Ritter von unglücklicher Gestalt

Zeugenvernehmung Untersuchungsausschuss Gorleben 24. Februar 2011

Er ist gekommen, um seine Ehre zu retten. Hatte doch die Zeugin Marianne Fritzen vor dem UntersuchungsausschussKurt-Dieter Grill Ende Januar geäußert, er, Kurt-Dieter Grill, sei der einzige Mensch, den sie kenne, dem sie nie wieder die Hand geben würde. Das klingt nach Feindschaft und Verachtung. Obwohl ein Untersuchungsausschuss wohl kaum zur Ehrenrettung da ist, setzte die CDU/CSU für ihren Parteifreund Grill durch, ihm die Gelegenheit zu geben, zeitnah auf Vorwürfe vom 27. Januar zu reagieren.

Da sitzt er also, der emsige CDU-Politiker Grill. Der sich in ein schlechtes Licht gerückt sieht. Er hat sich Jahrzehnte lang in seinem Landkreis Lüchow-Dannenberg für die „Kernenergie“ eingesetzt, als Kreistags-, Landtags- und später Bundestagsabgeordneter. Von der ersten Stunde an wollte er das Nukleare Entsorgungszentrum (NEZ) nach Gorleben holen, manche sehen ihn deshalb als eigentlichen „Mister Gorleben“.

Er hat vor Ort die Zustimmung der Lokalpolitik organisiert: Atomlobbyist aus der Provinz, Drahtzieher in Hannover und Bonn. Er selbst sieht sich als Umweltpolitiker, keinesfalls als „Erfinder“ von Gorleben. Der Bund unter Helmut Schmidt habe vielmehr die Entscheidung von 1977 erzwungen. Aber aus Sicht der Bürgerinitiative hat Grill der Region maßgeblich das alles eingebrockt. Noch heute hält er die Kernenergie für eine vertretbare Energie und sagt das „in aller Aufrichtigkeit“. Man glaubt es ihm sofort.

Ein wichtiger Tag

Sein Bundesverdienstkreuz hat der 68-Jährige sich ans Revers geheftet für diesen Tag, der ein wichtiger sein sollte für ihn. Frau und Sohn sitzen auf der Besuchertribüne, daneben einige Vertreter der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die CDU-Bürgermeister aus Gorleben und Gartow, Presseleute sowie Vertreter aus der Energiebranche. Es wurde ein schwerer Tag. Und das, obwohl die Opposition noch nicht einmal begonnen hat, ihn zur Licht-Affäre zu befragen. Obwohl die Vorsitzende ihm eine dreiviertel Stunde lang die Gelegenheit gibt, in aller Ausführlichkeit sein Lieblingsprojekt, die Gorleben-Kommission, in den Himmel zu loben. Und obwohl die Koalition sich alle Mühe gibt, ihn sogar noch mit dem Gorleben-Hearing zu schmücken, bei dem Grill eigentlich nur normaler Teilnehmer war. Alles nichts. Wer so ambitioniert anreist und mit Überheblichkeit die eigene Nervosität überspielen will, reitet sich am Ende selbst hinein.

Der Geheimbund

Zunächst schwärmt Grill von seiner Gorleben-Kommission. Er war der Einlader, er hat die referierenden Gäste bestimmt, hatte den Vorsitz und schrieb anfangs sogar noch die Berichte über die Treffen für die Lokalzeitung. Solch ein Gremium bei einem Großprojekt sei damals in Europa einzigartig gewesen. 1979 gegründet, sollte es kommunale Mandatsträger über das Projekt NEZ in Gorleben informieren. Man tagte unregelmäßig mehrmals im Jahr und lud sich Experten ein, die den Stand der Erkundung vortrugen. Er habe also für den Bürger-Dialog gesorgt. Noch heute regt Grill sich auf, dass der neue SPD/Grüne/FDP-Kreistag 1991 die Gorleben-Kommission abgeschafft habe. Schließlich sei sie „eine Institution“ gewesen. - Ein „Geheimbund“ hatte Marianne Fritzen, langjährige Vorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg, das Treffen genannt. Warum man denn dem NDR den Zutritt verwehrt habe, fragt Dorothée Menzner, Obfrau der LINKEN im Untersuchungsausschuss. Man habe „kein Interesse“ daran gehabt, so Grill, viele Medienvertreter aus regionalen und überregionalen Medien teilnehmen zu lassen. Es sei schließlich die Aufgabe des Bundes gewesen, diese zu formieren. Und überhaupt habe ja ein Redakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung teilgenommen und von jedem Treffen einen Bericht verfasst. Dadurch sei ja die Öffentlichkeit informiert worden. Der NDR hatte erst ab 1990 nach juristischen Schritten Zutritt.

Ohne Selbstzweifel

Die sogenannte Licht-Affäre, die bereits durch Marianne Fritzen vier Wochen zuvor thematisiert wurde, kommt durch CDU-Obmann Grindel zu Sprache. Der will es Grill leicht machen, zu erklären, warum er in den 1980er Jahren insgesamt etwas mehr als 100.000 D-Mark durch den Bauunternehmer Licht in Empfang nahm. Die Firma Licht bezahlte Grill das Wahlkreisbüro, eine Sekretärin und ein Autotelefon. Licht hatte zudem mehrere Bauprojekte in Gorleben. Grill sei aber an der Auftragsvergabe an die Firma nicht beteiligt gewesen, so habe es auch die Staatsanwaltschaft damals festgestellt. In Wirklichkeit hatte sie festgestellt, dass man ihm eine solche Beteiligung nicht nachweisen könne. Noch heute hegt Grill offenbar keine Selbstzweifel. Er kann das öffentlich geheuchelte Fehlereingestehen eines Guttenberg, der glaubt, sich damit reinzuwaschen, nicht. Damals hatte ein ehemaliger Angestellter der Firma Licht gegen Grill ausgesagt, seine Aussage aber später zurückgezogen. Grill wurde freigesprochen.

Bumerang

Grills eigener Angriff auf die Opposition wird ihm dann zum Verhängnis. Er zitiert ein Protokoll des Umweltausschusses des Bundestags vom vergangenen Jahr, das vor ihm liegt und aus dem er das Zugeständnis eines Oppositions-Politikers liest, dass die Auswahl eines Endlagers nicht nur nach wissenschaftlichen, sondern auch nach sozialen Kriterien  erfolgen müsse. Der politische Seitenhieb  kommt als Bumerang zu ihm zurück. Woher er das Protokoll habe, wird er gefragt. Der Umweltausschuss tagt nicht-öffentlich, die Protokolle sind zwar einsehbar, aber nicht kopierbar. Ist er durch seine Parteifreunde vorbereitet worden? Grill kann sich nicht erinnern wie er an das Dokument gekommen ist. Später, nocheinmal eindringlich danach gefragt, erklärt er flapsig, dass er das Protokoll „in der berühmten Berliner U-Bahn gefunden“ habe. Ein Eklat. Eine Respektlosigkeit gegenüber dem Untersuchungsausschuss. Diese Unverschämtheit wirft kein gutes Licht auf den Zeugen. Nur auf Dringen der Opposition belehrt die Vorsitzende ihn noch einmal, ohne allerdings die unangenehme Frage erneut zu stellen. Sie schont ihn.

Nach acht Stunden Befragung ist klar, viele Fragen sind noch offen, der Zeuge muss erneut geladen werden. Die Gorleben-Millionen konnten nur angeschnitten werden. Die Licht-Affäre auch. Seine Rolle bei der Standortbenennung 1977 ist noch nicht vollständig geklärt. Völlig unklar ist, weshalb er seine Mitgliedschaft im Atomforum so vehement abstreitet, obwohl es dafür eindeutige Hinweise gibt. Und die Ehrenrettung? Grill hatte sich wohl seinen Auftritt selbst anders ausgemalt. Hochmut kommt vor dem Fall, sagt der Volksmund.