Unter den Teppich gekehrt

Gesundheit versus Wirtschaftlichkeit - Die Bundesregierung will Nachtflüge auf deutschen Flüghäfen erleichtern

Die FDP verkündete schon während der Koalitionsverhandlungen: “Zur Sicherung des Luftverkehrsstandortes Deutschland wollen wir u.a. international wettbewerbsfähige Betriebszeiten ermöglichen.“ Nun wird dieses wirtschaftspolitische Ziel in die Tat umgesetzt. Noch vor der Sommerpause soll das Luftverkehrsgesetz „präzisiert“ werden, außerdem will die Koalition sich „für einen koordinierten Ausbau der Flughafeninfrastruktur“ einsetzen und die Kapazitätsentwicklung der Flughäfen sicherstellen.

 

Im Klartext bedeutet das, dass der Begriff der Nachtruhe aus dem Gesetzestext gestrichen werden soll. Dabei geht es um die für den Frachtverkehr besonders lukrativen „Nachtrandzeiten“. Von 22-24Uhr und von 05-06Uhr, wenn Anwohner ruhig einschlafen und aufwachen können sollten.

 

Als Begründung für diesen Anschlag auf die Nachtruhe der Bürger dient das Argument, dass der Exportweltmeister Deutschland seine internationalen Drehkreuze nicht von den globalen Passagier- und Warenströmen isolieren dürfe und auch in Zukunft bedarfsgerechte Betriebszeiten braucht. (Deutsche Lufthansa Politikerbrief November 2009) Die Frage ist nur, um welchen Bedarf es sich eigentlich handelt. Die Schwarz-Gelbe Zukunftsversion deckt sich auffällig mit den Forderungen des ADV, dem Verband deutscher Flughafenbetreiber. Auch Fraport-Chef Schulte fordert deckungsgleich von der Bundesregierung eine gesetzliche Regelung für Nachtflüge. Der Gesetzgeber müsse konkret festlegen, "welche Bedeutung das Ruhebedürfnis der Bevölkerung im Vergleich zu international wettbewerbsfähigen Betriebszeiten" habe. Im Koalitionsvertrag wird jedenfalls eindeutig Wirtschaftsinteresse über Gesundheitsschutz gestellt.

 

Bisher war die Nachtruhe der Anwohner durch Gerichtsentscheide geschützt. Folgt man wissenschaftlichen Studien, so war dieser Schutz noch nicht einmal ausreichend. Die neusten Lärmforschungen, aus denen Professor Greiser lediglich die offensichtlichsten Schlüsse zieht, sagen aus, dass vor allem nächtlicher Lärm tatsächlich krank macht.

 

Zum Glück heißt das jedoch nicht, dass alle Anwohner von Flughäfen ab Mitte Juli umziehen müssen. Sie sind durch bereits ausgehandelte Lärmkompromisse solange geschützt, bis diese vor den Gerichten – auf Grundlage des neuen Luftverkehrsgesetzes- neu entschieden werden.

 

Schon am 25.06.2002 wurde eine EU-Umgebungslärmrichtlinie verabschiedet. Sie wird in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich schnell umgesetzt. In Schwarz regierten, wie etwa im Hessen des Roland Koch dauert das etwas länger als anderswo. Die Umsetzung der Lärmumgebungsrichtlinie beinhaltet unter anderem die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten, Berichte und eine umfassende Überprüfung aller bisherigen Maßnahmen.

Eine Kombination von Gesundheitsmonitoring und zügiger Umsetzung der EU-Richtlinie könnte die Anwohner ausreichend schützen, dazu wäre allerdings der politische Wille notwendig.

 

Das im Jahr 2007 verabschiedete deutsche Fluglärmgesetz reicht für einen umfassenden Schutz nicht aus. Es definiert einen gesetzlich festgelegten Handlungsspielraum. So wurden bisher 470 Millionen Euro in passive Schallschutzmaßnahmen investiert. Zur Erfüllung der Vorgaben des neuen Fluglärmschutzgesetzes werden die Flughäfen in den nächsten Jahren weitere 400 bis 600 Millionen Euro für Lärmschutzmaßnahmen aufwenden. Das reicht jedoch für eine genügende Kompensation nicht aus.

 

Der Wiederstand der Bürger gegen Fluglärm findet vor allem auf drei Ebenen statt:

  1. vor Gericht
  2. innerhalb der betroffenen Kommunen und
  3. durch zivilen Ungehorsam.

 

Wie Gerichte und kommunalen Entscheidungsträger sowie die Flughafenbetreiber mit dem Widerstand der Anwohner unter neuen gesetzlichen Vorgaben umgehen werden, wird sich zeigen. Der Bundestag entscheidet noch vor der Sommerpause über das neue Gesetz.. Die Linke wird gegen die geplanten „Konkretisierungen“ stimmen.

 

Tanja Girod