Nicht Brücke, sondern Krücke zum neuen Klimaregime

Kommentar zum Ergebnis der UN-Klimaverhandlungen in Doha von Eva Bulling-Schröter, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Wir sind einen Schritt weiter. Einen Schritt weiter dahin, Hamburg oder Lübeck in einigen Jahrzehnten regelmäßig überflutet zu sehen. Einen Schritt weiter dabei, Brandenburg zu versteppen. Vor allem aber in eine Zukunft, in der Indien oder Bangladesch immer mehr Tote zu beklagen haben, weil der Monsun verrückt spielt und das Meer die Küsten überspült.

Seit dem Wochenende bin ich zurück von der UN-Klimakonferenz in Doha. Die Zeitungen schreiben, die Gipfel-Ergebnisse seien enttäuschend, aber wenigstens eine Brücke zu einem neuen Klimaregime, dass die Erderwärmung auf ein gerade noch verträgliches Maß begrenzen könnte. Doch das ist in die Tasche gelogen. Wenn überhaupt, ist Doha eine morsche Brücke, die kaum belastbar ist.

Ja, es stimmt, das Kyoto-Protokoll, welches Silvester ausläuft, wurde nun endlich bis 2020 verlängert. Aber die verpflichteten Industriestaaten machen nur weniger als 15 Prozent der globalen Emissionen aus. Weil die Dreckschleudern USA, Kanada oder Japan fehlen, und natürlich auch weil Schwellenländer nicht dabei sind, die aufgrund ihre schieren Größe emissionsstark sind, China oder Indien beispielsweise.

Europa will im Klimaschutz acht Jahre nichts tun
 

Die neuen Verpflichtungen zu Treibhausgasminderungen, die bis 2020 gegenüber 1990 eingegangen wurden, sind großteils lächerlich. Die EU bleibt bei jenen mageren minus 20 Prozent, die sie heute schon geschafft hat – Europa will also im Klimaschutz acht Jahre nichts tun. Einige osteuropäische Staaten haben zwar auf dem Papier höhere Verpflichtungen als in der ersten Phase 2008 bis 2012. Allerdings ist ihre Industrie Anfang der neunziger Jahre extrem geschrumpft, was nebenbei bis zur Hälfte der Klimakiller einsparte. Die neuen Verpflichtungen liegen jedoch beispielsweise im Falle Weißrusslands nur bei minus 12 und für die Ukraine lediglich bei minus 24 Prozent gegenüber 1990. Unter dem Strich können die Länder also beim CO2-Ausstoß noch deutlich zulegen. Das Riesenreich Russland hat sich bisher zu gar nichts verpflichtet.

Damit bleibt ein weiteres Problem ungelöst: Aus dem alten Vertrag haben die osteuropäischen Staaten wegen des Niedergangs noch jede Menge Emissionsrechte übrig, welche in die neue Zeitrechnung übernommen werden dürfen. Der Handel mit ihnen wurde zwar eingeschränkt. Aber sie sind für die Herkunftsländer auf ihre Pflichterfüllung bis 2020 anrechenbar. Damit ist jede Menge "heiße Luft" im System, die dem Klima schadet.

Eigentlich sollte es in den Doha-Vereinbarungen auch ums Geld gehen. Um Entschädigungen und Umbauhilfen für die Länder des globalen Südens, die am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben. Doch auch hier ist nicht viel passiert. Zwar haben Deutschland, Großbritannien und einige andere Staaten ihre Zahlungen für die nächsten beiden Jahre leicht aufgestockt. Wie man aber auf jene in Durban versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich ab 2020 kommen will, liegt vollkommen im Nebel.

Ein umfassender Weltklimavertrag, bei dem alle mitmachen, ist in weiter Ferne. Über sämtliche relevante Punkte herrscht Uneinigkeit. Und das, obwohl der Pakt schon 2015 unterschrieben werden und 2020 in Kraft treten soll.

Schwarz-Gelb bedient die Interessen der Konzerne
 

Lähmendes Misstrauen ist die zentrale Kategorie der jährlichen Klimagipfel. Und die EU tut nicht viel, um das zu überwinden. Niedrige Ziele und Almosen an die Ärmsten – die Europäer haben die einstige Führerschaft im Klimaschutz verloren, (allerdings hat sie auch niemand übernommen). Schuld daran ist übrigens nicht unwesentlich die kleine FDP, die am Kabinettstisch und über das Bundeswirtschaftsministerium in Brüssel jegliche Reformen des EU-Emissionshandels torpediert. Ohne diese Reform lässt sich jedoch das Klimaschutzziel Europas nicht auf jene 30 Prozent hochschrauben, die eigentlich zum Schutz der Erdatmosphäre notwendig wären.

Die Union toleriert diese Blockadepolitik der Liberalen. Beide zusammen bedienen damit letztlich die Interessen jener Konzerne, die an der überkommenden fossil-atomaren Wirtschaft profitieren. Insofern nutzt das erfreuliche Wachstum der erneuerbaren Energien hierzulande dem Weltklima wenig. Denn die Bundesregierung trägt auf internationalem Parkett leider dazu bei, dass das eingangs aufgemachte Schreckensszenario mittlerweile wahrscheinlicher ist, als alles andere. Auch darum gehört Schwarz-Gelb nächstes Jahr abgewählt.

siehe auch Doha-Blog von Eva Bulling-Schröter