Plötzlich aufgetauchte Protokolle

Walter Kühne ist Jurist und eigentlich Beauftragter der Bundesregierung im Gorleben Untersuchungsausschuss des Bundestages. Dort sitzt er normalerweise auf der Beobachterbank mit den anderen Ministeriumsvertretern, wenn die Zeugen zu Gorleben vernommen werden. Doch am 8. März saß Kühne nun bereits zum zweiten Mal auf der Zeugenbank und sollte erklären, wie er dazu kam, seinen ehemaligen Kollegen aus dem BMU, Dr. Matting, auf seine Zeugenvernehmung vorzubereiten, obwohl er selbst noch nicht aus dem Zeugenstand entlassen war. Ausgelöst worden war dieser Skandal dadurch, dass bei der ersten Vernehmung von Kühne am 19. Januar ein Schriftstück mit handschriftlichen Anmerkungen von Kühnes Vorgesetztem Dr. Matting nicht deutlich lesbar war.

Während fast alle Ausschussmitglieder die Notiz so verstanden, Kühne solle den Vorgang aus den Akten nehmen, stellte die CDU plötzlich fest, es könne auch heißen „aus den Akten suchen“. Um dies zu klären und um seine eigene Handschrift dem Untersuchungsausschuss vorzulesen, war Dr. Matting am vergangenen Donnerstag geladen worden. Doch zu dieser Frage kam es gar nicht mehr, denn nachdem Matting zugegeben hatte, dass Kühne ihn intensiv mündlich und schriftlich auf seine Vernehmung vorbereitet hatte, schlugen die Wellen hoch. So wurde nun Kühne noch einmal vorgeladen, um ihn zu diesem Sachverhalt zu hören.

Kühne gab unumwunden zu, er habe sich an jenem Tag verpflichtet gefühlt, seinem Kollegen Dr. Matting dies mitzuteilen, weil er die Wahrheit sagen wollte. „Ich habe Herrn Matting dann gesagt, dass ich dort nicht ‚nehmen‘, sondern ‚suchen‘ gelesen habe.“ Er habe sich nachträglich einen besser lesbaren Scan-Ausdruck dieses Schriftstücks besorgt und diesen auch Matting gegeben. Den Vorhalt der Grünen, dass er, Kühne, damit dem Zeugen Matting eine unvoreingenommene Entzifferung seiner eigenen Schrift unmöglich gemacht habe, wollte er nicht gelten lassen. „Matting kennt doch seine Schrift am Besten“, argumentierte er.

Doch viel mehr, als die Fragen zum handschriftlichen Vermerk, beschäftigte den Ausschuss an diesem Donnerstag die Frage nach den plötzlich aufgetauchten Protokollen der Gespräche zwischen den damaligen Ministern Rexrodt (Wirtschaft), Merkel (Umwelt) und der Atomindustrie. Eines dieser Protokolle hatte der Zeuge Matting vergangene Woche in seinen Unterlagen, obwohl es dem Untersuchungsausschuss - trotz monatelanger Suche auf allen Ebenen - noch nicht vorlag. Und dieses Protokoll hatte Matting just bei der Vorbereitung vom Kollegen Kühne erhalten.

Auf die Frage von Dorothée Menzner, wann und von wem er denn die GNS-Akte bekommen habe, antwortet Kühne, er habe sie beim Sekretariat angefordert, sei aber nicht sicher, ob er sie in den Fingern hatte. Er habe die Protokolle Matting als reine Gedächtnisstütze gegeben, weil er gesehen hatte, dass Matting auf der Teilnehmerliste stand. Doch Kühne wollte dem Untersuchungsausschuss diese Unterlagen nicht vorenthalten, er ging vielmehr davon aus, dass dieser bereits im Besitz der Protokolle war.

Aber Kühne stand auch unter Druck von oben. „Mir war schon klar, nach diesem Vorfall letzte Woche, dass in der Hausleitung ein großes Interesse bestand, zu erfahren, was vorgefallen ist. Ich habe dies aus meiner Sicht beschrieben. […] Dieser Sachverhalt ist Inhalt einer Vorlage geworden, die nach oben geleitet wurde.“ Da die direkte Vorgesetzte von Kühne und Matting seit längerem erkrankt ist und der Abteilungsleiter Hennenhöfer selbst auch als Zeuge benannt ist, bemühte sich Kühne, diesen Namen unter allen Umständen zu vermeiden. Auch die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann fragte Kühne intensiv nach der Arbeitsteilung in der Zeit nach seiner Benennung als Zeuge. Erst schien es, als habe Kühne ganz allein entschieden, die Zuständigkeit für den Untersuchungsausschuss beizubehalten und lediglich nicht mehr an den Sitzungen teilzunehmen. Auf die Fragen von Lühmann, „Wer ist wir?“ und „Was wusste die Hausleitung?“, gab Kühne schließlich doch zu: “Da der Abteilungsleiter (Hennenhöfer, d. Verf.) selbst als Zeuge benannt ist, kann er höchstens abgezeichnet haben." Entschieden habe vermutlich der Staatssekretär. Auf die Frage, ob er keine Probleme mit dieser Aufteilung gehabt habe, meinte Kühne, „bis letzten Freitag nicht!“

Ein richtiges Schuld- und Problembewusstsein scheint zu dieser Frage der Kumpanei unter Zeugen weder bei Kühne, noch im Ministerium vorhanden zu sein. Die Gespräche und Absprachen wären normal, der Zeuge sei nicht beeinflusst und die Weitergabe von Akten, die dem Ausschuss noch nicht vorlagen, wäre bedauerlich. Die Abgeordneten der Opposition waren zum Teil sehr überrascht über diese Dreistigkeit. Eine juristische Bewertung müssen aber wohl andere vornehmen.

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