Der Entwurf des Investitionsrahmenplans setzt falsche Prioritäten!

Innerhalb der Laufzeit eines Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) wird die mittelfristige Finanzierung über Investitionsrahmenpläne (IRP) geregelt. Der Entwurf des  neuen „Investitionsrahmenplan 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes“ aus dem Hause des Bundesverkehrsministers (BMVBS) liegt nun seit dem 14. Dezember 2011 vor. Sind im abgelaufenen Zeitraum 2006-2010 etwas mehr als 10 Mrd. € pro Jahr investiert worden, so liegt der Ansatz für 2011-2015 in etwa in der gleichen Größenordnung - aufgrund der Preissteigerungen kann dafür jedoch um rund 20-30% weniger  Bauvolumen realisiert werden.  Für die Fertigstellung aller laufender Projekte wären rund 41 Mrd. € nötig, in der mittelfristigen Finanzplanung sind bis 2015 jedoch nur rd. 15 Mrd. € gesichert. Lag im Vorgängerplan die Verteilung der Mittel auf West- und Ostdeutschland noch beim Verhältnis 74 zu 26, so verändert sich die Verteilung nun auf 83 zu 17.
Entwurf des IRP vom 14.12. 2011 (PDF, 4,4MB). Inzwischen (am 26.3. 2012) wurde der endgültige IRP (PDF, 5,4 MB) vorgelegt.


                             Vergleich   IRP 2006-2010 und IRP 2011-2015

Etat (Mio Euro)

 2006 – 2010 tatsächliche Investitionen

 2011 – 2015  Planung

          Gesamt      50.957

                 Gesamt 50.072

Neu- u Ausbau

Erhalt

Sonstiges
(u.a. Lärmschutz)

Neu- u
Ausbau


Erhalt

Sonstiges
(u.a. Lärmschutz)

Schienen   6.429 12.725    727   6.423 12.640 1.468     + 1001
Straßen 13.046   9.623 4.181   7.465 12.423 4.307     + 6001
Wasserwege      723   2.967    537      708   3.047    652     + 3001
Gesamt 20.198 25.315 5.444 14.595 28.110 6.427  + 1.0001
 1Infrastrukturbeschleunigungsprogramm  2012/2013
 

         (Mio Euro)    IRP 2006-2010 IRP 2011-2015
Gesamtsummen  
50.957 50.072
Schienen 19.881 20.631
Straßen 26.850 24.795
Wasserwege   4.227   4.647
                              (2011-15 incl. Infrastrukturbeschleunigungsprogramm 2012/2013)

Fast keine Neubeginne im Straßenbau

Der zum IRP gehörige „Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen 2011-2015“ enthält geplante Ausgaben in Höhe von 24,8 Mrd. €. Dabei wird der Ansatz für die Erhaltung von Straßen deutlich erhöht – jetzt 12,4 statt 9,6 Mrd. € in den fünf Jahren vorher. Für die Investitionen in Neu- und Ausbau stehen nur noch 7,5 statt 13 Mrd. € zur Verfügung.  Das im vorherigen Fünfjahreszeitraum überproportional viele Neubeginne erfolgten und diese jetzt abfinanziert werden müssen (sie erfordern sogar 7,9 Mrd.€) , bedeutet, das „sich in den nächsten Jahren Spielräume für Neubeginne aber nur in einem sehr begrenzten Umfange ergeben.“ In dieser Kategorie der noch nicht begonnenen Vorhaben oder genannt als „C. Prioritäre Vorhaben im IRP-Zeitraum“ sind insgesamt 196 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 11,3 Mrd. € enthalten, für die Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen oder für die nächsten Jahre erwartet werden. Davon sind 83 Projekte Ortsumfahrungen, in der Kategorie „D. Weitere wichtige Vorhaben“ für nach 2015 nochmal allein 78 OUs!

Das heißt im Klartext: Die Planungen in den Ländern laufen fleißig weiter; es entsteht eine Halde rechtskräftiger Projekte, von denen kaum eines begonnen werden kann. Neben der Verschwendung von Planungsleistungen wird damit deutlich, wie allerorten mit dem Versprechen für neue Straßen Illusionen genährt werden. Insbesondere bei Ortsumfahrungen, die sich zu hunderten in der Planung befinden,  wird das Spielen mit Bürgererwartungen deutlich. Und sie führen gerade in diesem Bereich zu einer Denkblockade im kommunalen Bereich: Mit der Illusion, die Ortsumfahrung komme bald, werden alternative Planungen zur Entlastung der Ortsdurchfahrten erst gar nicht in Angriff genommen. Genau hier muss jetzt umgeschaltet werden: Vor Ort müssen Maßnahmen wie Lkw-Durchfahrtverbot oder Tempo 30 ergriffen werden, um Verkehrsentlastungen zu erreichen und Konzepte zur Reduzierung des Autoverkehrs erarbeitet werden. Diese Maßnahmen müssen zukünftig auch aus Bundesmitteln gefördert werden können. (siehe auch Beitrag “Illusion Ortsumfahrung…..“)

Unter Verkehrsminister Ramsauer also so wenig Straßenbau wie nie in den letzten Jahrzehnten? Nein, das wohl leider nicht, aber auf alle Fälle so wenig Neubeginne wie nie. Dieser Trend erschließt sich schon aus den letzten Straßenbauplänen (als Teil des Haushaltes): So wurden im Haushalt 2011 nur zwei neue Projekte aufgenommen sowie nachträglich noch acht hinzugefügt . Im Straßenbauplan 2012 sind es jetzt erst einmal auch nur zwei Neue. Es wird ein Hauen und Stechen um die Finanzierung neuer Projekte in den nächsten Jahren geben (nur ein Auswahlkriterium für Neubeginne ist ein möglicher Baubeginn bis 2015). Das sich der Bundesverkehrsminister für sein Heimatland Bayern dafür bereits gut in Stellung gebracht hat, zeigt folgendes: Im ersten Entwurf des Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen vom August 2011 waren noch 815 Mio. € für das Südland im Kapitel C. enthalten, jetzt sind es 1,8 Mrd. € -  allein 24 Ortsumfahrungen sind enthalten (zum Vergleich: für NRW mit fast 1,5-mal so vielen Einwohnern sind nur 1,56 Mrd. € eingeplant).


Ausweg PPP?

Um das Finanzierungs-Dilemma aus Sicht der Straßenbau-Fans zu beheben, wird fieberhaft nach neuen Quellen gesucht – so war der neuerliche Vorstoß in Sachen Pkw-Maut zu verstehen. Die Lkw-Maut fließt ja jetzt schon vollständig in den Straßenbau über den Finanzierungskreislauf Straße – bei Einführung der Maut bekam die Schiene noch etwas ab; die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG)  soll weiterentwickelt werden (Schaffung einer begrenzten Kreditfähigkeit) und die PPP-Projekte mit dem Einstieg von Privatinvestoren laufen weiter und sollen fortentwickelt werden, obwohl wirtschaftlich sehr fragwürdig. Hier gilt es wachsam zu sein und die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge auch im Straßenbau zurück zu drängen.


Sinnvolle Verkehrsprojekte auf die Schiene setzen

Im Bereich Eisenbahnverkehr lautet das Grundprinzip des neuen IRP  Erhalt vor Neubau und folgerichtig soll in den nächsten Jahren nicht mit dem Bau neuer Verkehrsprojekte gestartet werden. Ausnahmen gibt es aber, wie z.B. für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm; für dieses Schienenprojekt mit relativ geringem Nutzen stehen Milliarden zur Verfügung.
Sabine Leidig kommentiert: „Nur 6,5 Milliarden Euro bis 2015 für den Schienenverkehr reichen hinten und vorne nicht. Allein 12,6 Milliarden Euro wären nach der Auflistung des Ministeriums nötig. Auch die Prioritätensetzung ist weiterhin völlig falsch: Für Schienenprojekte stehen deutlich weniger Mittel zur Verfügung als für den Straßenverkehr“, so Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur heutigen Vorstellung des Entwurfs des Investitionsrahmenplan 2011–2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) und fordert: „Die chronische Unterfinanzierung der Bahn muss beendet werden – mit der Aufgabe der Autobahnprojekte würden Finanzmittel frei“.
Herbert Behrens, ebenfalls Mitglied im Verkehrsausschuss für die Fraktion DIE LINKE fügt hinzu: „Die neue Einsicht des Verkehrsministers Ramsauer, Erhalt vor Neubau zu setzen, ist lange überfällig. Seine abenteuerlichen Verkehrsvisionen sind weder sinnvoll, noch zu finanzieren. Anstatt aber bei der dringend notwendigen Schienenanbindung der Seehäfen zu sparen, sollten endlich umstrittene Großprojekte gestrichen werden. Projekte, wie die heftig kritisierte Anbindung einer festen Fehmarnbelt-Querung und die sogenannte Y-Trasse sollten endgültig aufgegeben werden, nachdem sie bereits zurückgestellt worden sind. Jahrelang hat der Minister für alle Verkehrsprojekte Zusagen gegeben, ohne Konzept und Blick ins Portemonnaie. DIE LINKE fordert schon seit Jahren einen Vorrang von Erhalt statt Neubau.“

Bis Ende Januar 2012 sind die Länder aufgefordert, Stellung zu dem IRP-Entwurf zu nehmen. Der nächste BVWP soll 2015 kommen, für das Ende der Legislaturperiode2013 hat das Bundesverkehrsministerium die Vorlage einer neuen Grundkonzeption angekündigt.