Fürs Klima, nicht gegen die Mieter

Ein Rückblick auf das LINKEN-Fachgespräch zu Klimaschutz und sozialverträglicher Gebäudesanierung

FG_Gebudesanierung_-_Draufsicht_-_DSC04367_-_webRund 40 Interessierte nahmen an der Expertenanhörung der Bundestagsfraktion DIE LINKE zur sozialverträglichen energetischen Gebäudesanierung teil, die am 26. Mai 2011 im Bundestag stattfand. Über viereinhalb Stunden wurde lebhaft, und teilweise kontrovers diskutiert. Worum ging's?

Fast alle Referenten bestätigten in ihren Vorträgen, dass die energetische Sanierung sehr teuer werden wird. Lediglich Sanierungen der Gebäudehülle und von Heizungsanlagen in Häusern, welche vor den ersten Vorschriften zur Gebäudedämmung Ende der Siebziger Jahre errichtet wurden, könnten kostengünstig durchgeführt werden. Der Grund: Die Energiekosteneinsparungen bei den vormals sehr schlecht gedämmten Häusern mit altertümlichen Heizanlagen sind so erheblich, dass sie an die Umlagekosten der Sanierung heranreichen.

Für neuere Gebäude scheint eine solche „Warmmietenneutralität“ energetischer Sanierungen dagegen eine Fiktion zu sein. Die Einsparungen an Heizkosten lägen deutlich unter einem Euro pro Quadratmeter, die auf die Kaltmiete umlagefähigen Kosten jedoch eher bei zweieinhalb oder drei Euro, so die Vortragenden – für die Mieterinnen und Mieter ein klares Minusgeschäft. Doch Mietexplosionen infolge von Klimaschutzmaßnahmen seien sozial kaum tragbar. Wenn Mieterinnen und Mieter des untersten Einkommens-Fünftels jetzt schon rund 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Miete aufbringen müssten – und darin seien die Heizkosten noch nicht mal enthalten – dann sei Wohnen für Viele schon jetzt – also ohne energetische Sanierung – eine existentiell teure Angelegenheit.

P1000666_-_InternetWie hoch die Kosten genau sein werden, hänge vor allem davon ab, ob die energetische Sanierung in den „natürlichen“ Sanierungszyklus fällt oder nicht. Denn im ersten Fall könne verhindert werden, dass funktionstüchtige Gebäudeteile herausgerissen werden müssten, etwa noch längst nicht defekte Fenster oder schadlose Wände. Ansonsten ließen sich bei einer eigenständigen Wärmesanierung die so genannten „Sowieso-Kosten“ nicht von den Zusatzkosten der energetischen Sanierung abziehen. Umgekehrt ausgedrückt: Wer gezwungen sei, sein Haus außerhalb des natürlichen Sanierungszyklusses energetisch fit zu machen, erzeugt volks- und betriebswirtschaftlich Zusatzkosten. Die dahinter stehenden Aufwendungen für Material und Arbeit seien im Übrigen nicht nur aus sozialer Sicht, sondern auch aus der des Ressourcenschutzes (und selbst aus energetischer Sicht) fraglich.

Diskutiert wurde auch die Frage, bis zu welchem Sanierungsgrad Sanierungen ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind. Ab wann etwa wäre es an einem konkreten Objekt interessanter, stärker auf die Wärmeversorgung mit regenerativen Energien zu setzen, als darauf, noch ein paar Joule Wärmeverlust zu verhindern. Thematisiert wurden dabei unter anderem  Möglichkeiten des Einsatzes von Blockheizkraftwerken sowie Hindernisse für deren Einsatz. Letztere haben auf Grund ihres sehr hohen Wirkungsgrades niedrige CO2 -Vermeidungskosten. Ihre Einführung scheitert aber nicht selten am so genannten „Vermieter-Mieter-Dilemma“ oder an juristischen Fallstricken - genauso wie manch andere Innovation zur Energieeinsparung im Gebäudebereich.

FG_Gebudesanierung_-_Podium_-_DSC04381_-_webDie meisten Experten begrüßten grundsätzlich das Ziel der Bundessregierung, im Sinne des Klimaschutzes den Energieverbrauch in Gebäuden bis 2050 auf nahezu Null zu senken. Einige deuteten jedoch an, es wäre sinnvoller, dieses Ziel bis nach 2050 zu strecken, um in den natürlichen Sanierungszyklus rutschen zu können. Vorschläge gingen auch dahin, lieber im Ausland preiswert Klimaschutz zu betreiben, als hierzulande hohe Kosten bei der Gebäudesanierung in Kauf zu nehmen. So ließen sich die CO2-Vermeidungskosten senken. Beiden Ansätzen wurde von anderen TeilnehmerInnen aus Klimaschutzsicht widersprochen, da der Gebäudesektor in Deutschland einer der größten Energieverbraucher sei.

FG_Gebudesanierung_-_Einzel_-_DSC04379_-_webÜbereinstimmend wurde festgestellt, dass die Sanierungsstrategie der Bundessregierung keine Antwort dafür hat, wie eine überbordende Belastung von Mieterinnen und Mieter zu verhindern wäre. Auf jeden Fall müssten erhebliche finanzielle Mittel bereit gestellt werden, um eine Mietexplosion zu vermeiden. Die VertreterInnnen der Linksfraktion sowie des Deutschen Mieterbundes machten konkrete Vorschläge, wie das Mietrecht und die öffentliche Förderung energetischer Sanierungen zu reformieren seien, um eine kalte Entmietung einkommensschwacher Haushalte verhindern zu können.

 

Welche Schlussfolgerungen wurden gezogen, welche Vorschläge wurden gemacht?

1.      Strategien für den Gebäudesektor müssen langfristig und verlässlich sein, damit nicht ständig „nachsaniert“ werden muss, was funktionierende Gebäudeteile unnötig entwertet.

2.      Energetische Sanierungen müssen soweit wie möglich in den natürlichen Sanierungszyklus integriert werden.

3.      Wird aus Gründen des forcierten Klimaschutzes von den natürlichen Sanierungszyklen abgewichen, erzeugt dies Zusatzkosten, die von der öffentlichen Hand abgefangen werden müssen, um rasante Kostenexplosionen bei Mieten und im selbst genutzten Wohneigentum zu verhindern. Kostenschätzungen zu Folge liegt der Bedarf hier bei mindestens 2 Mrd. Euro pro Jahr kurzfristig und bis zu 5 Mrd. Euro jährlich mittel- und langfristig.

4.      Es müssen offensiv technische und organisatorische Möglichkeiten zur Kostensenkung genutzt werden, z.B.:

  • Standardisierung von Sanierungsleistungen um ein kostensenkendes Massengeschäft anzukurbeln;
  • Preiskontrollen in der Dämmstoffbranche, um mögliche Kartellabsprachen auszuschließen;
  • sinnvoller Einsatz von BHKWs und regenerativer Wärme als Kostensenkungstreiber bei der Klimasanierung im Gebäudebereich forcieren, rechtliche Hürden dafür beseitigen;
  • den Flickenteppich im Bereich der Beratung von Hauseigentümern und MieterInnen überwinden;
  • die Forschung im Baubereich stärker auf Sanierungen konzentrieren.

5.      Das Mietrecht so zu reformieren, dass unverhältnismäßige Mietsteigerungen vor dem Hintergrund energetischer Sanierungen ausgeschlossen werden.

Lesen Sie die Vorträge der ExpertInnen.

Um den Überblick zu behalten, gucken Sie sich den Ablauf an.

Interessant: Neues Positionspapier der Klima-Allianz zur Gebäudesanierung.