Wollten wir nicht den Regenwald retten? Das Yasuní-Debakel

Wollten wir nicht den Regenwald retten?
Das Yasuní - Debakel

Noch vor einhundert Jahren bedeckten die tropischen Regenwälder ein Zehntel  der Landfläche der Erde. Unterdessen sind sie etwa um die Hälfte geschrumpft. Pro Jahr werden durchschnittlich zwölf Millionen Hektar abgeholzt, das entspicht einer Flächen von mehr als 20 Fußballfeldern pro Minute. Die Folgen für biologische Vielfalt  und den Klimawandel sind gleichermaßen verheerend. Deshalb sollte weltweiter Waldschutz ganz oben auf der Agenda stehen.
Die Bundesregierung unterstützte bis vor einiger Zeit ein Projekt mit einem ganz neuen Ansatz zum Schutz der Regenwälder im Yasuni-Nationalpark in Ecuador. Jetzt blockiert der deutsche Entwicklungshilfeminister Niebel das Projekt. Aber Ecuador kann und will solch ein großes Klimaschutzprojekt nicht alleine schultern. Dazu ist das Land zu arm.

 Worum geht es?

Die Aufgabe - Schutz der biologischen Vielfalt

Zwei Drittel aller Arten leben in den Tropischen Regenwäldern, den artenreichsten Lebensräumen der Erde. Derzeit sterben jährlich ca. 30.000 Pflanzen- und Tierarten durch Vernichtung von Regenwäldern aus. Deutschland unterstützt im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative bereits seit 2008 weltweit Projekte zum Schutz von Wäldern. Dadurch werden CO2-Emissionen, insbesondere aus der Abholzung, reduziert und Lebensraum für Flora und Fauna erhalten.
Das ist alles gut gemeint, aber in Anbetracht der Lage nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Der Schutz der Regenwälder wurde auf der CBD-Vertragsstaatenkonferenz zur Biologische Vielfalt in Nagoya ausdrücklich als eine der vorrangigen Aufgaben der Staatengemeinschaft bestätigt. Nur ein grundlegender Kurswechsel kann den rücksichtslosen Ressourcenverbrauch beenden.

Ein ungewöhnliches Angebot

Mitten im Yasuní-Nationalpark in Ecuador liegen Ölfelder, deren Förderung verhindert werden soll. Ecuadors Präsident Correa machte der Staatengemeinschaft 2007 für den Erhalt dieser Ölfelder folgenden ungewöhnlichen Vorschlag: Das Öl bleibt im Boden und die Industrieländer zahlen dafür. Damit bliebe der Regenwald im Yasuní-Nationalpark erhalten und die indigenen Lebensformen der ansässigen Huaorani-Indianer würden nicht zerstört. In einem Interview sagt Corerra Spiegel-Reportern: „Wir lassen fast 900 Millionen Barrel Öl in der Erde und verhindern so, dass 400 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen.“
Die Hälfte der für Ecuador zu erwartenden Einnahmen aus der Ölförderung soll die Weltgemeinschaft dem Land als Ausgleich zahlen. Das sind 3,5 Milliarden Dollar, die, verteilt auf 13 Jahre, vorwiegend von den reichen Industrieländern des Nordens aufgebracht werden müssten. Das Geld soll in einen Fond eingezahlt werden, der beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP angesiedelt ist. Über die Verwendung entscheidet ein sechsköpfiges Gremium: Drei ecuadorianische Regierungsvertreter, zwei Vertreter der Beitragszahler und eine ecuadorianische Vertreterin der Zivilgesellschaft.  Dieses Projekt kann zum Meilenstein für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen auf diesem Planeten werden.

Unterstützung des „Öl im Boden bleiben“- Projektes

Mit einem Antrag unterstützte der Deutsche Bundestag Ecuador 2008 bei dem Vorhaben das Ölfeld gegen Ausgleichszahlungen nicht zu erschließen. Deutschland wollte einen Beitrag in Höhe von einer halben Milliarde Euro zum Schutz des Yasuni-Nationalparks leisten. Bei der weiteren Vorbereitung zur Einrichtung eines Treuhandfonds beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) half die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Im August dieses Jahres unterzeichnete der ecuadorianische Präsident Correa das Abkommen mit dem UNDP für den Treuhandfonds. Von hier aus sollen die Gelder in Klimaschutz, erneuerbare Energien, die Wiederaufforstung von Mangroven, aber auch in die Förderung von Bildung und  Gesundheitswesen investiert werden. Chile hat als erstes Land den symbolischen Wert von 100.000 Dollar eingezahlt. Mit den Zusagen von Spanien und privaten Investoren sind schon 40 Millionen Dollar zusammen gekommen.

Wo bleibt die vom Bundestag zugesagte deutsche Unterstützung?
Entwicklungshilfeminister Niebel entdeckt plötzlich Unklarheiten. Er hat vor allem Nachfragen zum Einfluss der Zivilgesellschaft auf die Verwendung der Gelder, zur Übereinstimmung des Projekts mit internationalen Klimaschutzkonzepten und zur Größenordnung der Ölvorkommen. Die bisherigen Aussagen seien unzureichend, daher wird eine Einzahlung in den Fonds „zur Zeit nicht in Betracht gezogen“.
Die Antworten aus Ecuador auf die deutschen Nachfragen liegen der Bundesregierung allerdings längst vor. Jetzt soll geprüft werden, ob eine solche Fondsfinanzierung wirklich verlässlich ist.
DIE LINKE. forderte in einem Änderungsantrag zum Bundeshaushalt 2011 die Einführung eines neuen Haushaltstitels als Beitrag für den Yasuní-Treuhandfond.

Nun kommt auch in den eigenen Reihen Unverständnis auf. Parlamentarier verstehen den eigenen Parteifreund nicht. Frau Wieczorek-Zeul hofft, dass ihr Amtsnachfolger die Unterstützung dieses beispielhaften Projektes fortführen wird. Aus dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hört man, dass es keine konkreten Festlegungen zur Unterstützung für das Yasuni-Projekt gibt.
Was Herrn Niebel antreibt oder eben gerade nicht, bleibt im Nebel.

Hintergrund

Der Yasuni-Nationalpark zählt aufgrund seiner außerordentlichen Artenvielfalt zum Weltnaturerbe und ist Teil eines UNECSO-Biosphärenreservates. Das Ishpingo-Tambococha-Tiputini Gebiet (ITT) liegt in der nordwestlichen Amazonas-Region des Nationalparks. Die Schätzungen des darunter gefundenen Ölfeldes (ITT-Block) liegen bei 850 Millionen Barrel (159 Liter entsprechen einem Barrel). Das ist besonders für den spanischen Ölkonzern Repsol interessant. In der ecuadorianischen Amazonas-Region wird seit Jahrzehnten Öl gefördert. Ausgewiesene Ölfördergebiete (Blocks) reichen teilweise schon in den Yasuni Nationalpark hinein. Repsol erhielt zuletzt im Jahre 2000 die Konzession über ein 3.000 km² großes Regenwaldgebiet. Dafür wurden sogar die Grenzen des Nationalparks nach Osten verschoben. Ecuador braucht zum Aufbau des Landes Einnahmen aus der Ölförderung, aber einige Bereiche müssen unberührt bleiben. Die Freigabe des ITT-Blocks wäre das Ende des Nationalparks. Das sieht auch die ecuadorianische Regierung so.

Noch während Deutschland 2009 das „Öl bleibt im Boden“- Projekt offiziell unterstützt, findet die Öllobby in der deutschen Botschaft in Quito durchaus offene Ohren. Nach einer von Repsol organisierten Bereisung des Gebietes kommen die Diplomaten zu dem Schluss, dass der Ölkonzern sehr umweltschonend in der Region arbeitet und eigentlich den Schutz des Nationalparks absichert. Auch den ITT-Block will Repsol fördertechnisch so ausbeuten, dass „der Wald nicht in seiner Substanz angegriffen wird“. Was immer das heißt. Der Bundesminister für Entwicklung und Zusammenarbeit Niebel scheint das offensichtlich Grund genug, seine Intentionen der Zusammenarbeit stärker in Richtung der Ölkonzerne auszurichten.

Wehe dem, der Böses denkt

Mit Blick auf die politische Entwicklung des Landes liegt die Vermutung nahe, dass Minister Niebel nicht gerade ein Fan der ecuadorianischen „Bürgerrevolution“ ist.
Ein Land verzichtet auf Ölförderung im Regenwald zugunsten von Klima und Artenvielfalt.
Dafür will dieses Land die Hälfte der potenziellen Einnahmen aus dem Ölgeschäft als Ausgleichszahlung haben.
Das ist gegen die kapitalistische Natur und deren wachstumsgläubige Denkweise.
Das kann man keinesfalls akzeptieren.
Das riecht nach Sozialismus.
Und laut Aussage Niebels Staatssekretärin in SPIEGEL ONLINE befürchtet dieser, dass ein solcher Präzedenzfall Schule machen könnte.

Es ist schon beängstigend, da lassen wir doch lieber Klima Klima sein, Artenvielfalt hin oder her.

Artenvielfalt im Yasuni-Nationalpark

Der Yasuni-Nationalpark umfasst ein Gebiet von 9.820 km², davon sind 5000 km² das Kerngebiet, das von der industriellen Rohstoffausbeutung verschont werden soll. Der tropische Regenwald des Yasuni-Parks gilt mit geschätzten 100.000 Arten pro Hektar als eines der artenreichsten Regionen auf der Erde. Man geht von der höchsten Dichte an Amphibien-, Säugetier-, Vogel- und Pflanzenarten im gesamten Amazonasgebiet aus. Hinzu kommt eine hohe Anzahl endemischer Arten. Die Gründe für diesen unvergleichlichen Artenreichtum liegen in der Stabilität des Klimas mit gleichbleibend hohen Temperaturen und große Niederschlagsmengen. Daran wird sich auch laut aktueller Klimaszenarien in Zukunft nicht viel ändern. Somit erhält der Yasuni Park als Artenrefugium zukünftig eine noch größere Bedeutung.

Registrierte Arten:
100.000             Insektenarten pro Hektar (geschätzt)
4.000                 Gefäßpflanzen
2.274                 Baum- und Straucharten
593                    Vogelarten
ca. 500              Fischarten
150                    Amphibienarten
121                    Reptilienarten
ca. 120              Säugetierarten
80                       Fledermausarten