Kurzanalyse: Schwarz-Gelber Atomkompromiss

Elf weitere Jahre setzt die Koalition auf die Atomkraft. Das ist kein Ausstiegsbeschluss, sondern ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung. DIE LINKE wird im Parlament und auf der Straße weiter für einen deutlich schnelleren Atomausstieg streiten.

Der Atomkompromiss
Die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das AKW Krümmel sollen nicht wieder ans Netz gehen. Die acht Meiler wurden nach Verkündung des „Atom“-Moratoriums durch Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte März vorübergehend abgeschaltet. Eines dieser AKWs soll jedoch bis zum Frühjahr 2013 im „stand by“-Betrieb als Reserve vorgehalten werden. Die anderen AKWs sollen „schrittweise bis Ende 2022“ stillgelegt werden. Über konkrete Restlaufzeiten der einzelnen AKWs schweigt sich der Koalitionsbeschluss aus.

Interessant: Der Branchenverband der Energiewirtschaft BDEW, dem auch die vier großen Atomkonzerne angehören, hatte im April per Mehrheitsbeschluss einen vollständigen Atomausstieg bis zum Jahr 2020 gefordert. Das Umweltbundesamt, eine dem Bundesumweltministerium unterstellte Fachbehörde, hält einen Atomausstieg bis zum Jahr 2017 für möglich und sinnvoll.

Gegenüber dem rot-grünen Atomkonsens bedeutet die Stilllegung der acht Moratoriumsmeiler eine Beschleunigung. Vier der Atomkraftwerke – Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser und Philippsburg 1 – wären laut Rot-Grün erst 2012 bzw. 2013 vom Netz gegangen. Auch beim Ausstiegsdatum 2022 übertrumpft Schwarz-Gelb den sog. Atomkonsens aus dem Jahr 2000. Demnach wäre das letzte AKW – Neckarwestheim 2 – erst frühestens im Jahr 2023 vom Netz gegangen. Dies führt noch einmal deutlich vor Augen: Der rotgrüne Atomkonsens war Nonsens, die garantierten Restlaufzeiten waren einzig und allein an den Profitinteressen der Atomindustrie ausgerichtet.

DIE LINKE: Der Kraftwerkspark in Deutschland ist derart überdimensioniert, dass sofort elf Atomkraftwerke vom Netz gehen könnten – ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Ein vollständiger Atomausstieg ist bis Ende 2014 technisch machbar. Es gibt keinen verantwortbaren Grund die AKWs über dieses Jahr hinaus weiterlaufen zu lassen. Statt durch lange Laufzeiten von AKWs eine Hintertüre für deren Weiterbetrieb offen zu halten, muss der Atomausstieg im Grundgesetz verankert und damit unumkehrbar gemacht werden.

Kuriosum am Rande: Vom 21. Mai 2011 waren für eine Woche aufgrund des "Atom"-Moratoriums und wegen Wartungsarbeiten in fünf weiteren AKWs nur noch vier der siebzehn Atomkraftwerke am Netz.

Die Endlagerfrage
Die Koalition hält an Gorleben als möglichem Endlagerstandort fest, will aber auch „ein Verfahren zur Ermittlung allgemeiner geologischer Eignungskriterien und möglicher alternativer Entsorgungsoptionen“. Die Ethik-Kommission empfiehlt, dass die Endlagerung von Atommüll rückholbar erfolgen muss. Damit soll die Möglichkeit sichergestellt bleiben, "Gefahren und Umfang des Atommülls zu vermindern, wenn entsprechende Technologien verfügbar sein werden".

DIE LINKE: Die erste Antwort auf die Endlagerfrage ist der unverzügliche Ausstieg aus der Atomkraft, damit nicht noch zusätzlicher hochgefährlicher Atommüll entsteht. Die Erkundung des Salzstocks Gorleben muss beendet werden. Der Salzstock Gorleben ist zur Lagerung von Atommüll, der hunderttausende von Jahren strahlt, nicht geeignet. Die Entscheidung für Gorleben fiel aus rein politischen Erwägungen – so viel lässt sich nach einem Jahr Untersuchungsausschuss Gorleben festhalten. Neue Konzepte zum Umgang mit dem Atommüll müssen ergebnisoffen mit vollkommener Transparenz und unter umfassender Beteiligung der Bevölkerung eingeleitet werden. Wie die Ethik-Kommission fordern wir, die Lagerung des Atommülls rückholbar zu gestalten – dies lehrt uns nicht zuletzt das Desaster im Atommülllager Asse.

Bezahlbare Strompreise
Für die energieintensive Industrie sieht die Koalition umfassende Kompensationsregeln als Ausgleich für möglicherweise steigende Strompreise in Höhe von jährlich 500 Mio. Euro vor. Bezahlbare Strompreise für Privathaushalte finden im Beschluss der Koalition keine Erwähnung.

DIE LINKE: Der schnelle Atomausstieg ist ein Grund mehr, eine wirksame Strommarktaufsicht durchzusetzen, das Abklemmen von der Stromversorgung zu verbieten und Stromsozialtarife verbindlich einzuführen.

Energiewende?
Die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau erneuerbarer Energie und zur Senkung des Stromverbrauchs bleiben die Alten. Die Bundesregierung hat jedoch gleich zwei Geschenke für die Stromkonzerne geschnürt: ein neues, nicht näher ausgeführtes Kraftwerksförderprogramm sowie ein fünf Mrd. Euro starkes KfW-Programm für Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee. Windparks auf See sind äußerst kapitalintensiv und können nur von Großinvestoren gestemmt werden. Die Förderung dezentraler Windkraft auf dem Land wird hingegen zusammengestrichen. Für den Ausbau vornehmlich fossiler Kraftwerksleistung soll ein Planungsbeschleunigungsgesetz erlassen werden.

DIE LINKE: Neben einer wirkungsvollen Förderung dezentraler erneuerbarer Energien über das Erneuerbare-Energien-Gesetz fordern wir eine Energieeffizienz-Offensive. Ambitionierte, verbindliche Standards für den Energieverbrauch stromverbrauchender Geräte und industrieller Prozesse sowie ein Energiesparfonds (2,5 Mrd. Euro) mit speziellen Förderprogrammen für einkommensschwache Haushalte müssen eingeführt werden.

Zu Guter Letzt: Es wird keine sozial-ökologische Energiewende geben, solange es nicht gelingt, die vier großen Energiekonzerne zu entmachten. Die Stromversorgung muss demokratisiert werden. Das heißt: Energienetze in öffentliche Hand überführen, Konzerne entflechten, Energieversorgung rekommunalisieren und Energiegenossenschaften fördern.