Ernährungswende: Was passiert nach der Bundestagswahl?

Dr. Kirsten Tackmann, Foto: BÖLWBÖLW befragt Parteienvertreter zu wichtigen Ernährungsthemen –
Großes Interesse an BÖLW-Themenabend zur Bundestagswahl 2013

Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl befragte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gemeinsam mit den Verbandschefs von BUND und Welthungerhilfe die Vertreter_innen von SPD, FDP, DIE LINKE und Bündnis`90/Die Grünen zu ihren Positionen zur Ernährungswende.[1] „An entscheidenden Punkten in der Debatte zu den Kernbereichen der Ernährungswende „Recht auf Nahrung“, „Kreislaufwirtschaft“ und „Ökolandbau“ wurde deutlich, dass ein Umsteuern hin zu einer nachhaltigen Ernährung nicht mit allen Parteien gleich gut gelingen wird“, fasst der Vorsitzende des BÖLW, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, zusammen. 

Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, betonte, dass das Recht auf Nahrung am besten von den Millionen Kleinbauern umgesetzt werden könne, die einen Zugang zu Land und Wissen benötigen. FDP-Vertreter Hans-Michael Goldmann sieht die Chancen in „Precision Farming“ und Agro-Gentechnik. Bärbel Höhn (Bündnis`90/Die Grünen) forderte, die hiesige Landwirtschaft müsse sich ändern, weil sie auf einem erheblichen Flächenverbrauch in Übersee und einem hohen Verbrauch an Importeiweißfuttermitteln basiere. SPD-Vertreterin Brigitte Zypries führte an, dass ihre Partei dafür sorgen würde, die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzuschränken. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) unterstrich, dass der Landwirtschaft in Deutschland wieder ihre ursprüngliche Versorgungsfunktion erfüllen müsse, anstatt weiter auf den Export billiger Veredlungsprodukte zu setzen.

Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Prof. Dr. Hubert Weiger, betonte zum Themenbereich "Kreislaufwirtschaft", Landwirtschaft dürfe nicht nur als Produzent von Rohstoffen betrachtet werden. Der dramatische Artenrückgang und Pestizidrückstände in Gewässern zeigten, wie wichtig eine Wende hin zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft sei. Eine Steuerungswirkung zum Schutz von Ressourcen wie Boden oder Gewässer könne laut Brigitte Zypries über die zielgerichtete Verteilung von Zuschüssen geregelt werden. FDP-Vertreter Hans-Michael Goldmann betonte, dass Landwirte zukünftig ihr Geld am Markt verdienen sollten. Die Direktzahlungen müssten abgebaut und nur noch besondere Leistungen durch öffentliche Mittel abgegolten werden. Linke-Kandidatin Dr. Kirsten Tackmann und Grünen-Vertreterin Bärbel Höhn sprachen sich für die Umsetzung des Verursacherprinzips in der Landwirtschaft aus. Auch BUND-Chef Hubert Weiger stellte heraus, dass die Preise für Lebensmittel alle externen Kosten für die Nutzung öffentlicher Güter wie Wasser, Boden oder Artenvielfalt beinhalten müssten.

Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein stellte die Frage, wie die Parteien in der kommenden Legislatur für mehr Öko auf dem Acker sorgen wollten. Brigitte Zypries formulierte für die SPD das Ziel, bis 2020 in Deutschland 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen. Bärbel Höhn setzte sich bei der nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform dafür ein, 15 % der Mittel aus der 1. Säule (Direktzahlungen) in die 2. Säule (Ländliche Entwicklung) umzuschichten. Kirsten Tackmann betonte, dass die Linkspartei bei der nationalen Umsetzung der Agrarreform nicht für die Umschichtung der Mittel eintrete, sondern die Vergabe von Geldern aus der 1. Säule strenger an bestimmte Kriterien geknüpft werden sollen. Dabei müssten sowohl ökologische als auch soziale Leistungen berücksichtigt werden. Hans-Michael Goldmann sieht die Direktzahlungen der 1. Säule zunächst als unverzichtbar für die Landwirt_innen an und warnt deshalb vor einer Umschichtung. Wichtig sei es zudem, Überregulierung und bürokratische Antragsverfahren abzubauen.

BÖLW-Vorstand Dr. Alexander Beck mahnte mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl zum beherzten Handeln aller Parteivertreter und Bürger: „Je länger wir mit der Umsetzung der entscheidenden Maßnahmen zur Ernährungswende warten, desto teurer und schwieriger wird der Weg hin zu einer nachhaltigen Ernährung aller Menschen mit gesunden Lebensmitteln. Wir müssen gemeinsam handeln für ein Umsteuern: an der Wahlurne, in den Gremien der neuen Bundesregierung, in den land- und lebensmittelwirtschaftlichen Betrieben und an der Ladentheke.“


[1] Die Bundestagsfraktion CDU/CSU war für den Themenabend „Ernährungswende“ gleichberechtigt zu allen anderen Parteien angefragt.