Ein Jahr Flugroutenproteste - Kampf gegen Fluglärm geht weiter

Im Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig und den seit über einem Jahr anhaltenden Protesten gegen die Flugrouten hat DIE LINKE im Landtag Brandenburg Bilanz gezogen. Dazu erklärt die verkehrspolitische Sprecherin, Kornelia Wehlan in einer Pressemitteilung vom 23.10. 2011:

Zehntausende Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg und den südlichen Bezirken Berlins haben sich zum Protest gegen die absehbare Belastung durch Fluglärm mit Inbetriebnahme des Flughafens in Schönefeld erhoben. Konkrete Anlässe waren einerseits die Festlegung der Flugrouten durch die bundeseigene Deutsche Flugsicherung (DFS), andererseits die Nachtflug-Regelungen, die noch zu Amtszeiten der rotschwarzen Landesregierung getroffen worden waren.

DIE LINKE hat die politische Standortentscheidung für das im dicht besiedelten Speckgürtel Berlins liegende Schönefeld von Anbeginn, also seit den 90-er Jahren für falsch gehalten. Damals wurden wir als "Nein-Sager" abgestempelt. Aber diese Standortentscheidung ist heute der Grund allen Übels. Trotz unserer Standortablehnung steht DIE LINKE in Brandenburg seit November 2009 mit Rot-Rot auf Landesebene in politischer Verantwortung zum Flughafen Berlin Brandenburg International (BER). Was vor unserer Regierungsbeteiligung beschlossen, verhandelt und entschieden worden ist, können wir nicht „wegbeschließen“. Das heißt ganz konkret: Beschlüsse und Gerichtsentscheidungen zum Flughafen sind in Kraft. Insoweit stand und steht für uns die Aufgabe, die Folgen dieser Standortentscheidung für die betroffenen Menschen so gering wie möglich zu halten.

 

Rechtlich gilt, was im Planfeststellungsergänzungsbeschluss zu den Flugbetriebszeiten steht. Dieser wurde mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig am 13. Oktober 2011 rechtskräftig. Wir wissen, dass die Erwartungen an DIE LINKELandtagsfraktion, daran etwas zu ändern, sehr groß sind. Eins aber ist auch klar: Das Land Brandenburg hat als einer von drei Eigentümern nicht die Mehrheit, um veränderte  Flugbetriebszeiten zu erwirken. Und wie Rot-Schwarz nach den Wahlen in Berlin jetzt tickt, ist mit dem Ja zur 3. Start- und Landebahn in Schönefeld klar: Wirtschaft hat Vorrang - ohne Wenn und Aber. Das lehnt DIE LINKE entschieden ab.

Ebenso wenig kann Brandenburg eine landesgesetzliche Regelung für den Lärmschutz in der Nacht am BER treffen. Das würde in  Gesetzgebungskompetenzen des Bundes eingreifen und wäre verfassungsrechtlich nicht möglich. Die Vorschläge zu den Flugrouten der bundeseigenen Deutschen Flugsicherung (DFS) haben zu einem großen Vertrauensverlust bei vielen Bürgerinnen und Bürgern geführt. Sie gingen bislang davon aus, vom Fluglärm nicht oder nur gering betroffen zu sein. Fehlende und widersprüchliche Informationen haben diese Verunsicherung bis heute noch vergrößert. Mit den neuen Anflugplänen in niedriger Höhe hat im Sommer 2011 die DFS der Glaubwürdigkeit einen weiteren Tiefschlag versetzt.

DIE LINKE in Brandenburg sieht vier grundsätzliche Regelungsbedarfe:

  1. Die Festlegung der Flugrouten und der luftrechtliche Planfeststellungsbeschluss sind zwei voneinander getrennte Verfahren. Das Planfeststellungsverfahren in der Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde beim Land, die (vereinfacht gesagt), über alles, was am Boden passiert, entscheidet und das Verfahren zur endgültigen Festlegung der An- und Abflugrouten, also das, was in der Luft passiert. Über Letzteres befindet das Bundesaufsichtsamt per Rechtsverordnung nach Vorarbeiten der DFS. Und hierin liegt die Crux der Sache, denn beide Verfahren gehören von den Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten zusammen - sind aber getrennt. Längst überfällig ist die bundesgesetzliche Regelung, dass die Bürger und Gemeinden, die die Belastung eines Flughafens ertragen müssen, auch umfassend und von Anfang an in die Erörterung dieser Art Großprojekte einbezogen sind. Mitwirkung und Mitgestaltung sind Grundrechte, die ins Gesetz gehören.
  2. Ausgehend vom Grundgesetz, das Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit stellt, ist eine bundesgesetzliche Regelung zum konsequenten  Nachtflugverbot für Flughäfen in dicht besiedelten Gebieten im Luftverkehrsgesetz festzuschreiben. Damit wäre ein für allemal klar, dass Großflughäfen in dicht besiedelten Gebieten nur mit konsequentem Nachtflugverbot möglich sind. Dem Schutzgut Gesundheit wäre gegenüber den wirtschaftlichen Interessen gesetzlich der Vorrang eingeräumt.
  3. Die Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und FDP im Bund, die auf „international wettbewerbsfähige Betriebszeiten“ von Flughäfen setzt, darf nicht umgesetzt werden. Es sind alle Gesetzesinitiativen zu unterstützen, die sich gegen eine weitere Aufweichung der Nachtflugregelung richten.
  4. In Verantwortung der Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg bleibt noch viel zu tun, um Lärmbelastungen weiter zu reduzieren. Für die vom Betrieb des Flughafens ausgehenden Belastungen muss für die Anwohner ein gerechter Ausgleich gefunden werden. Für DIE LINKE in Brandenburg gilt es, alle Lärm mindernden Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Das betrifft Lärm mindernde An- und Abflugrouten und ein auf Lärmvermeidung ausgerichtetes, betriebliches Bahn- und Flughafenmanagement. Der Einbau zusätzlicher Schallschutzmaßnahmen an Wohnhäusern, Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen ist unbürokratisch zu sichern, wie auch das Gesundheitsmonitoring. Die Interessen der direkten Anwohner sind ernst zu nehmen und haben Priorität! Der Bau einer dritten Start- und Landebahn in Schönefeld ist mit der LINKEN nicht machbar.