LINKE lehnt Mega-Schweineanlage in Haßleben ab

DIE LINKE bekennt sich zur Tierhaltung und sieht sie als integralen Bestandteil der landwirtschaftlichen Produktion und regionalen Flächennutzung. Als arbeitsintensivster Teil der landwirtschaftlichen Produktion ist sie ein wichtiger sozialer Faktor, wenn faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen gesichert sind. Bei der Bewertung von Tierhaltungsanlagen sind aus unserer Sicht soziale, tiergesundheitliche, tierschutzrechtliche und ökologische Aspekte zu berücksichtigen. 

In Haßleben (Landkreis Uckermark, Brandenburg) wird seit über zehn Jahren heftig darüber gestritten, ob in einer stillgelegten Schweinehaltungsanlage mit ehemals über 100.000 Tierplätzen der niederländische Investor van Gennip eine Anlage für 69.000 Schweine errichten darf. Es gibt zwei Bürgerinitiativen. Die eine hofft auf Arbeitsplätze in der Anlage. Die andere fürchtet um die wertvolle Naturlandschaft, insbesondere um einen See und ein Moorgebiet. Sie fürchten um ihre Lebensqualität und die touristische Entwicklung der Region, die durch Ver- und Entsorgungsverkehr und Tiertransporte für eine solche Mega-Anlage gefährdet werden. Sie haben Sicherheitsbedenken angesichts der engen Straßen. Sie fürchten um Böden, Bäume und Gewässer durch die Gülleausbringung und können sich nicht vorstellen, dass Tierschutz und Tiergesundheit bei so einer Mega-Anlage und an diesem Standort gesichert werden können. Dazu kommt die Angst vor multiresistenten Bakterien durch häufige Antibiotika-Anwendungen.

Selbst wenn manche dieser Befürchtungen überzogen, andere vielleicht unbegründet sein mögen, so stellt sich doch politisch sehr ernsthaft die Frage nach der gesellschaftlichen Legitimation und Akzeptanz dieses Mega-Projektes.

Also: Welche gesellschaftlichen Chancen rechtfertigen seine Risiken?

Unabhängig von dieser politischen Bewertung muss die rechtliche Frage beantwortet werden, ob dieses Vorhaben den gesetzlichen Regeln entspricht. Aber auch der Gesetzgeber muss die Frage beantworten, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen den Notwendigkeiten und dem gesellschaftlichen Willen entsprechen.


Wiederbelebung der Schweinemast in Haßleben

Als junge Tierärztin habe ich diese Anlage in Haßleben Mitte der 1980er Jahre besucht. Schon damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie man bei so extremen Tierkonzentrationen an einem Standort Tierseuchenverdachtsfälle wie z. B. Schweinepest in den Griff bekommen soll. Man stelle sich die Situation vor, dass eine vorsorgliche Tötung von mehreren 10.000 Schweinen angeordnet wird! Allein aus diesem Grund halte ich solche Mega-Anlagen für nicht verantwortbar. 1991 wurde die Anlage geschlossen. Es folgten mehrere Wiederbelebungsversuche – bisher alle erfolglos.

Agrarpolitikerinnen und Agrarpolitiker der LINKEN (vormals auch der PDS) haben sich vor allem aus tiergesundheitlichen und ökologischen Gründen mehrfach gegen die neue Schweinmastanlage dieser Dimension in Haßleben ausgesprochen. Auch im Wissen, dass die Hoffnung auf Arbeitsplätze gerade in der Uckermark mehr als verständlich ist. Sie sind aber bei einem solchen Projekt  trügerisch, weil meistens deutlich weniger Arbeitsplätze entstehen als erhofft und für die regionale Bevölkerung nicht die qualifizierten, sondern häufig nur prekäre Arbeitsplätze übrig bleiben. Es wären daher sozial und ökologisch teuer erkaufte Brosamen und kein Zukunftsprojekt, das die Risiken am Standort zwischen dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und einem Naturpark rechtfertigt.

Wenn die sozialen Effekte mindestens fraglich sind stellt sich die Frage um so drängender, wer überhaupt so viele zusätzliche Schweine aus Haßleben braucht?


Der Schweinemarkt ist gesättigt

600 Menschen leben in Haßleben. Nach langen Debatten wurden nun statt der ursprünglich 69.000 „nur“ 36.861 Tierplätze beantragt. Damit können aber mehr als 70.000 Schweine pro Jahr gemästet werden. Der deutsche Markt ist aktuell mehr als gesättigt. 115 Prozent Schweinefleisch-Eigenversorgung hat die Bundesrepublik. 89,2 kg Fleisch landet auf dem Durchschnittsteller im Jahr, davon fast die Hälfte Schweinefleisch. 26,8 Millionen Schweine werden hierzulande gehalten (Quelle: Agrarmarkt Informations-Gesellschaft 2011). Die Schweinefleischpreise sind im Keller und es wird massiv exportiert. Wie lange geht das noch so und ist das überhaupt sinnvoll?

Jede neue Mastanlage steigert das Angebot an Mastschweinen und drückt bei stagnierender oder gar fallender Nachfrage den Preis weiter nach unten. Das gefährdet die Existenz  bestehender Schweinemastbetriebe und kurbelt die Exportnotwendigkeit weiter an, obwohl auch China immer mehr Schweine selbst züchtet und mästet. Nachhaltig ist eine solche Exportproduktion ohnehin nicht. Viel mehr besteht der Verdacht, dass es um strategische Marktverdrängung geht. Mittlere und kleine Betriebe müssen aufgeben, Arbeitsplätze gehen dort verloren. Deshalb ist die politische Ablehnung des Projekts gut begründet: Es ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, zur Lösung der sozialen Probleme der Region nicht geeignet und ökologisch riskant.


Der aktuelle Stand der rechtlichen Bewertung

 Vergangene Woche hat das Landesumweltamt (LUGV) nach jahrelanger Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und wiederholt vom Investor eingeforderter Nachbesserungen „grünes Licht“ für die Anlage geben müssen. Eine FFH-Verträglichkeits- sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurden durchgeführt. Rechtlich sieht das LUGV im Ergebnis nun „sämtliche Voraussetzungen zur Genehmigung laut Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erfüllt.“ Ohne andere bundesgesetzliche Regelungen kann auch eine LINKE Ministerin keine andere rechtliche Bewertung der Fachbehörde durchsetzen. Als politischer Handlungsspielraum in dieser Situation blieb, keinen Vollzug anzuordnen. Und dieser wurde genutzt, d. h. es darf nicht sofort mit dem Bau begonnen werden. Damit haben Klagen und Widersprüche aufschiebende Wirkung, wie auch Axel Vogel, Vorsitzender der grünen Fraktion im Landtag Brandenburg, anerkennt. Somit können bis zur tatsächlichen Errichtung der Anlage noch Jahre vergehen. Ob der Investor versuchen wird, ein Recht auf Vollzug gerichtlich gegen das Land Brandenburg durchzusetzen, ist bislang offen.

Für den agrarpolitischen Sprecher der Brandenburger Landtagsfraktion führt dieses Bauvorhaben in die Sackgasse. Dr. Michael Luthardt kritisiert vollkommen zu Recht, dass durch die Anlage keine regionalen Wirtschaftskreisläufe geschaffen würden. Erhoffte Arbeitsplätze stünden in keinem Verhältnis zur Tierzahl. „Die Umweltbelastungen aber werden dem Image der Uckermark schaden, welche erst vor kurzem eine hohe Wertschätzung als Tourismusregion erfahren hat,“ so Dr. Luthardt. Eine zukünftige Schweinemastanlage Haßleben sei kein Aushängeschild der Landwirtschaft in Brandenburg. Gerade in dieser sensiblen Naturlandschaft ist eine industrielle Schweinemast höchst problematisch.

 

Vorwürfe an die LINKEN

Der Brandenburger LINKEN wird teilweise vorgeworfen, sie sei in dieser Sache ökologisch unglaubwürdig und leiste der Agrarindustrie Vorschub. Die Landesregierung und das von der LINKEN geführte Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) werden nach der Entscheidung öffentlich an den Pranger gestellt. Ihnen wird unterstellt, nicht genug gegen die Anlage getan zu haben. Die Genehmigung hätte versagt werden müssen. Doch auch ein von den Grünen geführtes Ministerium hätte wohl nicht anders handeln können, ohne bestehende Gesetze zu verletzen!

Leider sind auf Landesebene alle gesetzlichen Mittel gegen solche Mega-Anlagen begrenzt und sie wurden in diesem Fall ausgeschöpft. Ohne konsequente Änderungen im Tierschutzgesetz, in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, beim Immissionsschutz und im Baugesetzbuch werden solche Anlagen weiter die Dörfer spalten. Solche Änderungen hat auch die Linksfraktion im Bundestag bereits mehrmals gefordert. Der Investor hätte diese Anlage in seinem Heimatland wahrscheinlich nicht bauen dürfen.

Daher muss der politische Streit auf Bundesebene ausgetragen werden. Das Bundesrecht muss im Interesse gesunder Tierbestände, fair bezahlter Arbeitsplätze und zur Minimierung ökologischer Risiken angepasst werden. Auch das kommunale Mitwirkungsrecht ist zu stärken. Die ökologische Sensibilität der Region um Haßleben kann in den vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen gar nicht ausreichend widergespiegelt werden. Immissionsschutz-, Brandschutz oder ein stärkerer Tierschutz allein greifen nicht.

Umso wichtiger ist nun, die kritischen Kräfte innerhalb und außerhalb der Parlamente zu bündeln und zu stärken und an den Stellen politisches Handeln einzufordern, die tatsächlich handeln können.

 

Tiergesundheit stärker in den Mittelpunkt stellen

DIE LINKE findet eine Debatte, die sich auf „große Betriebe gegen kleine Betriebe“ reduziert, falsch. Uns geht es um die Qualität der Tierhaltung und ihre sinnvolle Einbindung in regionale Stoff- und Wirtschaftskreisläufe. Eine Mega-Anlage wie in Haßleben schießt deutlich über das Ziel hinaus. Es sind zu viele Tiere in einem Stall und an einem Standort. Die Tierhaltung sollte an die Fläche gebunden sein. So können die Tierbestände mit Futtermitteln aus der Region versorgt und Gülle vor Ort so ausgebracht werden kann, dass die Aufnahmekapazität der Böden nicht überbeansprucht wird. Grundsätzlich sind Ställe bzw. Stallanlagen so zu konzipieren, dass die Tiergesundheit im Mittelpunkt steht. Nicht die Tiere sind den Anlagen anzupassen, sondern die Anlagen den Tieren. Gekappte Schwänze, gekürzte Zähne oder abgesägte Hörner sind deutliche Zeichen dafür, dass die Tierhaltung tiergerechter werden muss.

Neben der politischen Aufgabe entsprechende Gesetze und Verordnungen zu ändern, bleibt noch der Klageweg der Bürgerinitiative und der Umweltverbände. Da Klagen eine aufschiebende Wirkung haben bleibt also Zeit, die Anlage Haßleben zu stoppen!