Maritime Wirtschaft ökologisch und sozial aufstellen

 

Die Krise in der Maritimen Wirtschaft macht eine soziale und ökologische Neuausrichtung der Branche unausweichlich. Nur wenn konsequent auf umwelt- und klimaschonende Zukunftstechnologien gesetzt wird und die Beschäftigungsbedingungen deutlich verbessert werden, hat der Schifffahrtsstandort Deutschland eine Zukunft.

Rede von Jörg Cezanne am 6. Mai 2021

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Erhalt und Stärkung der maritimen Wirtschaft ist wichtig und notwendig für Deutschland, für die Beschäftigten in der Industrie und in der Schifffahrt. Dazu bedarf es aber einer strategischen, einer zukunftsorientierten Industriepolitik, die am besten auch europaweit koordiniert werden sollte. Die ist in der Fülle der unterschiedlichen Maßnahmen, Subventionen, Förderprojekte und internationalen Abkommen weder bei der Bundesregierung noch in dem maritimen Antrag der Koalition zu entdecken.

Dringend notwendig sind erstens eine noch stärkere Ausrichtung der Schiffbau- und Schifffahrtsförderung auf Zukunftsthemen wie den Spezialschiffbau, maritime Technik für erneuerbare Energie, CO2-neutrale Antriebe und ein umfassendes Ressourcenschonungs- und Recyclingkonzept für die Schiffe der Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso wichtig sind zweitens bessere Arbeitsbedingungen, bessere Entlohnung für die Beschäftigten und die Nutzung ihres Know-hows für die Zukunft des Schiffbaus in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Seeleute funken seit Jahren SOS, doch niemand wirft ihnen einen Rettungsring zu. Im Arbeitsalltag herrschen enorme Arbeitsverdichtung, Lohndumping – auch durch das Billigflaggen-Regime – und pure Existenzangst. Hier muss eingegriffen werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz auf See. Anpassungen bei den Ausbildungsgängen können hier ein wenig helfen, sind aber keine durchgreifende Lösung. Der angestrebte Erhalt und Ausbau des maritimen Know-hows kann nur gelingen, wenn weitreichende Subventionen, zum Beispiel für die Reedereien, auch mit klaren Anforderungen für mehr Beschäftigung verbunden werden. „Keine Leistung ohne Gegenleistung!“ muss auch hier gelten!

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir genauer hin: Deutsche Reeder zahlen für ihre Beschäftigten auf den Schiffen keine Sozialversicherungsbeiträge – das geht auch zulasten von Beschäftigten in anderen Wirtschaftsbereichen –, und sie stecken die Lohnsteuer, die ihre Beschäftigten abführen müssen, in die eigene Tasche. Die Zahlen der deutschen Seeleute geheh aber trotzdem Jahr für Jahr zurück. Die Gewerkschaft Verdi schlägt deshalb völlig zu Recht vor, in der Schiffsbesetzungsverordnung verbindlich vorzuschreiben, künftig nicht nur wie bisher zwei Seeleute mit deutschem oder europäischem Pass einzusetzen; vielmehr sollen zusätzlich zwei in Ausbildung befindliche Offiziere die Chance erhalten, praktische Erfahrungen zu machen. Diese 2-plus-2-Regelung sollte dringend umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso drängend ist die Situation in Sachen Klimaschutz. So erlauben die Regeln der Internationalen Maritimen Organisation weiterhin, billiges, aber extrem schwefelhaltiges Schweröl als Treibstoff zu verwenden. Immerhin sollen die Abgase mithilfe sogenannter Scrubber gereinigt werden. Der irrwitzige Haken an der Sache: Während die Abgase, die an die Luft abgegeben werden, dadurch weniger Schadstoffe enthalten, dürfen die herausgefilterten Schadstoffe in flüssiger Form ins Meerwasser geleitet werden. Das muss dringend, aber wirklich ganz dringend abgestellt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Rede als Video:   (Mediathek des Bundestages) oder
         https://www.youtube.com/watch?v=Oak8siUU7b0