Lex Asse mit Hintertürchen ablehnen

 Förderturm AsseIm Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel, Niedersachsen tritt seit Jahren Salzlauge ein. Das Bergwerk wird zunehmend instabil und droht abzusaufen. Von 1965 bis 1978 wurden dort über 126.000 Fässer Atommüll eingelagert, der größte Teil schwachradioaktive Abfälle, aber auch fast 1300 Gebinde mit mittelradioaktiven Abfällen. Fakt ist, dass ein Langzeitsicherheitsnachweis für den Verbleib der Abfälle in der Asse bislang nicht erbracht ist und wohl auch zukünftig nicht zu erbringen ist. Die Asse ist ein rechtswidriger Zustand, und die Rückholung der Abfälle mit allen legal möglichen Mitteln ist die einzige Option, mit der Asse umzugehen.

Leider ist die Einsicht in die Notwendigkeit, dass der Müll aus der Asse raus muss, noch nicht bei allen angekommen. Es gibt eine starke Interessengruppe, die die Asse gerne einfach fluten möchte. Die Begründungen treiben merkwürdige Blüten: da wird die tagesaktuelle Wirtschaftlichkeit gegen den langfristigen Strahlenschutz und die Folgeschäden für die Umwelt, wenn der Müll drinnen bleibt, aufgewogen.

Weil die „Einlagerung“ der Abfälle unter ominösen und teilweise nicht nachvollziehbaren Bedingungen stattfand, ist das genaue Inventar der Asse und der Zustand der Einlagerungskammern unbekannt. Vielleicht möchte auch manch einer verhindern, dass dieses Unbekannte aus den Tiefen des Salzbergwerks wieder ans Tageslicht befördert wird.

Lex Asse: Vom Konsens zum Dissens

Ein Gesetz zur Beschleunigung zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse ist parteiübergreifend, auch von der LINKEN und vor allem bei der örtlichen Bevölkerung um Wolfenbüttel ausdrücklich gewollt. Die Lex Asse ist ein Fortschritt. Das Gesetz fordert ein schleuniges Verwaltungshandeln, was zu großen Teilen auch ohne ein solches Gesetz längst hätte Realität sein können, nun endlich verbindlich.

Was muss ein Gesetz leisten, dessen Verfasser den Willen zur Rückholung der Abfälle als vordringliches Ziel, als einzige Option, als den Zweck des Gesetzes bekunden?

Es müsste alles rechtlich mögliche ausschöpfen, das der Beschleunigung und der Durchführung der Rückholung dienlich ist. Es dürfte keinesfalls Hintertüren für diejenigen offen lassen, die mit allen Mitteln das vorzeitige Aus der Rückholung und die Flutung der Asse durchsetzen wollen, mit allem, was sich darin befindet.

Aber solch ein Gesetz ist es nicht. Denn nicht nur die fünf Parlamentarierinnen aller Fraktionen saßen am Tisch der Verhandlungen um das Gesetz, sondern auch Hausherrin der Asse – das Bundesamt für Strahlenschutz – und ihre oberste Weisungsbehörde – das Bundesumweltministerium. Diejenigen Akteure, die sich in der Vergangenheit im Verwaltungs-Kleinklein verloren haben, sich gegenseitig die Schuld zuschoben, wer an welcher Stelle gerade welchen Prozess zur Vorbereitung der Rückholung und der Faktenerhebung wie behindert hat, waren an der Formulierung des Gesetzes, auf dessen Grundlage sie in Zukunft handeln sollen, selbst rege beteiligt.

Und es gab und gibt Mängel und Hintertürchen im Gesetz. Es ist insbesondere dem engagierten Auftreten des Asse-II-Koordinationskreises und besorgten Bürgerinnen und Bürgern um die Asse zu verdanken, dass nach der ersten parlamentarischen Lesung des Gesetzentwurfs gravierende Mängel an etlichen Stellen thematisiert und in einer öffentlichen Anhörung zur Sprache kommen konnten. Einige zentrale Kritikpunkte wurden im Konsens ausgeräumt, dann aber mehrere Fehler gemacht.

Es war sicherlich völlig unnötig, den Versuch zu starten, zwei Tage vor der abschließenden Beratung des Gesetzes die Vorbereitung der Flutung als Notfallmaßnahme mit Vorrang vor der Rückholung in den Gesetzestext zu bekommen. Ein absolutes No-Go bei allen Menschen der Region, bei allen Bürgerinitiativen und ein so deutliches Bekenntnis für den Willen zur Flutung der Asse. Es war außerdem völlig kontraproduktiv, eine bereits als Konsens geglaubte und zentral von den Bürgerinitiativen und von der Asse-II-Begleitgruppe geforderte Feststellung, nämlich dass die Rückholung der Abfälle keinesfalls mehr einer Rechtfertigungsprüfung nach Strahlenschutzverordnung bedarf, zwei Tage vor der abschließenden Beratung der Lex Asse wieder zu streichen.

Wo sind die Fehler?

Eine zentrale Frage bei der Lex Asse ist tatsächlich, ob die Rückholung der Abfälle aus der Asse rechtfertigungspflichtig nach Strahlenschutzverordnung ist oder nicht. Wir sind davon überzeugt, dass sie es nicht ist, denn sie ist Teil des Betriebs und der Stilllegung der Asse und vor allem als Teil der nationalen nuklearen Entsorgung sogar staatliche Aufgabe und insofern keinesfalls weiterhin rechtfertigungspflichtig. Wenn der Gesetzgeber hier nicht wenigstens in einer Begründung der Änderungsanträge genau das feststellt, bietet das in Zukunft für Gegner der Rückholung die Möglichkeit, zu jeder Zeit eine Rechtfertigungsprüfung der Rückholung zu starten. In der könnten dann wirtschaftliche Kriterien gegen die des langzeitlichen Strahlenschutzes aufgewogen werden. Eine sperrangelweite Hintertür für Gegner der Rückholung.

Uns fehlt in der Lex Asse aber noch mehr. Was kaum beleuchtet wurde, ist nämlich die ebenfalls zentrale Frage, welche Klagerechte bestehen, sollte eines Tages entschieden werden, die Rückholung der Abfälle abzubrechen. Diese Entscheidung allein ist nicht an die Pflichten von Umweltverträglichkeitsprüfverfahren gekoppelt. Hier hätte eine Klarstellung erfolgen müssen, dass ein Verbandsklagerecht besteht. Das wäre einerseits ein großartiges Signal an die seit Jahrzehnten gebeutelten Anwohner in der Region um die Asse gewesen. Andererseits wäre dies die einzige Möglichkeit für die Öffentlichkeit, den Abbruch der Rückholung wirksam zu hinterfragen. Denn der Bundestag soll in dem Fall nur unterrichtet, und nicht wie von uns gefordert, dazu auch angehört werden.

Es gäbe noch mehr Punkte, wo es Verbesserungen an der Lex Asse hätte geben können. Aber die sind nicht so zentral zu kritisieren wie die sperrangelweite geöffnete Hintertür der Rechtfertigungsprüfung der Rückholung und das fehlende Mitbestimmungsrecht.

Diese Mängel hätten selbst in der Ausschussbehandlung noch behoben werden können, denn entsprechende Änderungsanträge der LINKEN lagen bei der Ausschussberatung vor und stehen auch der Schlussabstimmung der Lex Asse noch zur Verfügung.

Wir wollen eine Lex Asse. Aber nicht so.