Zum Maritimen Bündnis und Zukunft des Schifffahrtsstandorts Deutschland

Die SPD fordert in ihrem Antrag 17/10097den „Schifffahrtsstandort Deutschland sichern“ und verlangt von der Bundesregierung, das „Maritime Bündnis“ fortzuentwickeln. Was hat es damit auf sich? Dieses Bündnis wurde 2003 unter rot/grüner Regierung, den Reedern und Gewerkschaften  gegründet, moderiert von Gerhard Schröder. Es war ein Bündnis für „Beschäftigung, Ausbildung und Wettbewerbs-fähigkeit“ und sollte den Reedern finanzielle Zuschüsse zu den Ausbildungs- Lohnnebenkosten zusichern, damit diese im Gegenzug wieder mehr Schiffe unter deutscher Flagge fahren lassen. Denn nur dann gilt an Bord auch deutsches Recht, Tariflöhnen und Arbeitsbedingungen, doch dies ist eher die Ausnahme.

Die deutsche Wirtschaft rühmen sich damit, über eine der weltweit größten Handelsflotten zu verfügen und gehen wir der Nationalität der Schiffseigentümern aus, steht Deutschland weltweit auf Platz 3. Über die weltweit größte Handelsflotte verfügt übrigens das kleine Griechenland und bestreitet damit etwa ein Sechstel des gesamten maritimen Welthandels. Doch unter deutscher Flagge fahren mit 491 Handels-schiffen  aktuell lediglich 15% der eigenen Flotte. Die meisten Handelsschiffe – weit über 5.000 - fahren unter der Flagge Panamas, danach kommen Länder wie China, Liberia, Malta, Rußland, Bahamas, Singapur, Antigua und Barbuda. Deutschland folgt weit abgeschlagen, irgendwo auf Platz 26. Aktuell fahren 3.155 deutsche Schiffe unter fremder Flagge.
Die Reeder versprachen also im Maritimen Bündnis nicht die vollständige Rückflaggung ihrer Flotte, sondern lediglich 600 von ihren fast 4.000 Handelsschiffen. Dieses Ziel haben Sie bis heute nie erreicht, doch die Subventionen flossen weiter. Im letzten Jahr kam es bei der Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven zum Krach, denn die Mittel wurden um fast 30 Mio. € gekürzt. Darauf drohten die Reeder damit, noch mehr Schiffe auszuflaggen. Im März einigte man sich schließlich, das Budget wieder auf 58 Mio. € aufzustocken und die Reeder wollten ebenfalls 20 Mio. € über einen Fonds und 10 Mio. € über eine Erhöhung von Ausflaggungsgebühren beisteuern sowie an dem Ziel von 600 Handelsschiffen unter deutscher Flagge festhalten. Letzte Woche wurden die Mittel von der Bundesregierung auch freigegeben.
Dies hindert die SPD nicht daran, Ende Juni 2012 einen Antrag vorzulegen, in dem sie das Maritime Bündnis als ihre Idee lobt, alles dass, worauf man sich bereits geeinigt hat, nochmal von der Bundesregierung einzufordern, weil es bei der technischen Umsetzung an der einen oder anderen Stelle noch hakt. Weiterhin fordern sie die Bundesregierung auf, das Bündnis irgendwie weiterzuentwickeln, die Ausflaggung der deutschen Handelsschiffe zu stoppen und werfen ihr ohne eigene neue Idee trotzdem ihrerseits Konzeptlosigkeit vor. Eine vernünftige Forderung wird dann doch noch erwähnt, nämlich, endlich für eine Ratifizierung des Seearbeitsübereinkommens zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Seeleuten zu sorgen, was 2006 zu Zeiten der rot/grün Regierung zwar international vereinbart, aber nie umgesetzt wurde. Doch DIE LINKE. hat mit Drucksache 17/09066 ebenfalls in einem eigenen Antrag bereits im März genau dies eingefordert. Vielleicht lesen Sie einfach mal unsere Anträge, der wurde auch erst kürzlich im Verkehrsausschuss behandelt, sie haben sogar zugstimmt. Zwischenzeitlich hat hier auch die EU Druck gemacht und hat zwei Wochen nach unserem Antrag ebenfalls eine Richtlinie 8241/12 zur Umsetzung dieses Abkommens vorgelegt. Dies wird nun nach sieben Jahren wohl endlich dazu führen, dass das Abkommen 2013 auch in Kraft treten könnte.  
Zusammenfassend lässt sich sagen, die SPD fordert hier Punkte, die seit einem Viertel Jahr bereits gelöst oder auf den Weg gebracht wurden und stellt sich relativ kritiklos hinter das Maritime Bündnis, ohne jedoch auf die aktuellen Herausforderungen der Seeschifffahrt einzugehen oder zu benennen.
Aktuell war ja grade über den vollständigen Ausstieg der Commerzbank aus der Schiffsfinanzierung zu lesen. Hinter der HSH Nordbank, die Nummer zwei in diesem Markt. Es liegt daran, dass der Markt unter einer massiven Überkapazität leidet. Seit diesem Monat können die Frachter weltweit über 16 Millionen Container transportieren, dadurch sinkt die Auslastung und dies drückt die Frachtraten in den Keller. Einige großen Reedereien wie Maersk haben Schiffsgiganten bauen lassen, die bereits heute über 14.000 Container laden können und damit erheblichen Druck die Reeder kleinerer Schiffe ausüben.   
Aktuell hat PricewaterhouseCoopers (PwC) eine Studie zur Lage der Schifffahrtsbranche veröffentlicht, die ein recht düsteres Bild auf die Branche wirft. Wegen Überkapazitäten und Preiskämpfen haben 2011 fast alle Reeder rote Zahlen geschrieben. 84 Prozent der Reeder gehen sogar davon aus, dass wegen der heftigen Schifffahrtskrise etliche deutsche Unternehmen das kommende Jahr nicht überleben. Bei kleineren Reedereien ist die Lage noch verheerender. Ein Fünftel der Reeder mit weniger als 100 Mio. Euro Umsatz erwartet laut PwC in den kommenden zwölf Monaten schrumpfende Erlöse - also noch weniger als in der bisherigen Krisenzeit. Laut ihrer Umfrage planen sogar 21 Prozent der Reeder, weitere Schiffe auszu-flaggen – um in Ländern mit Billigflaggen wie Liberia, Kosten  zu sparen. Von Rückflaggung also keine Spur.
Wir erleben auf diesem Markt also einen knallharten Kapitalismus in Reinform, denn der Markt ist hier durchaus gespalten. Den kleinen Reedereien geht es immer schlechter, den großen aber immer besser: Die weltweit größte Containerreeder Maersk fuhr 2010 trotz Finanzkrise, mit über 3,8 Mrd. € den höchsten Gewinn ihrer mehr als 100-jährigen Unternehmensgeschichte ein.  Sie lassen momentan trotz Überkapazität 10 neue Schiffe bauen, mit je 18.000 Container. Auch wenn es im letzten Jahr „nur“ noch 2,43 Mrd. € Gewinn waren, geht es Ihnen wirtschaftlich blendend.
Dies ist auch kein Wunder, denn sie müssen kaum Steuern zahlen. Die rot/grüne Bundesregierung war es, die 1999 für die Reeder eine sogenannte Tonnage-gewinnermittlung einführte. Danach müssen die Schiffseigentümer nicht mehr ihre Gewinne versteuern, sondern einen sehr geringen, pauschalen Betrag entrichten, je nach Größe des Schiffsladeraums. Damit sind dem Staat in den letzten acht Jahren rund fünf Mrd. € Steuern der Reeder entgangen. Die Regelung verstößt auch gegen europäisches Recht. Diese Subvention ist von der EU nur zugelassen, wenn mindestens 60% der Schiffe unter einer EU-Flagge fahren, doch es sind grade mal 30%, der Rest fährt unter einer noch billigeren, nichteuropäischen Billigflagge.  
In dem ganzen Konflikt um die Verpflichtungen des Maritimen Bündnis, in dem sich die Reeder noch nie an ihre Rückflaggungszusagen gehalten haben, wurde die Tonnagesteuer von keiner Bundesregierung je in Frage gestellt.  Auch nicht von der SPD, die sie ja eingeführt hat. Diese Begünstigung sei international durchaus üblich, andere Länder würden ähnliche Zugeständnisse machen.  Stimmt, doch dieser Dumpingwettlauf muss endlich gestoppt werden. Noch dreister sieht es z.B.  in dem krisengeplagten Griechenland aus. Während das Land wirtschaftlich vor dem Ruin steht, zahlen die griechischen Reeder überhaupt keine Steuern. Seit 1967 erspart der griechische Fiskus den heute 762 Reedern mit 3.325 Schiffen die Steuer auf ihre Gewinne. 175 Milliarden Dollar sollen dem Staat so im Lauf der vergangenen zehn Jahren entgangen sein. Der Vorsitzende unserer griechischen Schwesterpartei SYRIZA, Alexis Tsipras, hatte zu Recht gefordert, sie wieder zu besteuern. Kein Wunder, dass sich fast die Hälfte der EU-Handelsflotte in griechischem Besitz befindet, wenn sie dort völlige Steuerfreiheit genießen.
Die großen Reedereien müssen zur Kasse gebeten werden und sich an den Kosten zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. Vernünftige Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Seeschifffahrt sollten für eine große Exportnation selbstverständlich sein, grade wenn sie –wie Deutschland – über eine der weltweit größten Handelsflotten verfügt. Es ist ein Skandal, dass hierfür aufwändig Bündnisse mit Finanzspritzen geschmiedet werden müssen und dann auch noch ohne Gegenleistung! Wir fordern von der Bundesregierung, dass die Genehmigung der Tonnagesteuer nur noch für Schiffe unter Deutscher Flagge erteilt wird. Krisengeplagte Reeder sollten ihren echten Gewinn versteuern lassen, denn ohne Gewinn zahlen sie auch keine Steuer und sind davon überhaupt nicht betroffen. Wir wollen aber einen faireren Wettbewerb. Die großen Reederein, die trotz Krise noch Milliardengewinne einfahren, müssen auch angemessene Steuern zahlen.
DIE LINKE. fordert weiterhin, ein Ende des Preisdumpings der großen Reedereien bei den Frachtraten und einheitliche Mindestbedingungen auf dem Arbeitsmarkt der Seeschifffahrt. Sobald die von uns geforderte Ratifizierung des internationalen Seearbeitsübereinkommen erfolgt und es endlich in Kraft tritt, regelt es darin grundlegende Rechte wie Arbeitszeiten, Urlaub und Ausbildung für über 1,2 Millionen Seeleute, weltweit. Dies ist ein wichtiger Schritt.