Dorothée Menzner in Japan: 20.02.2012 - Osaka

Wir sind verabredet mit Prof. Hiroaki Koide vom Reserch Reactor Institute der Universität Kyoto, die in einem Vorort von Osaka ihren Sitz hat und einen Forschungsreaktor betreibt. Prof. Koide ist seit vielen Jahren der Überzeugung, dass Atomtechnik nicht zur Energieerzeugung eingesetzt werden sollte. Mit dieser Meinung hat er nie hinter dem Berg gehalten, was seiner Karriere nicht besonders gut tat. Inzwischen ist er ein gefragter Experte. Er empfängt uns in seinem kleinen Büro, das mehr an eine Besenkammer denn an ein Büro erinnert. Schnell kommen wir ins Gespräch und machen damit Sami, unserem Kameramann das Leben schwer, denn ich kann meine Emotionen kaum mehr beherrschen - spätestens als er mir detaillierte Bilder und Grafiken des Reaktorblocks 4 von Fukushima zeigt. Habe ich doch mit befreundeten deutschen Experten Monate erfolglos nach diesen Bildern gesucht.

Er ist in seinen Aussagen zu den Verantwortlichen in Fukushima und dem, was der Kern des Problems ist, an Klarheit nicht zu Überbieten. Wörtlich; "die Verantwortlichen muss man als Verbrecher bezeichnen". Endgültig stockt mir der Atem, als er mir eine Grafik vorlegt, aus der detailliert hervorgeht, dass all die 54 AKW in Japan zur Erzeugung des notwendigen Stroms nicht gebraucht werden. Sie produzieren nur für die Gewinne der Konzerne und die Militärphantasie der Regierung. Und je länger wir im Land unterwegs sind, desto mehr springt uns neben allen möglichen anderen Ungereihmtheiten das enorme Energieeinsparpotential ins Auge.

Entweder hat die Bevölkerung immer noch nicht durchschaut, dass sie gänzlich ohne Not dem Risiko ausgesetzt wurde und wird, oder aber die Erziehung zur Kritikunfähigkeit funktioniert noch besser als wir uns das vorstellen können und sorgt dafür, dass die Bevölkerung immer noch weitgehend ruhig hält. Danach fahren wir in die Stadt zur Zentrale von Kepco, dem Energiekonzern von Westjapan, der 164 Kraftwerke betreibt, davon 11 AKW. Der letzte seiner Reaktoren geht heute für turnusmäßige Wartungen vom Netz. Die lokale Anti-Atombewegung nutzt den Anlass für eine kleine Demo vor der Zentrale, bei der wir viele Bekannte wiedersehen und auch noch etwas für die morgige Abendveranstaltung, die ich in Osaka zugesagt habe, mobilisieren.

Danach trennen sich die Wege des Teams - Ralph und Sami werden als ungebetene Gäste der Pressekonferenz der Konzernspitze beiwohnen, während Yuko und ich nach einem leckeren Mittagessen mal sowas versuchen wie privates Sightseeing . Das erste Mal in 10 Tagen. Der Abend ist angefüllt mit Schreiben und dem Produzieren eines Rohschnitts für einen möglichen Abnehmer von Filmmaterial, also den Arbeiten, die keiner sieht, aber ohne die am Ende kein Ergebnis steht und ohne die vor allem auch kein Geld reinkommen wird, das ja unsere Kosten decken soll - schließlich haben wir schon das notwendige Nachfolgeprojekt im Kopf konzipiert und dürfen daher möglichst nicht mit Verlust aus diesem rausgehen.