Mehr öffentliche Veterinäre braucht das Land

415 Landkreise und kreisfreie Städte gibt es in Deutschland mit insgesamt 431 unteren Veterinärbehörden. Hier findet sich die Zuständigkeit für die Lebensmittelkontrolle und Tierseuchenbekämpfung vor Ort.

In vielen Landkreisen, so auch in meinem Brandenburger Wahlkreis, ist seit Jahren eine personelle Ausdünnung im öffentlichen Veterinärdienst zu beobachten, die Besorgnis erregt. Trotz Erhöhung der Zahl der anzeigepflichtigen Tierseuchen wurden die Struktur und die mit den Untersuchungen befassten Stellen ausgedünnt. Der Personalbestand in den Veterinärämtern hat sich in den letzten zehn Jahren reduziert, in einzelnen Fällen sogar bis um die Hälfte.  In anderen Fällen wurden Planstellen  umgewandelt in kurzfristig besetzte  und  an spezielle Aufgaben gebundene Mittelstellen.  Und diese politischen Entscheidungen haben Folgen.

 

Beispiel 1: Vor einigen Jahren noch konnten Blut- oder Gewebeproben oder erkrankte Tiere aus meiner Heimatregion ins 70 km enfernte, aber immerhin im Landesmaßstab zentral gelegene Potsdam zur Untersuchung gebracht werden. Damit waren die westlich gelegenen Landkreise  vergleichsweise gut angebunden. Durch Standortschließungen und Personalabbau müssen die Materialien heute 170 km nach Frankfurt (Oder) geliefert werden. Der Aufwand hat sich damit mehr als  verdoppelt und die logistische oder finanzielle Hürde, um Tiere überhaupt zur Untersuchung zu bringen, ist gewachsen. Aus verschiedenen Berichten weiß ich, dass diese Situation kein Alleinstellungsmerkmal meines Wahlkreises ist.

 

Beispiel 2: Die früher von den Veterinärämtern durchgeführten Viehzählungen in Form von Vollerhebungen sind inzwischen abgeschafft worden. Mag sein, dass die Landwirtschaftsbetriebe es als Erleichterung empfinden, aber die Überraschungen sind im Ernstfall problematisch. Ein Beispiel: in der Region Wittstock/ Dosse trat Weihnachten 2007 die aviäre Influenza auf. Die Ermittlungen vor Ort ergaben, dass die meisten in der Sperrzone gehaltenen Kleingeflügelbestände dem Veterinäramt unbekannt waren. Zehnmal höher als gemeldet war die Anzahl der Geflügelhalter im betroffen Sperrgebiet laut Meldung der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 28.12.2007. Mit drakonischen Strafandrohungen wird nun versucht, dieses Defizit an Grundlagen für eine verlässliche Bekämpfung zu beseitigen.

 

Beispiel 3: Das Tierseuchengeschehen hat uns in Politik und Gesellschaft in den vergangenen Jahren in Atem gehalten. Maul- und Klauenseuche, Schweinepest, Vogelgrippe, neue Influenza, Blauzungenkrankheit sind breit in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Die hohe zeitliche und räumliche Dynamik mit der sich heute Infektionen ausbreiten wird von der Geschwindigkeit der Medienberichterstattung noch getoppt. Angesichts der Globalisierung mit ihren immer schnelleren Handels- und Personenströmen wächst das Risiko der Einschleppung und Verbreitung von Tierinfektionen einschließlich Zoonosen. Sie werden zunehmend zum ernsten ökonomischen Risiko für die Nutztierhaltung. Mit diesen Gefahren wächst der Handlungsdruck im Bereich Prävention und Früherkennung aber auch hinsichtlich effektiver und angemessener Reaktionsmaßnahmen. Ohne eine diesem wachsenden Risiko angemessene personelle Ausstattung der Veterinär- und Untersuchungsämter wird das nicht gehen.


Beispiel 4: Die Planungen das Institut für Epidemiologie des Friedrich - Loeffler – Instituts (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit) vom vergleichsweise zentral gelegenen Standort Wusterhausen/Dosse in Autobahn- und Berlinnähe auf die Ostseeinsel Riems vor Greifwald zu verlagern, ist eine Fehlentscheidung. Sicher, virtuell kann man die Tierseuchenentwicklung weltweit auch von dort beobachten und beurteilen. Aber die epidemiologische Ermittlungsarbeit und die praxisnahe Erarbeitung und Prüfung von wissenschaftlich begründeten Bekämpfungsstrategien sind auf kurze Wege zu den Orten des Geschehens und zu den Entscheidungsträgern angewiesen. Das Institut hat von Wusterhausen/Dosse aus seit 1985 sehr wichtige internationale Beiträge zur Strategieentwicklung in der Tierseuchenbekämpfung geliefert. Ob das am neuen Standort so bliebe, ist mindestens fraglich. Der Vorgang ist auch deshalb absurd, weil es bei der Standortschließung vor allem um Personalabbau geht. Dafür wird die Leistungs- und Funktionsfähigkeit dieses Spitzenforschungsinstituts aufs Spiel gesetzt. Statt einer kostspieligen Verlegung an die Peripherie des Landes wäre eine Verbesserung der Personal- und Sachausstattung in Wusterhausen effizienter und würde der aktuellen Tierseuchenbekämpfung größeren Nutzen bringen.

 

Beispiel 5: Auch bei der Lebensmittelkontrolle klafft der wachsende öffentliche Anspruch und die sich verschlechternde finanzielle und personelle Ausstattung immer weiter auseinander. Dabei haben „Gammelfleisch“, „Dönerskandal“, „Analogkäse“, Fleischimitate und Pestizidbelastungen die Alarmglocken schrillen lassen. Und weitere Aufgaben kommen hinzu: neue Kennzeichnungen wie „ohne Gentechnik“, „artgerechte Tierproduktion“ oder „geschützte regionale Herkunft“ brauchen effektive Kontrollen sollen sie Sinn haben. Nur: wer wird das leisten und wer soll es letztlich bezahlen?

Ohne Aufstockung an Personal und Ausstattung werden die wachsenden öffentlichen Aufgaben nicht bewältigt werden können. Dieses wachsende Aufgabenfeld des öffentlichen Veterinärdienstes muss ein wichtiges politisches Anliegen in der kommenden Legislatur auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sein.

Die Finanzierung dieser Aufgaben kann aber auch nicht allein staatlichen Behörden überlassen werden. Die Markbeteiligten müssen ähnlich dem Biobereich einen eigenen Beitrag leisten. Betriebliche Qualitätsmanagementsysteme und staatliche Kontrollen effektiv miteinander zu verbinden wäre eine interessante Aufgabe, die politisch gelöst werden muss.

Fazit: Veterinär- und Untersuchungsämter sind Sparzwängen in den meisten Landkreisen und Bundesländern unterworfen. Dabei geht die Schere zwischen wachsenden Ansprüchen von Politik und Gesellschaft auf der einen Seite und dem, was dort noch leistbar ist, auf der anderen immer weiter auseinander. Dass die Ämter dennoch ein hohes öffentliches Vertrauen genießen, ist nur dem großen Engagement der Beschäftigten zu danken, die entstehende Lücken immer wieder schließen. Aber wie lange geht das noch gut? Und ist es hinnehmbar, dass sich der Staat darauf derart selbstverständlich verlässt?