Personenbeförderungsgesetz-Novelle: Schlecht für Arbeitnehmer und Fahrgäste

Die Bundesregierung schwächt Arbeitnehmer- und Fahrgastrechte und gibt privaten Anbietern Vorzug vor Öffentlichen. Deshalb lehnt DIE LINKE als einzige Partei im Bundestag die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ab.
Unten die Rede von Thomas Lutze am 27.9. 2012 im Bundestag als Video und Text.
Infos zur Fernbusliberalisierung

 


 


Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär Scheuer,

man kann auch einen inhaltlichen Disput führen und dabei friedlich sein. Ich denke, im Bundestag haben wir das immer so gehandhabt. Die Linksfraktion hier als nicht friedlich darzustellen, geht, finde ich, ein bisschen zu weit. Lassen Sie uns bei den Argumenten bleiben.

Der öffentliche Nahverkehr ist eine wichtige Lebensader unserer modernen Gesellschaft. Ebenso wie Strom- und Wasserversorgung sowie die Müllabfuhr ist auch der Nahverkehr ein öffentliches Gut, zu dem jeder Zugang haben muss. Es war die Rede davon, die EU wolle vorschreiben, dass die kommunalen Verkehrsleistungen zukünftig ausgeschrieben werden müssen. Dadurch bestünde die Gefahr, dass EU-rechtlicher Vorrang für private Verkehrsanbieter in der Bundesrepublik geltendes Recht werden würde. Es kam anders: Die EU schreibt nicht ausdrücklich vor, dass Nahverkehrsleistungen an private Anbieter vergeben werden müssen; sie lässt es offen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den vier Fraktionen, die hier Gesetzentwürfe einbringen oder unterstützen, machen das aber nun, indem Sie die Möglichkeit einräumen, dass private Anbieter Vorrang bekommen. Genau das lehnen wir Linke ab. 

(Beifall bei der LINKEN)

Uns reicht auch eine kleine Klausel, die im Gesetzentwurf sicherlich enthalten ist, nicht aus, durch die man versucht, die sogenannte Rosinenpickerei zu verhindern. Wenn dieses Gesetz umgesetzt wird, wird der Alltag aller Wahrscheinlichkeit nach zeigen, dass das allein nicht funktioniert. Die Linke ist somit die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag mit der Auffassung, dass Nahverkehrsleistungen primär öffentlich sein müssen. Eine gesetzliche Regelung, dass kommunale Verkehrsunternehmen den Verkehrsauftrag bekommen und dann einzelne Leistungen an Privatunternehmen weitervergeben, war alltagstauglich. Diese Regelung hätte fortgeschrieben werden können, auch nach neuem EU-Recht.
Wenn Sie heute die künftige Bevorzugung privater Unternehmen durchwinken, dann bin ich sehr gespannt auf die Reaktionen Ihrer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, gerade der beiden großen Parteien CDU und SPD. Ich weiß nicht, ob der Applaus da so stark sein wird wie hier im Deutschen Bundestag. Sie drücken das hier durch; es Durchwinken zu nennen, wäre noch geschmeichelt. Am Dienstag haben Sie sich geeinigt - ich habe das im Ausschuss schon gesagt -, und am Mittwoch ist es im Schnellverfahren durch den Ausschuss gebracht worden.

(Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Wir verhandeln seit Januar! Da kann man nicht von Durchwinken reden!)

Jeder durfte einmal etwas dazu sagen. Heute, am Donnerstag, geht es kurz vor Mitternacht durch das Plenum. Das ist eine sehr kurze Zeit, um einen Diskurs über Ihren Vorschlag zu führen. Man kann schon fast froh sein, dass das hier nicht einfach zu Protokoll gegeben wurde.

Bei der Fernbusdebatte sieht es nicht viel besser aus. Ein Sprecher der Firma Touring - Touring ist einer der fünf großen Player; so viel zum Thema kleine mittelständische Unternehmen auf diesem Markt - brachte es auf den Punkt. Er hat gesagt, dass sein Unternehmen ausschließlich dort fahren wird, wo man zwischen den großen Metropolen richtig viel Geld verdienen kann. Die anderen Unternehmen haben sich nicht anders geäußert. Die Deutsche Bahn betreibt ja schon seit Jahren diese Firmenpolitik.

Fernverkehrsbusse sollen eine preiswerte Alternative zur teuren Bahn darstellen. Das wurde immer wieder gesagt. Diese Busse fahren vor allen Dingen deshalb günstiger, weil die Löhne und Gehälter der Busfahrer wesentlich niedriger sind. Sie verdienen schlichtweg weniger als ein Lokführer. Sie sind auch deshalb günstiger, weil diese Busse keine Streckengebühr zahlen müssen. Während die Deutsche Bahn und auch private Bahnunternehmen auf der Schiene für jeden Kilometer viel Geld zahlen und für jeden Halt extra zahlen müssen, können diese Busse frei von zusätzlichen Kosten auf Autobahnen fahren, es sei denn - das kann man hier im Parlament noch ändern -, Sie stimmen heute unserem Antrag zu, den wir übrigens dankenswerterweise von der SPD übernommen haben. Die Zulassung der Fernbusse ohne Autobahnmaut ist nichts anderes als pure Wettbewerbsverzerrung zulasten der Bahn.

(Beifall bei der LINKEN)

Positiv ist einzig die Entwicklung bei der Barrierefreiheit. Auch auf Druck der Linken - wir waren nicht die Einzigen, aber wir haben ganz massiv Druck gemacht - haben Bushersteller und Verkehrsunternehmen das Problem erkannt und bieten mittlerweile erste gute Lösungen an. Doch Ihr Gesetzentwurf enthält nun längere Übergangsfristen, auch wenn es nur ein Jahr ist, als die Unternehmen nach eigenen Angaben hätten realisieren können. Das wurde zumindest bei den Veranstaltungen deutlich.

Letzter Satz, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie tatsächlich wollen, dass der Personenfernverkehr preiswerter wird, folgen Sie einfach dem Vorschlag, den ich in meiner letzten Rede gemacht habe: Senken Sie den Mehrwertsteuersatz für Fernverkehrsfahrkarten von 19 auf 7 Prozent! Dann würde in unser Verkehrswesen endlich europäischer Alltag einkehren.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN - Oliver Luksic (FDP): Aha! Steuersenkungsklientelpolitik!)

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