Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel

Am 21. Dezember verkündete der EuGH das Urteil zur Rechtmäßigkeit der Einbeziehung internationaler Fluggesellschaften in den Emissionshandel (siehe dazu die Pressemitteilung von Eva Bulling-Schröter und Herbert Behrens). Fast zeitgleich erreichte uns eine umfangreiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN „Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel“ (Drs.-Nr. 17/8264).

Nach der EU-Richtlinie 2008/101/EG zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem hat ab Januar 2012 für diesen Bereich die erste Handelsperiode begonnen. Sowohl gewerbliche als auch nicht- gewerbliche Luftfahrzeugbetreiber müssen seitdem für jede aus ihrer Luftverkehrstätigkeit resultierende Tonne Kohlendioxid (CO2) eine Emissionsberechtigung (EB) abgeben. Vom Emissionshandel betroffen sind grundsätzlich alle Luftfahrzeugbetreiber, die Flüge durchführen, welche im Hoheitsgebiet des europäischen Wirtschaftsraumes (Territorium der EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Norwegen und Liechtenstein) starten oder landen. Der Anwendungsbereich umfasst alle Flüge mit Luftfahrzeugen über 5,7 Tonnen Höchstabfluggewicht. Allerdings gibt es eine lange Liste mit vom Emissionshandel grundsätzlich ausgenommenen Flügen (Militär und Polizei; Rettungs-, Lösch-, Übungs-, Sicht-, Zulassungs- und Rundflüge etc.).

Zum Stand der Umsetzung schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort, dass erst 43 Prozent der 145 deutschen Luftfahrzeugbetreiber, die der Bundesrepublik als so genannten Verwaltungsmitgliedsstaat zugeordnet wurden, einen Zuteilungsantrag auf kostenlose Emissionszertifikate gestellt hätten. Diese verursachten jedoch 99,7% der Emissionen aller Deutschland zugeordneten Betreiber (Frage 2). Von den 264 Deutschland zugeordneten internationalen Luftfahrzeugbetreibern hätten erst 27,3% einen Zuteilungsantrag auf kostenlose Emissionszertifikate gestellt. Unter Berücksichtigung von Korrekturen entfielen auf diese jedoch 99% der dieser Gruppe zuzuordnenden Emissionsmenge (Frage 3).

Die Art und Weise, wie die Versteigerung der Luftverkehrszertifikate organisiert werden soll, ist zwischen den europäischen Mitgliedstaaten noch nicht abschließend geregelt. Die Höhe des deutschen Versteigerungsanteils an der Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Zertifikate - und damit der auf Deutschland entfallende Anteil an den Versteigerungserlösen - wird noch festgelegt. Sie berechnet sich aus dem Anteil des Mitgliedstaats an der Gesamtmenge der einbezogenen Luftverkehrsemissionen des Jahres 2010. Die Bundesregierung rechnet mit Einnahmen in Höhe von 100 Mio. Euro aus den Versteigerungen im Luftverkehr, die direkt in den Energie- und Klimafonds (EKFG) fließen. Dabei wird ein CO2-Zertifikatepreis von 17 Euro pro Tonne unterstellt. Seit Monaten bewegen sich die Preise aber deutlich unter 10 Euro (Frage 6).

Zu möglichen Mitnahmegewinnen („windfall profits“) der Flugunternehmen infolge der kostenlosen Vergabe der CO2-Zertifikate und der (teilweisen) Weitergabe der Kosten an die Kunden kann die Bundesregierung derzeit keine Einschätzung abgeben. Sie verweist jedoch auf Studien, die derartige Zusatzprofite zumindest für einen Teil der Branche erwarten (Frage 9). Die Preissteigerungen für einen Transatlantikflug liegen abhängig von der Weitergabe der Opportunitätskosten zwischen voraussichtlich 2 und 12 € (Frage 10).

Auch angesichts dieser geringen Preisaufschläge bezeichnen Umweltverbände die EU-Richtlinie 2008/101/EG, die die Grundlage für die Einführung ist, bereits seit Jahren als einen zahnlosen Tiger. Sie sind enttäuscht, dass mit diesem Instrument nur so wenig ökologische Lenkungswirkung verbunden ist. Die Bundesregierung selbst hat zur Lenkungswirkung keine eigene Einschätzung, hält diese aber mit Berufung auf Folgeabschätzungen der EU-Kommission für „äußerst gering“. Selbst wenn der Zertifikatspreis auf 30 Euro steigen sollten, würde sich die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen bis zum Jahr 2020 statt um 142% um 135% gegenüber 2005 erhöhen (Frage 12). In geringen Umfang komme es zur Verlagerung von Luftfracht auf andere Verkehrsträger, vorwiegend auf die Schiene, und bei Passagieren auf Busse. Unter dem Strich eignet sich also der Emissionshandel in seiner gegenwärtigen Form nicht dazu, das bedrohliche Wachstum des Flugverkehrs zu begrenzen. Nachhaltige Verkehrspolitik sieht anders aus.

Der Anteil militärischer Emissionen im Luftverkehr beträgt laut Bundesregierung nur 1% (rund 220 kt pro Jahr, ohne Auslandseinsätze). Besonders überraschend war die Anmerkung der Bundesregierung, dass militärische Einrichtungen, die zum öffentlichen Sektor gehören, eine Vorbildfunktion haben und daher keine Sonderrechte für sich beanspruchen, sondern nachhaltig Umweltbelastungen vermindern sollten (Frage 15). Dieser hehre Wunsch der Bundesregierung in diesem Fall vertreten durch das BMU ist sicherlich von der militärischen Realität weit entfernt.

Ein interessantestes Ergebnis der Antwort der Bundesregierung ist die Gesamtbetrachtung der klimawirksamen Prozesse des Luftverkehrs. Flugzeuge emittieren neben CO2 u.a. Schwefel und Rußpartikel sowie Wasserdampf, aus dem sich Kondensstreifen und zusätzliche Zirruswolken bilden. Außerdem bewirken die NOX-Emissionen die Bildung von Ozon.

„Strahlungsantrieb der einzelnen Klimaeffekte des Flugverkehrs (mittlere Werte, für das Jahr 2005, für Zirruswolken für 2002, der Wert für 2005 dürfte höher liegen)

Prozess Strahlungsantrieb
[mW/m2]
CO2 28,0
Ozonbildung 26,3
Abnahme von Methan -12,5
Wasserdampf 2,8
Sulfatpartikel -4,8
Rußpartikel 3,5
Kondensstreifen 11,8
Zirruswolken* (contrail cirrus) 37,5
Gesamt [ohne Zirruswolken, DF] 55,0
* Angaben nach Burkhardt und Kärcher für das Jahr 2002.

Die Tabelle zeigt, dass der Strahlungsantrieb der Emissionen und Effekte des Luftverkehrs (ohne den Effekt der zusätzlichen Zirruswolken) im Jahr 2005 etwa zweimal so groß ist wie der Strahlungsantrieb von CO2 allein. Die Ergebnisse zu den Zirruswolken zeigen, dass der Strahlungsantrieb des Luftverkehrs durch die Bildung von Zirruswolken größer ist als der Effekt von CO2 allein.“ (asl der Antwort zu Frage 23).

Mit den Zirruswolken zusammen ergeben sich 92,5 mW/m2 Strahlungsantrieb. Der Luftverkehr hat also die rund 3,3-fache Klimawirkung seiner reinen CO2-Emissionen. Trotzdem bleibt allein der CO2-Ausstoß die Berechnungsgrundlage für die zulässigen Gesamtemissionen und zugeteilten Zertifikatsmengen.

Bezüglich der Agrotreibstoffe erwartet die Bundesregierung bis zum Jahr 2025 nur einen Anteil von 5% der Flug-Treibstoffe in der EU. Treibstoffe aus Algen könnten regulär nicht vor dem Jahr 2015 eingesetzt werden. Die baldige Marktreife von Algenkraftstoffen ist also reine Zukunftsmusik.

Wie zu erwarten, will die Bundesregierung keine Kerosinsteuer einführen. Dabei verwendet die Bundesregierung die selbe Begründung, die die Luftfahrtindustrie auch als Totschlagargument benutzte, um sich gegen die Einführung des Emissionshandels im Luftverkehr zu wehren: Wettbewerbsverzerrungen.

Ernüchternd waren die Schätzungen der Bundesregierung über die zukünftigen Emissionen im Luftverkehr. Zwischen 2004 und dem Jahr 2030 werden sich die Emissionen in Deutschland verdoppeln. Die Bundesregierung schätzt die CO2-Emissionen des Luftverkehrs im Jahr 2030 auf 49,9 Millionen Tonnen.

Die Klagen amerikanischer Luftverkehrsgesellschaften und Verbände gegen die Einbeziehung ihrer Europaflüge in den europäischen Emissionshandel wurden durch den europäischen Gerichtshof abgewiesen. Sie sind völkerrechtskonform. Allgemeine Drohungen von Drittstaaten, die sich auf mögliche Konflikte, also einen Handelskrieg beziehen, sieht die Bundesregierung lassen.

Was ist das Fazit des Ganzen? Wie schon beim Emissionshandel für den Energiesektor und die Industrie, scheint die Bilanz des Emissionshandels für den Flugverkehr absehbar: kaum Klimaschutz, aber millionenschwere Zusatzgewinne für Airlines und Flugindustrie.

 

Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 21.12.2011
Eva Bulling-Schröter und Herbert Behrens

Europäischer Gerichtshof gibt Klimaschutz Rückenwind

"Die Europäische Union muss den Rückendwind durch das EuGH-Urteil für ein beherztes Voranschreiten beim Kampf gegen die globale Erwärmung nutzen. Dies bedeutet auch deutliche striktere Vorgaben für den Flugverkehr im Emissionshandel, für das Klima und gegen die Lobbyinteressen der Flugindustrie.“ kommentiert die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Eva Bulling-Schröter, das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Rechtmäßigkeit der Einbeziehung internationaler Fluggesellschaften in den Emissionshandel. Die Abgeordnete weiter:

„Der Emissionshandel für die Flugunternehmen in seiner jetzigen Form bringt den Klimaschutz keinen Deut weiter. Die Emissionsobergrenze ist viel zu großzügig festgelegt, CO2-Zertifikate aus anderen Bereichen des Emissionshandels sind derzeit für’n Appel und ´n Ei zu haben. Die ökologische Lenkungswirkung des Emissionshandels für den Flugverkehr wird in den kommenden Jahren gegen Null tendieren. Durch die weitgehend kostenlose Vergabe der CO2-Zertifikate wird die Flugindustrie zudem millionenschwere Zusatzgewinne einfahren.“

Herbert Behrens, Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages, ergänzt: „Die ökologische Lenkungswirkung des Emissionshandels für den Flugverkehr wird `äußerst gering sein‘. Das bestätigte uns bereits die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfragen unserer Fraktion. Das Urteil des EuGH zeigt in die richtige Richtung. Jetzt müssen schleunigst Korrekturen am Emissionshandel vorgenommen werden.“

Eva Bulling-Schröter resümiert: „Trotz unserer Kritik am Emissionshandel werten wir das heutige EuGH-Urteil als Erfolg. Denn das Urteil gibt Vorreiter-Allianzen im Klimaschutz Rückenwind. Der Klimagipfel in Durban hat abermals gezeigt, dass wir nicht auf globale Einigungen warten können. Eine Woche nach dem Rückzug Kanadas vom Kyoto-Protokoll hätte eine erfolgreiche Klage der US-Flugunternehmen einen gefährlichen Domino-Effekt für internationale Klimaschutzbemühungen auslösen können.“