Lindau stimmt für Inselbahnhof - aber CSU will zweiten Bürgerentscheid

Beim Bürgerentscheid zum Haupt- und Inselbahnhof Lindau am 11. Dezember 2011 gab es einen 61-Prozent Erfolg für die sogenannte Kombilösung, d.h. der Hauptbahnhof bleibt in weitgehend ungeschmälerter Funktion auf der Insel erhalten und es entsteht in Ergänzung im Stadtteil  Reutin  ein neuer Bahnhof für Nahverkehr und für die Fernverkehrszüge Zürich – Bregenz – Lindau – München. Diese letztgenannten – bisher sechs Zugpaare pro Tag – würden die Insel dann nicht mehr anfahren.
Der Bürgerentscheid ist zunächst gültig, zumal die Wahlbeteiligung mit 40,86 % erstaunlich gut war und das Quorum deutlich erreicht wurde. Interessant ist auch, dass es in ALLEN Stadtbezirken mit einer Ausnahme (meist deutliche) Mehrheiten für die Kombilösung, also den Erhalt des Insel-Hauptbahnhofes gab. Auch die Festlandsbezirke hatten solche Mehrheiten (Ergebnisse nach Wahlbezirken).

Gestern (Di, der 13.12.) hat nun die CSU im Stadtrat einen neuen Bürgerentscheid beantragt. Dieser soll direkt konfrontativ lauten: Reutin als Haupt- und alleiniger Bahnhof versus Beibehalt der jetzigen Situation (nur ein Hbf. und nur ein Bhf. auf der Insel).  Für einen solchen Bürgerentscheid hatte die CSU in den vergangenen fünf Wochen bereits mehr als 2000 Unterschriften gesammelt und damit auch das Quorum deutlich überschritten. Die Frage war aber, ob sie nach der klaren Entscheidung des Bürgerentscheids zur Kombilösung diesen Antrag noch stellen würde. Sie stellte ihn. Damit findet ein zweiter Bürgerentscheid statt; dieser ist auf den 18. März terminiert (früher ist wegen der OB-Wahl nicht machbar).

Sehr viel spricht dafür, dass diese CSU-Sache mit der DB AG abgekartet ist. Immerhin will diese seit 1997 partout alle Gleise von der Insel runter haben. Der Kombi-Vorschlag schien da von vornherein darauf abzielend, dass die reinen Befürworter des Inselbahnhofs da nicht mitmachen würden, dass Kombi scheitern – und dass man dann den „pur Reutin“ Bürgerentscheid oder eine faktische Entscheidung dieser Art durchziehen könnte. Daher ließ der für Lindau zustände DB-AG-Netz-Manager Hentschel vor drei oder vier Tagen, also VOR der neuen CSU-Entscheidung für einen neuen Bürgerentscheid – mitteilen, die Bahn würde jetzt „drei Monate benötigen“, um die technischen Konsequenzen aus dem Bürgerentscheid zu bedenken – u.a. die Frage, welche Gleise und Weichen dann  von der Insel runtergenommen werden könnten. Tatsächlich bleibt es bei der Haltung der DB AG, die diese seit 1997 verfolgt: Sie will den Bahnhof aufgeben, alle Schienen auf der Insel rausreißen und Gebäude und freiwerdende Flächen verwerten - und setzt nun auf den CSU-Bürgerentscheid im März 2012. Real ist es absoluter Quatsch, dass die Bahn für diese Art Überlegungen längere Zeit benötigen würde.

Damit wird es im nächsten Vierteljahr in Lindau in doppelter Hinsicht spannend:

Erstens wird mit beiden Bürgerentscheiden die OB-Wahl, deren erste Runde Mitte Januar stattfindet, neu akzentuiert. Die Wahlchancen des Kandidaten der Bunten Liste, Max Strauß, waren bereits vor dem Bürgerentscheid hoch. Strauß engagiert sich seit mehr als einem Jahrzehnt für den Kopfbahnhof. Er erhielt bei der letzten OB-Wahl, auch wegen dieser Position, 48 Prozent der Stimmen. Seine Wahlchancen stiegen mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids deutlich an, da er mit diesem Erfolg identifiziert wird. Im Gegenzug hat der Kandidat der Platzhirsch-Partei CSU, Rothfuss, bereits durch den Erfolg der Kombi-Lösung, gegen die er mit voller Macht in die Bütt ging, verloren.

Zweitens stellt der vorliegende Pro-Kombibahnhofs-Bürgerentscheid eine sehr gute Ausgangsbasis dafür dar, dass auch der neue Bürgerentscheid im März gewonnen wird. Bereits in den letzten Tagen gab es viele Stimmen in der Lindauer Öffentlichkeit, die von der CSU forderten, jetzt vor dem Hintergrund des Ergebnisses im ersten Bürgerentscheid keinen neues Bürgerentscheid-Verfahren vom Zaum zu brechen. Auch in der CSU gab es solche Stimmen. die Junge Union hatte sich sogar explizit gegen einen Hbf Reutin und für die Kombilösung ausgesprochen und zwei Wochen vor dem Entscheid sich offen gegen die CSU-Mehrheitsposition gestellt.

Es ist also sinnvoll, wenn sich fortschrittliche, demokratische und linke Menschen und Organisationen und Parteien, zumal solche in Bayern, ein weiteres Mal für den Erhalt des Lindauer Inselbahnhofs und für den OB-Kandidaten, der diese Position uneingeschränkt einnimmt, engagieren.