Landwirtschaft als Klimaschützer oder Klimakiller?

„Sieben Prozent!“, sagen die einen. Von bis zu 35 Prozent gehen die anderen aus. Irgendwo zwischen diesen beiden Zahlen liegt der Anteil der deutschen Agrarwirtschaft am Ausstoß von klimaschädlichen  Gasen. Neben den direkten Treibhausgas-Emissionen – wie Kohlenstoffdioxid, Lachgas oder Methan – muss man der Agrarwirtschaft auch indirekte Beiträge hinzurechnen.

Beispielsweise die Freisetzung von CO2 durch entwässerte Moorböden. Dies kann bis zu 40 Tonnen pro Hektar betragen. Auch Transport oder die Gewinnung von Düngemitteln und chemischen Pflanzenschutzmitteln gehört zur Klimabilanz. Und ganz wichtig: Landnutzungsänderungen tragen stark zur Freisetzung von Kohlenstoff bei. Ob der (Regen)wald oder eine Wiese zu Acker umgewandelt wird, beides trägt zum beschleunigten Abbau von im Humus gebundenem Kohlenstoff bei. Eine Tonne Humus kann 3,7 Tonnen CO2 binden.

Gerade die Tierhaltung setzt direkt und indirekt einen großen Anteil klimaschädlicher Gase frei. Gleichzeitig wirken sie indirekt über pflanzliche Futtermittel als CO2-Senke, denn nur (nach-) wachsende Pflanzen können CO2 binden.

Damit steht fest: Die Landwirtschaft trägt zum Klimawandel bei. Und sie ist gleichzeitig Schlüssel zur Lösung. Und sie ist eine Leidtragende. Denn die Folgen des Klimawandels bekommt die Landwirtschaft direkt zu spüren. Manchmal positiv, z. B. durch Ertragszuwächse infolge globaler Erwärmung. Aber wesentliche häufiger negativ, wie Hitze, Starkregen oder Überschwemmungen. Damit wird das Problem zur sozialen Frage: Denn zuerst werden diejenigen unter noch mehr Unterernährung und Hunger zu leiden haben, die bereits heute in den armen Regionen der Welt leben. Schon heute flüchten jährlich über 30 Millionen Menschen vor Naturkatastrophen. Der Klimawandel wird das verstärken, bspw. in der Sahelzone. Klimaschutz muss eine zentrale Aufgabe aller Politikbereiche sein. Die Linksfraktion sagt: Die Landwirtschaft muss ihren Beitrag leisten und verbindliche Treibhausgasminimierungsziele erfüllen. Auch im eigenen Interesse.

Gesucht werden klimaschonende Anbauverfahren sowie Sorten, Rassen und Anbausysteme mit Anpassungspotenzial für die klimatischen Veränderungen. Im Weltagrarbericht sind viele Optionen beschrieben. Zentral ist für die Linksfraktion dabei das Ökosystem „Boden“. Der Schutz und die Verbesserung des Humusanteils sind nicht nur wichtig für die Pflanzenernährung, sondern auch für die Bindung von Kohlenstoff. Deshalb sind die Wiedervernässung von Mooren und der Erhalt von Wiesen und Weiden so wichtig. Ihre nachhaltige Nutzung muss unterstützt, ihre Umwandlung zu Acker vermieden werden. Insbesondere Ziegen, Schafe und Rinder können Gras und Kräuter vom Grünland sehr gut verwerten. „Die Kuh ist kein Klimakiller!“ heißt zutreffend ein spannendes Buch der Tierärztin Dr. Anita Idel, die auch am Weltagrarbetrieb mitgeschrieben hat.

Es kommt darauf an, die dem jeweiligen Agrarökosystem angepasste, klimaschonende Landnutzungsart zu finden. Da z. B. Kraftfutter einen höheren Methanausstoß bei Wiederkäuern verursacht als Gras und Heu ist es klimapolitisch klüger, sie mit so viel Gras und Heu und so wenig Kraftfutter wie möglich zu füttern. Ein Weide-Rind bringt zwar weniger Leistung als ein (Kraftfutter-)Stall-Rind. Dafür trägt es aber zu einer annähernd klimaneutralen Produktion bei.

Auch der Anbau von Getreide, Gemüse usw. muss so klima- und ressourcenschonend wie möglich gestaltet werden. Der Ökologische Landbau ist hierfür eine gute Orientierung. Anstatt auf den Zukauf von mineralischen Düngemitteln zu setzen – deren Abbau und Transport die Klimabilanz der Landwirtschaft verschlechtern – setzen Biobäuerinnen und Biobauern auf geschlossene Kreisläufe. Das heißt, Düngung und Produktion müssen zwischen Tier, Pflanze und Boden in Einklang gebracht werden. Nach einer Berechnung des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) verursacht so ein Öko-Weizen nur 50 Prozent der Klimagase eines konventionellen Weizens. Ein Bio-Schwein reduziert sie um 40 Prozent im Vergleich zum konventionellen Artgenossen.

Für die Linksfraktion steht daher – neben der Förderung regionaler Produktion, Verarbeitung und Vermarktung aller Lebensmittel - die Förderung des Ökolandbaus ganz oben auf der Agenda. Die Erhöhung des Bundesprogramms Ökologischer Landbau auf 25 Millionen Euro fordern wir daher jedes Jahr zu den Haushaltsverhandlungen. Doch Klimaschutz geht nicht nur den Ökolandbau an, sondern alle Landwirtinnen und Landwirte.

Während der Diskussion um die EU-Agrarförderung (GAP) haben wir uns für das Greening, also für mehr sozial-ökologische Leistungen der GAP eingesetzt. Sie sollte zielgerichteter konkrete Leistungen für mehr Biodiversität und Klimaschutz honorieren. Die nun realisierten ökologischen Vorrangflächen sind dazu ein erster, aber noch deutlich zu zaghafter Schritt.

Auch das Düngerecht muss so überarbeitet werden, dass Düngung sparsamer und klimaschonender erfolgt. Im Rahmen des Projektes „PLAN B – Das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau“ haben wir Vorschläge gemacht, wie eine ressourcen- und energieschonende Landwirtschaft im Jahr 2050 aussehen kann. Auch für eine klimafreundlichere Landwirtschaft gehen am 16. Januar 2016 wieder zehntausende Menschen in Berlin auf die Straße und sagen: „Wir haben es satt!“