und Bildungs-Bereich immensen Bedarf nach gut ausgebildeten Arbeitskräften. Und auch die Transformationsprozesse machen viel Innovation nötig. Wie Menschen auch immer ihre Zeit nutzen, eines ist klar: Ein menschenwürdiges Existenzminimum muss jedem zustehen und darf nicht sanktioniert werden.

5.  Was machen Sie schon oder haben sich vorgenommen, um Ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern?

Die Büros von Campact liegen in einem ökologisch sanierten Gebäude und in einem Neubau in Holz-Strohbauweise – dem größten Strohballengebäude Europas. Damit ist der Arbeitsort ziemlich nachhaltig und energiesparend gestaltet. Ich versuche mich überwiegend mit Bio-Lebensmitteln zu ernähren und esse möglichst häufig vegan. Und wenn es das Wetter zulässt, fahre ich die 10 Kilometer ins Büro mit dem Fahrrad. Doch eines verhagelt dann immer wieder die eigene Ökobilanz: der Flug zu internationalen Austauschtreffen der Schwesterorganisationen von Campact rund um den Globus.