Netz-Rekommunalisierung soll erschwert werden

Bis 2016 laufen in Deutschland rund 2000 Konzessionsverträge für lokale Stromnetze aus und werden von den Kommunen neu vergeben. DIE LINKE würde sich wünschen, dass immer öfter die Gemeinden und ihre Stadtwerke zum Zug kommen. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wäre dies nach EU-Konzessionsrichtlinie durch freie Vergabe ohne Ausschreibung möglich (In-house-Vergabe). Schließlich ist der Sinn des Selbstverwaltungsprinzips ja gerade, die eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Aber es braucht eine klarere gesetzliche Vorgabe, die die Entscheidung nicht den Gerichten überlässt, wie dies momentan der Fall ist. Nunmehr hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einen Referentenentwurf zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vorgelegt. Darin hat es sich allerdings gegen die In-house-Vergabe entschieden. Es will einen "Wettbewerb um die Netze", die Kommunen können dabei nur ein Bewerber unter anderen sein - und werden wohl häufig verlieren.

Der Ansatz des BMWi ist nicht nur ein Angriff gegen die kommunale Selbstverwaltung. Er verkennt auch die besondere Rolle, die Stadtwerke in der Energiewende einnehmen können. Denn die Rekommunalisierung von Energienetzen hat viele Vorteile: Sie erleichtert die Umsetzung örtlicher integrierter Klimaschutzkonzepte und steigert die örtlichen und regionalen Wertschöpfungspotenziale. Von Versorgungsnetzen in kommunaler Hand würden auch insbesondere der dringend notwendige Ausbau von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-Anlagen) und ihr systemdienlicher Einsatz profitieren. Denn die Verbindung von Strom- und Wärmemarkt wird gerade auf kommunaler Ebene ein zentrales Element des künftigen Stromsystems. Mit ihr kann flexibel ein Ausgleich zur schwankenden Einspeisung von Ökostrom geschaffen werden. Zudem wird das Verteilnetz zunehmend Träger moderner Kommunikation zur Steuerung von Erzeugungsanlagen und Nachfrage (Smart Grids). Ferner ist damit zu rechnen, dass im nächsten Jahrzehnt auch Power-to-Gas-Anlagen Bestandteil des Energiesystems sind, die überschüssigen Ökostrom zu brennbaren Gasen verwandelt. Alles Infrastruktur und Geschäfte, die gut innerhalb eines Gemeindegebiets gemanagt werden können. Dort, wo die Netze in einer Hand liegen, werden folglich erhebliche Synergien eintreten. Diese werden sich für die Energiewende wie für die Wirtschaftlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen gleichermaßen auszahlen.

Die LINKE sieht in der Rückeroberung der Netze deshalb einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer innovativen Form von Stadtwerk. Wir denken an ein Stadtwerk, das sich neben dem Betrieb des Netzes für den Ausbau der Erneuerbaren engagiert, das die Kraft-Wärme-Kopplung voran treibt, das Sozialtarife möglich macht und ins Energieeinspargeschäft einsteigt. Dieser Weg könnte aber durch das Verbot der In-house-Vergabe künftig weitgehend verbaut sein - zum Nutzen von Energiekonzernen, die sich gerade neue Geschäftsfelder suchen. Wodurch wird dies passieren?

Durch den Gesetzentwurf sollten die Gemeinden bei den Ausschreibungen für die Konzessionen „die Belange der örtlichen Gemeinschaft bei der Auswahl des Unternehmens stärker Rechnung“ tragen können, schreibt die Bundesregierung. Im nächsten Satz schränkt sie dies aber gleich wieder drastisch ein - und verweist dabei wörtlich auf Forderungen der Linksfraktion im Bundestag:

„Nicht aufgegriffen wird die von kommunaler Seite und zuletzt von der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/3745) vorgebrachte Forderung, von einem vergabeähnlichen Verfahren gänzlich absehen zu können und eine direkte In-House-Vergabe von der Gemeinde an ein kommunales Unternehmen zuzulassen. Der in § 46 EnWG angelegte ‚Wettbewerb um das Netz‘ ist zwingend aufrecht zu erhalten. Dieser ist kein Selbstzweck, er dient dazu, die in § 1 Absatz 1 EnWG normierten Ziele, die im Interesse des Allgemeinwohls liegen, zu erreichen.“

Die Ziele, und damit Auswahlkriterien des § 1 Absatz 1 EnWG sind „Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz, Umweltverträglichkeit sowie die zunehmend auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung“. Das klingt erst einmal gut. Der vor einigen Jahren von der Privatisierungslobby der Union geschickt ins Gesetz gedrückte Verweis auf diesen Passus bei Ausschreibungen hat aber dazu geführt, dass darüber hinausgehende kommunale bzw. soziale Belange oder die Vorteile integrierter Energiekonzepte in Ausschreibungen lediglich deutlich weniger stark berücksichtigt werden dürfen. So haben jedenfalls einige Gerichte in der Vergangenheit bei der Auslegung des EnWG geurteilt und damit die Systemvorteile der Kommunen im Ausschreibungswettbewerb unterdrückt. Zu den infolge der bestehenden Rechtslage gescheiterten Rekommunalisierungen gehören z. B. das Vorhaben der schleswig-holsteinischen Gemeinde Heiligenhafen, die den Betrieb ihres Stromnetzes durch einen Eigenbetrieb von der Schleswig-Holstein Netz AG übernehmen wollte, an der u. a. der Energiekonzern Eon beteiligt ist. Gleiches gilt z. B. für ein gemeinsames Rekommunalisierungsvorhaben von 36 schleswig-holsteinischen Gemeinden der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin, für das gemeinsame Rekommunalisierungsvorhaben der bayerischen Gemeinden Gauting, Krailing und Planeg, die Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn im niedersächsischen Landkreis Leer sowie die nordrhein-westfälischen Gemeinden Meschede, Bestwig und Olsberg. In anderen Fällen ist es wegen Rechtsstreitigkeiten zu Verzögerungen gekommen. Die baden-württembergische Gemeinde Titisee-Neustadt lässt die gegenwärtige Praxis von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur nunmehr durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen. Die EnWG-Novelle soll nun durch den erneuten Verweis auf § 1 Absatz 1 EnWG sowie durch die Gesetzesbegründung alle Unklarheiten beseitigen - und die In-house-Vergabe endgültig beerdigen.

Aber haben die Gemeinden über die kreative Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens nicht dennoch einen Spielraum, zum Zuge zu kommen? Zumal es der Gesetzeswortlaut nun zulässt, „auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Vergabe von Wegenutzungsrechten zu berücksichtigen“? Das wird eher schwierig, denn dieser Spielraum ist eng. Er soll laut Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht dazu führen, dass "ein Rabatt auf die Auswahlkriterien des § 1 " gegeben wird.“ Das BMWi unterstreicht: „Der in § 46 EnWG verankerte Wettbewerb 'um das Netz' darf nicht zur Disposition stehen". In der Begründung auf Seite 21 oben lässt sich dann auch der enge Spielraum für die Berücksichtigung von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ ablesen. Bei ihnen geht es im Wesentlichen nur um

  • die Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes, die berücksichtigt werden können (logisch, das war nie anders, denn diese Bedingungen, wie Netzstärken und -längen sowie Knotenpunkte und Trafos, sind überall anders),
  • darum, dass Vorgaben zur Koordinierung von Baumaßnahmen gemacht werden können, und
  • darum, dass die höchstmögliche Konzessionsabgabe verlangt werden kann.

Auch der Umweg über die Ziele des § 1 Absatz 1 EnWG wird den Gemeinden nicht viel bringen, um die besonderen Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen in der Energiewende als Zuschlagsargument für die Gemeinde anzuführen. Zwar sind hier, wie oben erläutert, neben Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit und Verbraucherfreundlichkeit, auch Effizienz, Umweltverträglichkeit sowie die zunehmend auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung als Kriterien aufgeführt. Die Begründung verweist aber auf die Formulierung in Absatz 4 Satz 2, die die besondere Bedeutung der "Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz für die Allgemeinheit" herausstellt. Weisen Private also nach, bei gleicher Zuverlässigkeit billiger zu sein, bekommen sie den Zuschlag. Damit dürften spannende kommunale Konzepte für integrierte Energiesysteme unter dem Dach der Kommune (Stromerzeugung / Verteilung / Betrieb von Wärme- und Stromspeichern / Lastmanagement / Energiedienstleistungen und -beratung/ soziale Stromtarife für Einkommensschwache und sozial abgefederte Gebäudesanierung etc.) in Ausschreibungen kaum als Argument herhalten können, die Netze an die Gemeinde fallen zu lassen.

Unter dem Strich ist dies ein Schlag gegen die kommunale Selbstverwaltung und gegen die Energiewende gleichermaßen. Das wird leider auch nicht dadurch aufgewogen, dass sich mit dem Gesetzentwurf in weiteren Regelungen eine erhöhte Rechtssicherheit für die Kommunen bezüglich der Pflichten von bisherigen Konzessionsnehmern beim Auslaufen von Konzessionsverträgen ergibt.