Desertec – Internationaler Stromverbund

Bei Desertec und ähnlichen Konzepten geht es darum, den Sonnengürtel dieser Erde und die weltweit besten Windstandorte für eine nachhaltige und preiswerte Stromversorgung zu nutzen. Da diese Standorte in der Regel weitab von den Hauptverbrauchern liegen, sind lange Überleitungen notwendig („Super Grid“). Sie sollen im Gegensatz zur heutigen auf Drehstrom basierenden Übertragungstechnik mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) realisiert werden. Diese würden im Falle Europas auch dafür genutzt, um Überschussstrom in nordischen Wasserkraftwerken zwischen zu speichern. Beim Anteil am Ökostrom in Europa aus dem Süden geht es beim DLR-Szenario um rund 15 Prozent im Jahr 2050. Der heimische Anteil würde dann noch bei 85 Prozent liegen.

Gegen solche Konzepte wird die Kritik vorgebracht, sie seien Gigantismus und Zentralismus, sie würden neue Abhängigkeiten schaffen und seien eine neokoloniale Attitüde. Dem könnte entgegen gehalten werden, dass auch bei klassischen Erneuerbaren nicht alle Blütenträume aufgehen. Dies war gerade im Agrokraftstoffsektor und beim Palmöl zu beobachten. Stichworte Abholzung und Vertreibung in Tropenwaldländern, Monokulturen oder steigende Nahrungsmittelpreise wegen dem Konflikt „Tank oder Teller“. Auch bei der Geothermie deuten sich Probleme an. Zudem nimmt der Widerstand gegen neue Windkraftprojekte im Binnenland ständig zu. Für die Masse der Offshore-Projekte im Meer gibt es ernsthafte Bedenken aus Sicht der Meeresbiodiversität.

Die aktuelle SRU-Stellungnahme zur Stromversorgung 2050 kommt allerdings zum Ergebnis, dass die vollständige Versorgung Deutschlands mit regenerativen Energien bis 2050 auch ohne einen Stromverbund mit Nordafrika möglich wäre. Der sinnvollste Weg sei ein Stromverbund mit Norwegen und Dänemark. Allerdings erschließt sich aus der Studie nicht, was die ausgewiesene Menge an installierter Windkraftleistung im On- und Offshore-Bereich für die ebenfalls notwendigen Meeresschutzgebiete oder für den Landschaftsverbrauch in vergleichsweise dicht besiedelten Räumen des Binnenlandes tatsächlich bedeutet. Zudem müsste geprüft werden, inwieweit die Szenarien „auf Kante genäht“ wurden. Würden die SRU-Pfade nachhaltig verfolgbar sein, so könnte auf einen Stromverbund mit Nordafrika verzichtet werden. Im anderen Fall (oder auch grundsätzlich?) sollte Konzepten wie Dersetec zumindest kein Widerstand entgegen gebracht werden, sofern das Konsortium die Kosten dafür selber trägt und der überwiegende Teil des Stroms in Afrika verbleibt.

Auf jeden Fall bestünde die Möglichkeit, Gebiete Afrikas mit hoher Bevölkerungsdichte durch Dersertec-Strom zu beliefern - selbst wenn das System keinen Strom nach Europa liefern würde. Über Technologietransfer und angemessenen Subventionen für die dortigen VerbraucherInnen könnte die Technologie eine wichtige Säule zur nachhaltigen Energieversorgung des Südens werden, wenn dieser es wünscht. Die Mittel dafür müssten zu einem erheblichen Teil die Industriestaaten aufbringen, um ihre Klimaschuld abzutragen.

Zu überprüfen wäre zudem, inwieweit sich die öffentliche Hand beim Bau von HGÜ-Leitungen innerhalb Europas engagiert. Denn diese müssen ohnehin für den langfristigen Ausgleich innerhalb eines vollständig aus regenerativen Energien basierenden Energiesystems innerhalb des Kontinents als neues, übergelagertes Netz errichtet werden.

Letztlich geht es darum, angesichts der Herausforderungen des Klimawandels keine nachhaltigen Optionen von vornherein auszuschließen. Dieser Auffassung sind übrigens auch Greenpeace und BUND. Lieber zusätzlichen grünen Strom aus geographisch besonders geeigneten Gegenden, als solchen gefährlichen Unsinn, wie CCS oder gar längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.