Netzausbau: Darf's ein bisschen mehr sein?

Im Zuge des Energiepakets verabschiedete die Bundesregierung letzte Woche auch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABeG). Unbestritten ist, dass die Netze zur Integration Erneuerbarer Energien angepasst werden müssen.  Die Vorstellungen davon, wie diese Anpassung geschehen soll, liegen dagegen weit auseinander. Die Bundesregierung lehnt sich an die Studie der Deutschen Energieagentur an und kommt so auf einen Ausbaubedarf von 3.600 km. Andere Studien gelangen mit leicht geänderten Annahmen auf nur 500 km Ausbaubedarf. Die sogenannte dena II Netzstudie ist dabei nicht frei von Lobbyinteressen, im Gegenteil: sie wurde zusammen mit den vier Netzbetreibern und anderen Unternehmensverbänden erstellt.

In der Bundestags-Anhörung zum Gesetz am 27. Juni 2011 wurde über diese Übernahme der dena II-Zahlen in die Planung der Bundesregierung gestritten. Prof. Christian von Hirschhausen von der TU Berlin kritisierte die dena II Netzstudie als Grundlage des NABeG scharf: Dena II sei rein betriebswirtschaftlich angelegt – gerade im Bereich der Stromversorgung brauche man aber eine gesamtwirtschaftliche, klima- und energieorientierte Betrachtung. Zudem rechnet dena II nur bis zum Jahr 2020, was der dynamischen Entwicklung bei den Erneuerbaren Energien nicht gerecht werden kann. Längerfristige Ziele oder der längerfristige Nutzen des alternativen Leitungsbaus fließen so nicht in die Betrachtung mit ein. Auch die Integration ins europäische Netz wird bei dena II vernachlässigt. Das sind alles Punkte, die den Netzausbaubedarf verringern könnten. Sie werden bei dena II komplett ausgeblendet. Zwar gibt es auch in dena II Berechnungen des Netzausbaubedarfs bei Verwendung alternativer Stromleitungstechniken wie Hochtemperaturseile (TAL). Diese werden jedoch verworfen, da der Einsatz „nicht wirtschaftlich“ sei, obwohl der flächendeckende Einsatz der TAL den Netzausbaubedarf auch in dena II nahezu halbiert.

Die Bundesregierung selbst gibt in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Johanna Voß (MdB, DIE LINKE.) zu, dass die dena II-Netzstudie nicht auf die Integration Erneuerbarer Energien ausgerichtet ist. Trotzdem plant sie weiter mit den dena II-Zahlen. Selbst Zahlen aus Studien, die das Wirtschaftsministerium selbst in Auftrag gegeben hat, können den Glauben der Bundesregierung an einen hohen Netzausbaubedarf nicht erschüttern: Die Studie von consentec/r2b energy consulting errechnet einen Netzausbaubedarf von 500 Stromkreiskilometern bei einem Erneuerbare-Energien-Anteil von 40% im Jahr 2020 (zum Vergleich dena II: 39% 2020). Die Bundesregierung und consentec erklären diesen Unterschied übereinstimmend mit unterschiedlichen Grundannahmen der Studien. Während dena II vor allem auf einen Anstieg der zentralen Erneuerbaren Energien wie Offshore-Windparks setzt, geht die consentec-Studie von einem höheren Anteil dezentraler Erneuerbarer Energien (Onshore-Windräder, Photovoltaik) aus. Sie rechnet zudem die Grenzkuppelleitungen mit ein, die bis 2020 fertig gestellt sein sollen - und bezieht damit die Integration ins Europäische Netz stärker ein als dena II. Die Studie wird daher auch von der Bundesregierung nicht als fehlerhaft bezeichnet. Sie lässt lediglich Annahmen, die den Netzausbaubedarf verringern, nicht von vornherein außen vor, wie das bei dena II der Fall ist. Nichtsdestotrotz weigert die Bundesregierung sich, diese Erkenntnisse in ihre Planung mit einzubeziehen und legt im NABeG einen Netzausbaubedarf von 3.600 km zu Grunde.

Die Bundesnetzagentur kündigte in der Anhörung zum NABeG an, eine neue Studie zum Netzausbaubedarf in Auftrag zu geben. Diese Studie ist dringend nötig. Dort müssen endlich den Netzausbaubedarf verringernde Alternativen wie Hochtemperaturseile und Hochspannungsgleichstromleitungen (HGÜ) eine Rolle spielen. Die Studie muss unbedingt für jeden nachvollziehbare Berechnungen enthalten. Die Energiekonzerne dürfen sich nicht länger auf Geschäftsgeheimnisse berufen und müssen endlich ihre Daten veröffentlichen. Netzbetreiber, die an jedem Netzkilometer verdienen, dürfen nicht für die Ermittlung des Netzausbaubedarfs verantwortlich sein. Dann gehören auch interessengeleitete Studien wie dena II der Vergangenheit an.

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