2. Angebotsverbesserungen

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Das Angebot des öffentlichen Verkehrs (ÖV) muss insgesamt verbessert werden, um einer wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, aber auch um immer mehr Menschen von seiner Benutzung zu überzeugen. Viele dieser Maßnahmen dienen zur Lösung der Probleme, die in der vorhergehenden Umfrage als Hemmnisse bei der Nutzung des ÖV genannt wurden (siehe Grafik "Hemmnisse"). Zu solchen Angebotsverbesserungen gehört:
  • eine Verdichtung des Liniennetzes in vielen Regionen und Städten, um schnelle Verbindungen ohne viel Umsteigen zu ermöglichen;
  • Lückenschlüsse dort, wo Verbindungen vorher auseinandergerissen wurden, und Wiederherstellung insbesondere von Ost-West-Verbindungen; außerdem Elektrifizierung weiterer Strecken;
  • eine große Haltestellendichte: Für die Nutzerinnen und Nutzer ist die Nähe zur Haltestelle entscheidend für die Attraktivität des ÖV (siehe Grafik "Hemmnisse"); der Trend zur Stilllegung beispielsweise von „Kiezlinien“ muss folglich unbedingt umgekehrt werden;
  • ein dichter Takt, so dass es keine langen Wartezeiten gibt;
  • ein gutes Verkehrsangebot auch zu Tagesrandzeiten sowie nachts mindestens ein bedarfsorientiertes Angebot (beispielsweise Anrufsammeltaxis);
  • Mindeststandards für die Erreichbarkeit: mindestens im Stundentakt – in Spitzenzeiten im Halbstundentakt – ein Anschluss in das nächste Oberzentrum. Die Verkehrsbetriebe sollten in nachfrageschwachen Zeiten entsprechend kleinere Fahrzeuge einsetzen;
  • vollständige Barrierefreiheit, so dass der ÖV für alle nutzbar ist – insbesondere auch für Ältere, Menschen mit Behinderung, bei viel Gepäck oder mit Kinderwagen;
  • guter Service und höhere Sicherheit durch präsente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bahnhöfen;
  • eine hohe Zuverlässigkeit durch ausreichende Wartung und Reservekapazitäten, die auch verfügbar sein müssen: Menschen nutzen den ÖV sehr viel mehr, wenn sie sich darauf verlassen können, dass sie auch tatsächlich pünktlich ankommen. Entsprechend wirken sich regelmäßige Beeinträchtigungen der Zuverlässigkeit wie bei der Berliner S-Bahn negativ auf die Nutzung aus;
  • eine Beschleunigung des ÖV auch auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs – beispielsweise durch Vorrangschaltungen an Ampeln; das würde gleichzeitig aufgrund einer geringeren Anzahl an benötigten Zügen/Bussen noch Kosten einsparen;[6]
  • Bevorzugung von Bahn- und Straßenbahn- oder Oberleitungsbussen statt Dieselbussen: Bahnen und elektrisch betriebene Busse sparen nicht nur Energie und ermöglichen die Nutzung von erneuerbaren Energien, sondern werden aufgrund des höheren Fahrkomforts und der höheren Sicherheit von den meisten Menschen sehr gut angenommen. In Städten sind Straßenbahnen um ein Vielfaches günstiger zu bauen und zu betreiben als U- oder S-Bahnen und sie können mit Hilfe von Vorrangschaltungen an Ampeln fast ebenso schnell fahren. Darüber hinaus sind sie sehr viel einfacher erreichbar und barrierefrei zu betreiben. Im ländlichen Raum sollten Stilllegungen von Bahnstrecken vermieden und bereits stillgelegte Strecken auf keinen Fall entwidmet, sondern stattdessen wo möglich reaktiviert werden.
  • eine Integration unterschiedlicher Verkehrsmittel des ÖV: Mit einem solchen Konzept sind beispielsweise die Karlsruher und auch die Kasseler Verkehrsbetriebe sehr erfolgreich, die das Straßenbahnsystem ins Umland ausgedehnt haben, so dass diese inzwischen den Charakter einer S-Bahn hat (›Karlsruher Modell‹). Dies macht den ÖV sehr viel attraktiver und hat zu einer enormen Nutzungssteigerung geführt. Nach dem gleichen Vorbild sind inzwischen die Stadtbahn Heilbronn, die City-Bahn Chemnitz, die Saarbahn Saarbrücken und einige weitere kombinierte Stadtbahnen geschaffen worden.
  • einfache Systeme der Information und Fahrpläne sowie Fahrkartenverkauf und Aufsicht auf den Bahnhöfen durch Personal.
Um einen guten ÖV zu ermöglichen, müssen längerfristige Maßnahmen auf den Weg gebracht werden: So ist es bei einer hohen Siedlungsdichte wesentlich einfacher, einen attraktiven ÖV anzubieten – mit geringen Entfernungen zu den Haltestellen und einem dichten Takt (siehe Grafik "Hemmnisse"). Viele Städte haben dementsprechend schon heute ein attraktives ÖPNV-Angebot. Daher sollte die Politik Zersiedlungen verhindern, anstatt sie wie bislang durch Maßnahmen wie die Entfernungspauschale noch zu begünstigen. Bei der Ausweisung neuer Siedlungs- und Gewerbegebiete muss die ÖV-Anbindung immer eine notwendige Voraussetzung sein.
Um den ÖV zusätzlich auch mit anderen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln im Sinne des „Umweltverbundes“ besser zu vernetzen, sollte die Kombination mit dem Fahrrad weiter vereinfacht werden. Dazu gehören sichere Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen (beispielsweise Fahrradparkhäuser), Entleihmöglichkeiten von Mietfahrrädern sowie eine Fahrradmitnahme in allen öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Zugänge zu Bahnhöfen und Haltestellen sollten direkt und sicher sein, und an Umsteigepunkten sollten Umwege vermieden werden.

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[6] Vgl. Fahrgastverband IGEB: Straßenbahn für ganz Berlin! Teil II. In: Signal Heft 01/2009, S. 9-11. Und: Markus Falkner: Rote Welle – Berlin bremst die Straßenbahn aus. Berliner Morgenpost, 10.10.2011. [zurück zum Text]