Ramschware: CO2-Preis fällt unter 10 Euro

Der Preis für CO2-Zertifikate im Europäischen Emissionshandelssystem (EHS) fällt ins bodenlose. Seit Monaten sinkt er, am 1. November hat er die Grenze von 10 Euro je Tonne unterschritten. Wurde früher mit über 30 Euro je EUA (European Allowances) gerechnet, stellte sich spätestens im Frühjahr 2010 heraus, dass die Gesamtmenge der Zertifikate in der Periode 2008 bis 2012 erneut zu großzügig bemessen wurde. Jedenfalls dafür, Investitionsanreize in Energiespartechnologien anzuregen. Denn die Emissionsrechte werden zusehends Ramschware. Hauptgrund ist der krisenbedingte Wirtschaftseinbruch ab 2009.

Die nun ungenutzten CO2-Rechte in Höhe von EU-weit rund 1,4 Milliarden Tonnen CO2 werden auch in der neuen Handelsperiode ab 2013 ein Problem sein, denn sie dorthin sind übertragbar. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard warb deshalb bereits in der F.A.Z. vom 10. März 2011 für Überlegungen der Kommission zur Reduzierung der Emissionsrechte. Es gehe nicht darum, „die Obergrenze der Emissionen durch die Hintertür stärker zu deckeln, sondern auf kosteneffiziente Art und Weise das Ziel zu erreichen“, bis 2020 die Energieeffizienz um zwanzig Prozent zu verbessern“. Ohne eine Verringerung der Emissionsrechte würden Energieeinsparungen eines Unternehmens über eine Minderung der Nachfrage zu einem Preisverfall führen, wodurch bei anderen Unternehmen – wenn überhaupt – sehr wenig Energie eingespart werde, so die Kommissarin. Die Bundesrepublik scheint an einer Stilllegung allerdings wenig Interesse zu haben. Auf mehrere parlamentarische Anfragen der Linksfraktion im Bundestag dazu antwortete sie nur ausweichend oder gar nicht.

Die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion die LINKE im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, fordert die Bundesregierung auf, endlich Stellung zur in der EU-Kommission debattierten Stilllegung von Emissionsrechten zu beziehen. „Schließlich soll nach Auffassung der EU und der Bundesregierung der Emissionshandel das Hauptinstrument der Klimaschutzpolitik sein“. Deshalb müssten aus solch einem drastischen Preisverfall Konsequenzen gezogen werden. „Bundeskanzlerin Merkel und Umweltminister Röttgen müssen in Brüssel für eine Stilllegung streiten der 1,4 Mrd. Emissionsrechte streiten. Am besten dadurch, dass gleichzeitig das bedingungslose Minderungsziel der EU für Treibhausgase von minus 20 auf minus 30 Prozent gegenüber 1990 verschärft wird“, so die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundstages. Eine solche Verknüpfung hatte auch die EU-Kommission als mögliche Option in genannter Mitteilung vorgeschlagen.

Nachdem sich der EUA-Preis im Mai 2011 noch bei 16 bis 18 Euro bewegt hatte, platze am 23. Juni 2011 die Preisblase. Die Überausstattung des Systems mit Zertifikaten wurde vom Markt antizipiert. Seit dem ist der Preis im Sinkflug – und er wird weiter sinken. "Wenn wir nicht bald etwas dagegen tun, erleben wir einen Kollaps des Emissionshandelssystems", meint ein anonymen Sprecher aus der Kommission, welcher in der Nachrichtenagentur Reuters zitiert wurde. Interne Studien sollen den zu erwartenden Preisverfall auf 50 Prozent bis 100 Prozent beziffern.

Die EU-Kommission thematisierte die Überausstattung in einer Mitteilung bereits im Mai 2010 (KOM(2010) 265). In der Mitteilung wurde auch das erste Mal offiziell zur Debatte gestellt, die Auktionsmenge für die Handelsperiode 2013 bis 2020 um den entsprechenden Betrag zu verringern. Die Kommission schätzte, dass infolge der Wirtschaftskrise die Unternehmen 5 bis 8 Prozent ihrer Zertifikate aus dem Verpflichtungszeitraum 2008 bis 2012 in die dritte Phase des EHS von 2013 bis 2020 übertragen können. In der Folgeeinschätzung wurde prognostiziert, dass der CO2-Handelspreis im Jahr 2020 infolgedessen von vormals geschätzten 32 Euro je Tonne CO2 auf 16 Euro je Tonne CO2 fallen wird (einschließlich Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien zur Erfüllung des 20-Prozent-Ziels, jedoch ohne Nutzung internationaler Gutschriften). Dieses Niveau wurde  nun bereits gestern unterschritten.

Im Mai diesen Jahres war die Überausstattung zudem ein Thema der so genannten „Klima-Roadmap“ der Kommission. Dort wurde festgestellt, dass bei der Verwirklichung des 20-Prozent-Energieeffizienz-Ziels die Kommission beobachten müsse, wie Maßnahmen in der Energieeffizienz und Emissionshandelssystem zusammenspielen. Das EHS solle Anreize bieten, mit denen Investitionen in die Verringerung des CO2-Ausstoßes belohnt und die Emissionshandelssektoren auf künftig notwendige Investitionen vorbereitet werden. „Diesbezüglich müssen geeignete Maßnahmen geprüft werden, einschließlich der Stilllegung einer entsprechenden Zahl von Zertifikaten aus dem im Zeitraum von 2013 bis 2020 zu versteigernden Teil“, so die Kommissionsmitteilung. Dies würde auch gewährleisten, dass sowohl die Sektoren, die unter das Emissionshandelssystem fallen, als auch die übrigen Sektoren kostengünstig zum Energieeffizienzziel beitragen.

Siehe auch Artikel "Schweigen zur Stillen Reserve"

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