TTIP und der Schwarzwälder Schinken

An vielen Laternen liest man derzeit den Aufkleber mit dem Slogan „TTIP ist böse“. Die stark vereinfachte Botschaft kann man umso mehr verstehen je mehr man sich mit dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA beschäftigt, das damit gemeint ist. Gerade im Umwelt-, Agrar- und Verbraucherbereich werden erhebliche Nachteile durch die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ bzw. „Transantlantic Trade and Investment Partnerschip“ (TTIP) befürchtet. Stichworte wie „Chlor-Hähnchen“, „Hormon-Fleisch“ oder „Gentech-Pflanzen“ füllen seit Monaten die Zeitungen.

Klar ist: Im neuen Jahr geht es beim TTIP um die Wurst. 2015 soll das Jahr der Entscheidung werden. Nach jahrelangen Vorverhandlungen soll nun ein konkreter Vertrag entstehen mit vielen Versprechungen: Mehr Jobs, mehr Wachstum und mehr Wohlstand. Auch Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel rühren kräftig die Werbetrommel und verteidigen das Abkommen gegen jede noch so sachliche Kritik.

Doch Millionen Menschen haben sich bereits gegen TTIP ausgesprochen. Tausende gehen dagegen auf die Straße. Auch am 17. Januar 2015 wird wieder ein großer, bunter Protestzug durch Berlins Regierungsviertel ziehen und sagen: „Wir haben es satt!“ Doch leider wird weiter über TTIP verhandelt. Es scheint sich kaum aufhalten zu lassen und durch die Geheimverhandlungen ist nach wie vor wenig Konkretes bekannt.

Das änderte sich Anfang Januar. Agrarminister Christian Schmidt erklärte im Magazin „Der Spiegel“, dass durch TTIP einige regionale Spezialitäten gefährdet seien. Der Schutz regionaler Produkte aus Europa könne nicht in jeden Fall gewährleistet werden. Jetzt wird befürchtet, Spreewaldgurken könnten künftig aus Kentucky oder Schwarzwälder Schinken aus Texas kommen. Dem Minister wehte daraufhin ein heftiger Wind ins Gesicht, denn immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher achten beim Einkauf aus vielerlei Gründen auf Regionalität.

Doch bereits heute halten EU-Produkte mit „geschützter Herkunft“ nicht immer das, was versprochen wird. Genau darauf hatte Minister Schmidt im Spiegel hingewiesen, doch es wurde größtenteils überhört. In der EU gibt es drei verschiedene Regionalsiegel für Lebensmittel. Das sind die „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“, die „geschützte geografische Angabe (g.g.A)“ und das Siegel „garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.)“. 79 Produkte aus der Bundesrepublik tragen bereits eines der drei Siegel. Produkte mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ sagen aus, dass das entsprechende Produkt in einem bestimmten Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde. Beispielsweise beim Allgäuer Emmentaler, für welchen auch nur Allgäuer Milch verarbeitet werden darf. Auch der Altenburger Ziegenkäse gehört dazu.

Doch die allerwenigsten Regionalproduke tragen dieses Siegel. Bei den meisten ist nicht annähernd 100 Prozent Region drin. Entweder kommen Bestandteile des Produktes von außerhalb der Region oder ein Teil der Erzeugung fand woanders statt. Die geschützte geographische Angabe (g. g. A.) macht das möglich. Sie verpflichtet den Hersteller lediglich dazu, eine Verbindung zwischen mindestens einer der Produktionsstufen, also der Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung, und dem Herkunftsgebiet sicherzustellen. Das kann dazu führen, dass beim Schwarzwälder Schinken nur das Würzen, Pökeln und Räuchern im Schwarzwald stattfindet, die Schweinehaltung und Schlachtung der Tiere jedoch dagegen in anderen Ländern erfolgt. Anders gesagt: das Schinkenfleisch wird weltweit zusammengekauft und im Schwarzwald geräuchert. Eine solche Herkunftskennzeichnung ist legale Verbrauchertäuschung und taugt schon jetzt nichts – und mit dem TTIP wird das sicherlich nicht besser.

Aus Sicht der Linksfraktion ist die Diskussion über die Gefährdung regional erzeugter Lebensmittel durch TTIP lange überfällig. So kommt die alltägliche Verbrauchertäuschung auf den Tisch. Es darf aber nicht dabei bleiben. So wichtig es weiterhin sein wird, gegen TTIP vorzugehen, so wichtig ist es auch nach wie vor, sich weiter für eine klare und verständliche Lebensmittelkennzeichnung einzusetzen. Beispielsweise sollte immer nachvollziehbar sein, auf welche Zutat oder Verarbeitungsstufe sich die Regionalkennzeichnung bezieht. Auch deshalb gehen wir am 17. Januar 2015 auf die Straße und sagen: „Wir haben es satt!“

Quelle: linksfraktion.de