Tagebuch Klimakonferenz Tag 5 Abschluss

Tag 5: Sonnabend, 12. Dezember 2014: Warum Klimagerechtigkeit so wichtig ist

Wir gehen in die Verlängerung. Am Morgen wieder Briefing: Die Industrieländer wollen wie erwartet nicht ins Portemonnaie greifen, dafür aber die Entwicklungsländer bei CO2-Reduktionszielen mehr in die Verantwortung nehmen. Das Beichtverfahren in der Nacht (Tag 4) hat sich verzögert und wurde vom COP-Präsidenten Vidal schließlich abgebrochen. Der dann vorgelegte Entwurf wird von vielen Ländern des Südens als ungerecht empfunden. Und er ist es auch. Seit zehn Uhr dann wird der Entwurf für die so wichtige Abschlusserklärung von Lima in der Vollversammlung wieder neu besprochen. Der Vertreter von Malaysia bringt die Problematik der Klimagerechtigkeit auf den Punkt, wegen der großen Unterschiede zwischen Arm und Reich würden Nord und Süd in „zwei verschiedenen Welten“ leben: „Ihr habt uns kolonisiert, darum sind wir ganz woanders gestartet!“

Auch heute wieder ein Eindruck aus Lima. Auf der Konferenz versorgen hunderte ArbeiterInnen aus der Stadt die KonferenzteilnehmerInnen mit Kaffee, Saft, Essen. Auch an den Sicherheitsschranken im Eingang und Ausgang, hinterm Steuer in unserem Shuttle-Bus, oder bei der Toiletten-Reinigung. In einer der vielen kleinen Café-Bars arbeitet Julio. Normalerweise sitzt der Anfang Zwanziger auf der Ersatzbank der heimischen 1.-Liga-Vereins Deportivo Municipal. In den zwei Wochen haben er und seine KollegInnen für einen 12-Stunden-Tag Kaffee-Kochen und Sandwichs herausgeben 620 Soles (162 Euro) verdient. „Das ist nicht viel, aber nicht so wenig wie woanders“, erzählt er mir.

Auch in Lima ist wieder deutlich geworden, dass es in der internationalen Klimapolitik natürlich auch um Standortwettbewerb und Marktanteile geht. Die Industrieländer wollen keine Steuern erhöhen, um ihrer Verantwortung für Klimafinanzierung gerecht zu werden. Die Schwellenländer wie China und Indien drängen nach, und wollen sich beim Aufstieg in die Champions-Liga des Wohlstands nicht durch Klimaregeln ins Abseits stellen lassen. Gekämpft wird um Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Profite. In einer ungleichen Welt steht das Überleben von Menschen auf dem Spiel und berechtigte Entwicklungschancen historisch benachteiligter Weltregionen. Den Widerstand der Industriestaaten gegen verbindliche und wirklich angemessene Beiträge zur Klimafinanzierung, sei es für den Grünen Klimafonds, Verlust und Entschädigung oder Klimawandel-Anpassung, empfinde ich als beschämend. Dass die Klimagelder auf die Entwicklungshilfe angerechnet werden ist ein unverschämter Buchhaltertrick, über den leider viel zu wenig berichtet wird. Zumal die alte Verpflichtung, 0,8 Prozent der Wirtschaftsleitung für arme Länder bereit zu stellen, auch von Deutschland bisher nicht eingehalten wird.

Überzeugt bin ich, dass Verhandlungen der Vereinten Nationen immer zu begrüßen sind. Und auch, dass der Gesprächsfaden über den Klimawandel nicht abreißt ist sehr wichtig. Unbestreitbar ist hingegen der Umstand, dass der UN-Klimaprozess seit dem Scheitern von Kopenhagen 2009 auf einen Minimalkonsens zurückgefallen ist. Diskutiert wurde in Lima nur der Fahrplan zur Meldung von Klimaziel-Absichtserklärungen (intended nationally dertermined contributions – INDC´s) und deren Ausgestaltung. Wer die einmal gemeldeten nationalen Reduktionsziele nicht einhält, muss allein mit öffentlicher Missachtung rechnen. Ob mit dieser Methode das 2-Grad-Limit zu schaffen ist, bleibt für mich mehr als fraglich.

Was kann die Politik tun? Die Zeit bis Paris muss die Große Koalition jetzt nutzen, um sich in EU und G7 für echten Klimaschutz und dessen Finanzierung stark zu machen. Den Entwicklungsländern kann nur mit Taten geholfen werden, um Vertrauen aufzubauen. Vor allem müssen die ärmsten Länder mit Geld, Personal und Wissen in die Lage versetzt werden, sich an die voranschreitende Erderwärmung anzupassen.

Und ganz wichtig: Wir hier in Deutschland müssen zeigen, dass das mit der Klimawende klappt und wir die gesteckten Ziele erreichen. Das muss natürlich auch bei uns sozial abgesichert werden und darf nicht dem kleinen Mann und der kleinen Frau übergeholfen werden!

Während Bauarbeiter schon damit begonnen haben, die Konferenz-Zeltstadt in ihre Einzelteile zu zerlegen, steigen wir in den Bus und machen uns, mit einem kleinen Abstecher zum Markt, auf den Weg zum Flughafen. Vom Ergebnis der Verhandlungen im Cusco-Saal werden wir erst über den Wolken erfahren.

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