1. Problembeschreibung

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Die durch den existierenden Verkehr erzeugten Probleme sind hinlänglich bekannt:
  • Schädigung der Gesellschaft durch Lärm, Unfälle, Abgase und Platzverbrauch,
  • sozialer Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen (Ältere, Minderjährige, Menschen mit Behinderungen) von Mobilität,
  • globales Ungleichgewicht, da unsere Mobilität alles andere als nachhaltig ist und auf keinen Fall ein Modell für alle Menschen auf der Erde sein kann,
  • Klimawandel (durch Ausstoß von Treibhausgasen) und Umweltzerstörung,
  • Verbrauch begrenzter Ressourcen.
Der öffentliche Verkehr (ÖV) – dieser ist hier immer ohne das mit Abstand klimaschädlichste Verkehrsmittel Flugzeug gemeint – hat gegenüber dem Autoverkehr (motorisierter Individualverkehr) den entscheidenden Vorteil, dass er bezogen auf die zurückgelegte Strecke jedes Fahrgasts sehr viel weniger Energie und Fläche verbraucht sowie deutlich geringere Schäden verursacht. Dies spiegelt sich in den externen Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel (Bahnen und Busse) wider, die bezogen auf die Verkehrsleistung nur ein Drittel derer von Pkw betragen.[1] Außerdem kann der ÖV, sofern er elektrisch betrieben wird, schon heute technisch aus rein erneuerbaren Energien versorgt werden, was teilweise (Beispiel Hamburger S-Bahn) sogar bereits geschieht. Außerdem lässt sich der ÖV hervorragend mit anderen schonenden Verkehren wie dem Zu-Fuß-Gehen und das Radfahren im Sinne des Umweltverbundes kombinieren.
Der ÖV könnte zudem auch eine wichtige soziale Funktion erfüllen, indem er allen Menschen inklusive Minderjährigen, Alten und Behinderten einen Zugang zu Mobilität ermöglicht. Anders als der motorisierte Individualverkehr erfordert er auch keine privaten Investitionen und ist damit für alle erschwinglich. Leider erfüllt der ÖV diese Funktion als Grundversorgung mit Mobilität für alle Menschen bislang nur unzureichend: Zum einen sind die Preise vielfach für weniger wohlhabende Menschen zu hoch. Dies gilt insbesondere für den Bahn-Fernverkehr, wo eine falsche auf angebliche Gewinnerzielung und Privatisierung ausgerichtete Politik in den letzten Jahren zu enormen Preissteigerungen geführt hat, die im Schnitt doppelt so hoch waren wie die Inflationsrate.[2] Es gibt einen erheblichen Mittelabfluss aus dem Bahnbereich in andere Bereiche. Außerdem steigt der Arbeitsdruck auf die Beschäftigten im ÖV. Aber auch im Nahverkehr wurden in den letzten Jahren vielerorts die Preise auf ein Niveau angehoben, dass Menschen von einer angemessenen Mobilität ausgeschlossen werden. Zum anderen ist auch die Erreichbarkeit von Zielen mit dem ÖV in vielen Regionen mangelhaft: ein Resultat von Stilllegungen, Takt-Ausdünnungen und des Abbaus zahlreicher Verbindungen. Die folgende Grafik illustriert dies durch einen Vergleich der Erreichbarkeit von Oberzentren (Städte mit wichtigen Infrastruktureinrichtungen wie Fachkliniken, Spezialgeschäften, Fach- und Hochschulen, Regionalbehörden etc.) mit dem Auto und mit dem ÖV: Nur in und nahe bei großen Städten ist die Erreichbarkeit mit dem ÖV zufriedenstellend. In ländlichen Gebieten ist der ÖV für viele Menschen kaum eine Alternative zum Auto. Dies ist vor allem eine Folge politischen Handelns, besonders der Verkehrsinvestitionen der letzten Jahrzehnte, die zum überwiegenden Teil in den Straßenbau flossen und den ÖV vernachlässigten.




Es müsste also viel für einen attraktiveren und für alle bezahlbaren ÖV getan werden. Stattdessen steht der ÖV in den nächsten Jahren jedoch vor großen Herausforderungen:
  • Die Finanzierung bricht zunehmend weg, da viele Kommunen pleite sind und wegen der „Schuldenbremse“ mit einer zusätzlichen Schwächung ihrer Finanzen rechnen müssen. Gleichzeitig steigen die Regionalisierungsmittel des Bundes nicht in ausreichendem Maße, die Entflechtungsmittel laufen 2020 aus, und ihre Zweckbindung wird bereits vorher aufgehoben (siehe Kapitel 7).
  • Aufgrund der schon in den letzten Jahren fehlenden Mittel existiert ein Investitionsstau beim öffentlichen Nahverkehr, der sich 2009 auf 2,35 Milliarden Euro belief und aufgrund einer jährlichen Deckungslücke für Erneuerungen von geschätzt 330 Millionen Euro [3] inzwischen mehr als drei Milliarden Euro beträgt – Tendenz weiter steigend. Dadurch besteht das Risiko, dass öffentliche Verkehrsmittel in den nächsten Jahren teilweise nicht mehr weiterbetrieben werden können.
  • In einigen Regionen – insbesondere in Ostdeutschland – gibt es einen starken Bevölkerungsschwund und eine Zunahme des Durchschnittsalters.
  • Die Nachfrage nach dem ÖV stieg in den letzten Jahren stetig.[4] Diese Steigerung zieht jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen in den ÖV nach sich, die viele Verkehrsbetriebe derzeit jedoch nicht leisten können.
Dennoch ist die steigende Nutzung des ÖV aus ökologischer und sozialer Sicht erfreulich und sollte gestärkt werden, um den Autoverkehr deutlich zu reduzieren. Umfragen zu den Gründen, warum die Menschen den ÖV nicht noch stärker nutzen, führen zu folgendem Ergebnis:
Grafik-Hemmnisse
 
Es gibt also enormes Verbesserungspotenzial. Wobei an oberster Stelle eine bessere Vernetzung, ein einfacheres Tarifsystem, eine Erhöhung der Zuverlässigkeit und der Taktzeiten, ein besseres Preissystem sowie Verbesserungen der Qualität stehen sollten. Diese Broschüre soll darum unsere Forderungen präsentieren, wie eine entsprechende Reform des ÖV aussehen könnte.

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[1] Externe Kosten sind ökologische und soziale Folgekosten, die nicht von den Verursachern, sondern von der Allgemeinheit bzw. Dritten getragen werden. Dazu gehören beim Verkehr die Kosten des Klimawandels, der Umweltverschmutzung, Gesundheitsschäden durch Lärm und Abgase sowie Unfallfolgekosten u.v.a.m. Vgl. dazu: Christoph Schreyer, Markus Maibach, Daniel Sutter, Claus Doll & Peter Bickel: Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland - Aufdatierung 2005. Zürich: Infras, 2007. (Zusammenfassung des Berichts als pdf) [zurück zum Text]

[2] Bernhard Knierim & Winfried Wolf: Alternativer Geschäftsbericht 2011 der Deutschen Bahn AG. Berlin: Bahn für Alle, 2012, als pdf-Download unter www.bahn-fuer-alle.de. [zurück zum Text]

[3] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen: Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025. Köln: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, 2009. (pdf-Download, 756kB) [zurück zum Text]

[4] Follmer/Guschwitz u.a.: Mobilität in Deutschland. Bonn und Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Infas, DLR/Institut für Verkehrsforschung, 2010. [zurück zum Text]

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