Jetzt erst recht! Politisches Engagement ist gemeinnützig!

Demonstration mit Attac-FahnenPolitisches Engagement verteidigen:
Attac unterstützen!

Nach jahrelangem Rechtsstreit hat Attac vom höchsten deutschen Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof (BFH) die Gemeinnützigkeit abgesprochen bekommen. Dazu sagt Sabine Leidig, Beauftrage für soziale Bewegungen der Linksfraktion im Bundestag: „Dieses Urteil ist ein Schlag gegen die politisch engagierte Zivilgesellschaft und gefährdet unsere Demokratie. Es muss jetzt schnell durch eine gesetzliche Klarstellung korrigiert werden."

Kern der Urteilsbegründung: Die Gemeinnützigkeit ist zwar dann gerechtfertigt, wenn eine Organisation nur im Einzelfall auf tagespolitische Fragen eingehe. Die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung erfülle jedoch keinen gemeinnützigen Zweck (Pressemitteilung des BFH). Gleichzeitig grenzt das Urteil stark ein, wie die Aufgabenfelder für gemeinnützige Organisationen in der Abgabenordnung ausgelegt werden können, welche Tätigkeiten also im Zusammenhang mit den Satzungszwecken als gemeinnützig anerkannt werden. Bei Attac sind dies  „Volksbildung“ und „Demokratisches Staatswesen“.

Dies hat fatale Auswirkungen auf zukünftige Entscheidungen aller Finanzämter und Finanzgerichte (siehe dazu die Einordnung des Urteils von Attac, von der Alianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung", von Heribert Prantl (Video), Journalist bei der SZ und ehemaliger Richter sowie von Birgit Marschall im Interview des Deutschlandfunks).

Äußerungen aus CDU, FDP und AfD verdeutlichen dies: Jetzt solle es auch anderen missliebigen Organisationen an den Kragen gehen, wie z.B. der Deutschen Umwelthilfe (SZ vom 28.2. 2019: „Was sich die CDU vom Attac-Urteil erhofft“, taz vom 1.3. 2019: „`Gemein´ heißt nicht `nützlich´“).

Dieses Gerichtsurteil lässt sich nicht revidieren. Daher muss jetzt die Abgabenordnung geändert werden. Sie muss erweitert werden, damit jegliches, auch tagespolitische Engagement im Sinne des Gemeinwohls als gemeinnützig anerkannt wird. Dazu hat Campact eine Kampagne gestartet.

Unternehmen können die Ausgaben ihrer Lobbyabteilung, die Mitgliedsbeiträge für ihre Verbände und für PR-Kampagnen von der Steuer absetzen. Hier fließen Millionenbeträge mit dem Ziel, tagespolitisch Einfluss zu nehmen. Das Gemeinwohl spielt hier nur insofern eine Rolle, als dass versucht wird, die Partikularinteressen des Unternehmens bzw. einer Branche als Gemeinwohl darzustellen. Jedwede „Belastung“ der Autoindustrie (z.B. verpflichtende Nachrüstungen zur Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte) würde den Standort Deutschland und Millionen Arbeitsplätze gefährden – dies sei also nicht im Sinne des Gemeinwohls. So manches Mal wäre da eine Extrasteuer wegen Volksverdummung gerechtfertigt. Stattdessen wurde sogar die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik als gemeinnützig anerkannt. Sie hat das Ziel, „die Kenntnis über zentrale Themen (…) der Wehr- und Sicherheitstechnik und der Verteidigungswirtschaft zu fördern“ (taz vom 27.2. 2919: „Waffen für das Gemeinwohl“).

Und wenn ich mich als Person für das tatsächliche Gemeinwohl einsetze und Organisationen wie Attac unterstütze, dann muss ich meine Mitgliedsbeiträge versteuern? Eine absurde Situation.

Natürlich lässt sich darüber streiten, was im Sinne des Gemeinwohls ist. Es muss sogar öffentlich darüber debattiert werden. Gerades deshalb ist eine engagierte Zivilgesellschaft so wichtig. Einen Rahmen gibt die Abgabenordnung in Paragraf 52 sogar vor: Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“. Was haben wir für eine Rechtsprechung, wenn die Förderung der Verteidigungswirtschaft darunter gezählt wird, Globalisierungskritik aber nicht? (siehe dazu den Kommentar „Was heißt hier eigentlich gemeinnützig?“ von Eva Marlene Hausteiner im Deutschlandfunk)

Weltweit wird in vielen Ländern immer offensiver zivilgesellschaftliches Engagement eingeschränkt. Nun also auch in Deutschland? („Der `shrinking civic space´ ist in Deutschland angekommen“ - Ein Kommentar von Rupert Graf Strachwitz, Leiter des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft).

Dem können wir nur ein ganz klares „Jetzt erst recht“ entgegen setzen!