„Das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot könnte erfolgreich sein“

Interview mit Norbert Wilke, dem Sprecher der LAG Umwelt Brandenburg

Norbert Wilke, Sprecher der LAG Umwelt in BrandenburgNicht nur der regelmäßig verschobene Eröffnungstermin für den neuen Hauptstadtflughafen erhitzt die Gemüter, sondern auch die Frage, wie viele Flugzeuge nachts starten und landen dürfen. Wann ist Ruhe und wann gibt es ein Nachtflugverbot? Für die Bevölkerung in den Anliegergemeinden ist das sehr wichtig. Es geht um ihre Lebensqualität.

Im Bundesland Brandenburg läuft bis Anfang Dezember ein Volksbegehren. 80.000 Unterschriften müssen gesammelt werden. Unterschrieben hat beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Dr. Dagmar Enkelmann. Die Barnimer Politikerin fordert zur Teilnahme am Volksbegehren auf – ganz im Gegenteil zur Brandenburger Landesspitze.

In der Landtagsfraktion wird betont, dass sich der Forderung nach einem Nachtflugverbot angeschlossen werden könnte. Eine im Volksbegehren ebenfalls enthaltene Forderung, einen weiteren Standort neben Schönefeld für den Flugverkehr zu nutzen, wird jedoch abgelehnt. Außerdem sei die damalige PDS von Anfang an gegen den Standort Schönefeld gewesen, wird betont.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt der märkischen Linken sieht das etwas anders. Diese Woche teilte ihr Sprecher Norbert Wilke mit, dass die LAG das Volksbegehren unterstützt. NL-Redakteur Christian Rehmer sprach mit Wilke über die Hintergründe dieser Entscheidung.


Wieso unterstützt die LAG Umwelt das Volksbegehren?

Das ist aus meiner Sicht völlig konsequent, da wir als LAG Umwelt auch die Volksinitiative für ein Nachtflugverbot, die dem Volksbegehren voraus ging, unterstützt haben und Unterschriften gesammelt wurden. Die Gründe die für eine Beteiligung sprechen, haben sich nicht geändert. Wir haben uns als PDS und LINKE an vielen Volksinitiativen und Volksbegehren beteiligt und diese unterstützt. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil direkter Demokratie und nicht zuletzt DIE LINKE hat ja auch die Einführung der Briefwahl und die Verlängerung der Zeichnungsfristen in den Ämtern in Brandenburg durchgesetzt. Das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot könnte als erstes Volksbegehren im Land erfolgreich sein, dafür wollen wir noch einmal mobilisieren.


Was für Folgen hätte ein Nachtflugverbot?

Die Frage ist ja, welche Folgen hätte der Nachtflug für die Region. Nächtliche Starts und Landungen verursachen bei den betroffenen Menschen nachweislich schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das belegt unter anderem auch eine Studie der Europäischen Kommission an der das Bundesumweltamt mitgewirkt hat. Durch die Beeinträchtigung der Tiefschlafphasen treten häufiger Herz-Kreislauf- und Nervenkrankheiten auf. Kein Mensch könnte langfristig in der betroffenen Region leben, ohne schwere gesundheitliche Schäden zu riskieren. Der Lärmschutz, auch für den Tagflug, war immer ein wichtiger Bestandteil unserer Politik und viele Wählerinnen und Wähler vertrauen uns auch, diesen zu realisieren. DIE LINKE hat den Standort Schönefeld immer abgelehnt und muss ihn nun in Regierungsverantwortung mittragen. Wichtig bleibt aber, dass die gerichtlich verfügten und im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Lärmschutzziele umgesetzt werden. Eine Aufweichung dieser Vorgaben, wie von der Flughafengesellschaft angestrebt, darf es nicht geben, auch wenn der Flughafen dadurch erst 2014 oder 2015 eröffnet wird.


Die Landtagsfraktion meint, die zweite Forderung neben dem Nachtflugverbot, könne nicht unterstützt werden. Es geht dabei um eine dritte Landesbahn fern von Schönefeld. Wie siehst Du das?

Der Text des Volksbegehrens wendet sich gegen eine dritte Start- und Landebahn um sicher zu sein, dass ein weiterer, künftiger Ausbau des BER verhindert wird. Der Bedarf besteht real aber nicht, da der BER niemals ein internationales Drehkreuz werden wird. Dafür wird er zu spät eröffnet, neben Frankfurt/Main und München besteht kein Bedarf mehr. Der BER hat bisher nur Billigflieger an sich gebunden und kann aus heutiger Sicht nicht wirtschaftlich betrieben werden. Der Flughafen dient eigentlich mehr als Shoppingcenter denn 50 Prozent der Einnahmen müssen aus diesem Geschäft erwirtschaftet werden, damit sich der Flughafen trägt. Viele Experten sind davon überzeugt, dass der BER nur durch Subventionen, also Steuergelder, am Leben erhalten werden kann. Glauben wir einmal den optimistischen Vorhersagen der Flughafengesellschaft und eine dritte Landebahn wäre notwendig. Dann gäbe es mit dem Leipzig-Halle-Airport in Leipzig-Schkeuditz einen idealen Kooperationspartner, der Kapazitäten für zusätzlichen Personen- und Frachtverkehr hätte. Mit einer ICE-Verbindung wäre er in einer Stunde von Berlin erreichbar. Zu DDR-Zeiten gab es diese Kooperation bereits, bei Schlechtwetterlagen war Schkeuditz der Alternativlandeplatz für Schönefeld und umgekehrt. In Schkeuditz ist auch Nachtflug möglich.


Wie steht die LAG Umwelt generell zum Flugverkehr?

Wir finden uns im beschlossenen Parteiprogramm ganz gut wieder. In Erfurt haben wir vor einem Jahr eine Verlagerung des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene und eine Begrenzung des innereuropäischen Flugverkehrs in das Parteiprogramm aufgenommen. Weiterhin muss der Flugverkehr auch weltweit begrenzt werden. Das tut er aber teilweise schon selbst, der große Boom der Flugreisen geht seinem Ende entgegen. Bei einer notwendigen Rückkehr zu regionalen Kreisläufen reduziert sich auch der Frachtflug.


Wann bist Du das letzte Mal geflogen und wohin?

Wir wollen natürlich niemanden seinen Urlaub verderben und ihn per Schiff nach Kreta, Thailand oder Australien fahren lassen. Ich selbst bin auch bekennender Flieger und ich plane bereits meine nächste Flugreise. Mein letzter Flug führte mich im März 2011 nach Israel/Palästina und wieder zurück. Es war eine sehr schöne Reise.


Eine letzte Frage: In Schwedt will ein amerikanischer Investor ein Raffinerie für Bio-Kerosin errichten. Ist das ein sinnvoller Beitrag zu mehr Klimaschutz im Luftverkehr?

Meiner Meinung nach nicht. Biosprit ändert nicht das Fahrverhalten und führt somit zu keiner Änderung der Mobilität. Biosprit, bzw. Kerosin eröffnet einen neuen Markt, macht von Ölimporten unabhängiger, führt aber auch zu einem größeren Landverbrauch und fördert Monokulturen mit all den negativen Aspekten. Ein Beitrag zum Klimaschutz wäre eventuell die Nutzung von Wasserstoff als Antriebsmittel, aber das ist wohl noch Zukunftsmusik.