Späte Genugtuung

Nach dreißig Jahren findet ein Wissenschaftler im Gorleben-Untersuchungsausschuss endlich Gehör. Seine Messergebnisse waren seinerzeit nicht gewollt, weil sie dem Salzstock Gorleben ein schlechtes Zeugnis ausstellten. 

Aus einem faltigen Gesicht blicken einen tief liegende freundliche Augen an. Vor dem Untersuchungsausschuss Gorleben sagte gestern ein älterer, von schwerer Krankheit gezeichneter Herr aus. Doch seiner Rede war nichts von seinem gebrechlichen Zustand anzumerken, er sprach in klaren, deutlichen Worten und ließ sich durch Fragen aus den Reihen der CDU, die ihn verunsichern sollten, nicht beeindrucken, sondern antwortete lächelnd und freundlich.

 

Für Heinz Nickel ist mit seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss ein  lang gehegter Wunsch auf Gehör in Erfüllung gegangen. Denn seine Forschungsergebnisse aus Anfang der 1980er Jahre waren unterdrückt und der Öffentlichkeit vorenthalten worden. In einem Polit-Magazin hatte er vor einer Woche von Zensur gesprochen, denn noch 1991 war ein Aufsatz von ihm ohne Rücksprache in einem Geologischen Jahrbuch verfälscht abgedruckt worden.

Unreines Steinsalz

Nickel hatte durch ein durch ihn selbst entwickeltes spezielles Messverfahren, das er zwischen den Schachtvorbohrungen Go 5001 und Go 5002 in Gorleben einsetzte, ermittelt, dass das Gestein zwischen den geplanten Schächten „zechsteinuntypisch“ oder „elektrisch untypisch“ sei – und zwar in einer Form wie Nickel sie noch nie bei Salzstöcken angetroffen hatte. „In Gorleben war offensichtlich die Häufung von Inhomogenitäten im älteren Steinsalz wesentlich größer als üblich“, so Nickel. Und die Erfahrung, was im Kalibergbau üblich ist, die hat kaum ein anderer. Nickel kennt sie alle, die Salzstöcke, in denen Kalibergbau betrieben wurde. „Mehr Kenntnisse über den Kalibergbau dürfte kaum jemand in der Bundesanstalt besitzen,“ wagte Nickel zu behaupten. Als Diplom-Physiker war Nickel seit 1958 bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beschäftigt.

Für Geologen auf der Suche nach einem Atommülllager sind Nickels Messwerte von 1982 eine äußerst schlechte Nachricht, denn sie verweisen auf unreines, inhomogenes, zerklüftetes Salz – auch wenn sie keine Aussagen treffen über die Gesamtheit des Salzstocks. Solche Verunreinigungen im Salz können eine Atommüllagerstätte untauglich machen, denn sie bieten im Zweifel Wegsamkeiten für Radionuklide. Die Langzeitsicherheit ist dann unter Umständen nicht mehr gewährleistet.

Unerwünschte Messwerte

Vor allem waren solche Messwerte zu diesem Zeitpunkt unerwünscht: Anfang der achtziger Jahre stand eine Kabinettsentscheidung zur untertägigen Erkundung Gorlebens an. Erst als die Entscheidung getroffen war, flossen Nickels Messwerte in einen internen Bericht der DBE ein, der dann nur noch für eine spezialisierte Fachwelt interessant war.

Die vorangegangene Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. Michael Langer war gänzlich unergiebig. Der frühere Kollege von Nickel bei der BGR hatte wenig zum Untersuchungsauftrag beizutragen, war weder an der Erstellung des PTB-Zwischenberichts von 1983 beteiligt, noch bei wichtigen Gesprächen zugegen. Trotzdem ließ es sich die Koalition, die ihn geladen hatte, nicht nehmen, ihn stundenlang zu befragen, auch dann noch als Langer sichtlich erschöpft wirkte. Der Zeuge Detlef Appel schließlich, dessen Vernehmung  erst um 18.50 Uhr beginnen konnte, musste um 20.30 Uhr unterbrochen werden, weil er zum Zug musste. Seine Vernehmung wird zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt fortgesetzt.

 „Ich habe im Bergbau nie Angst gehabt“, hatte Nickel gegen Ende seiner Vernehmung noch erklärt, „nicht in Südafrika in dreitausend Meter tiefen Goldminen und auch nicht im 1.200 Meter tiefen Kalibergwerken.“ Doch in Gorleben, mit all den Laugenvorkommen und Gaseinschlüssen im Rücken würde er niemals arbeiten wollen. „Dann würde ich lieber meinen Beruf wechseln.“ Nickel hält die Arbeit in Gorleben für eine latente Gefahr, es könne hier zu einem Ausbruch kommen, den niemand vorhersehen kann, so Nickel. Auch ohne hochradioaktiven Müll. 

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