Das Erfurter Programm und die Mühen der Ebene

Ein Essay von Dr. Annemarie Kersten.

Nach gründlicher Diskussion konnte im Erfurter Programm die unbedingte Einheit von sozialen Zielen und Zielen, die der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen dienen, festgeschrieben werden.Damit wurde programmatisch festgehalten, was den aktuellen Erfordernissen entsprach und dem bereits bei Marx definierten Prinzip der Nachhaltigkeit entspricht.

Das ist für die Brandenburger Linke keine unbekannte Zielstellung. Auf der Sozialökologischen Konferenz 2003 haben wir das in die These gegossen: „Zukunftsfähigkeit geht nur sozial und ökologisch oder gar nicht.“ In der Konsequenz dieser politischen Zielstellung haben wir in Bürgerinitiativen, die sich für diese Ziele einsetzten immer an vorderster Stelle mitgewirkt. Sei es gegen den Transrapid, gegen den überdimensionierten Havelausbau , für die friedliche Nutzung des ehemaligen Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide oder bei der Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“.

Doch schon bei der letztgenannten Volksinitiative zeigte sich, dass die Forderung Soziales und Ökologisches zusammen zu denken nicht so einfach umzusetzen ist. In der Braunkohleverstromung arbeiten tausende Menschen, die lebenslang ihren Lebensunterhalt damit verdient haben und Tätigkeiten verrichten, für die sie ausgebildet wurden. Andererseits bedeutet ein Festhalten an der Braunkohleverstromung weiteres Vernichten von Sorbenland, Belastung des Landeswasserhaushaltes - die Verockerung der Spree ist ein neues, ganz aktuelles Problem - und CO2-Emission in Größenordnung.

Nicht von jedem wird die Aussage in der Energiestrategie, die federführend vom Wirtschaftsministerium unter Leitung von Ralf Christoffers (DIE LINKE) erarbeitet wurde, geteilt. Dort ist festgelegt, wenn im Jahre 2020 nicht die Grundlast aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann, muß ein neuer Tagebau erschlossen werden. Ist DIE LINKE als Mitglied der Landesregierung umgekippt? Der Koalitionspartner hält die Braunkohleverstromung noch für unverzichtbar.

Noch härter kommt es beim Volksbegehren für ein Nachtflugverbot. DIE LINKE in Brandenburg hat aus eigener Erfahrung in ihrer Regierungsbeteiligung erreicht, dass die Quoren und Bedingungen für Bürgerbeteiligungen herabgesetzt wurden und zum ersten Mal war in Brandenburg ein Volksbegehren mit über 100.000 Unterschriften erfolgreich. Ein Sieg auch für DIE LINKE?

Auch hier ist die Angelegenheit wesentlich komplizierter. Eine Einschränkung des Flugverkehrs ist ein Gebot der Nachhaltigkeit nicht nur wegen der ungeheuren CO2-Emissionen die damit verbunden sind. Aus den Erfahrungen von Leipzig- Schkeuditz weiß man, das nachts Transportmaschinen Kriegsgerät nach Afghanistan und in andere Krisengebiete bringen. Auch werden leichtverderbliche Güter wie Erdbeeren zur Weihnachtszeit aus Andalusien, Rosen aus Kolumbien u.a. nachts hergebracht. Diese Transporte aus der Sicht der Nachhaltigkeit gründlicher zu bewerten, erfordert ein extra Kapitel.

Die Initiatoren des Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot, wie es auch landesweit propagiert wurde haben dieses mit einer 2. Forderung verbunden. Zum Ausgleich sollte an anderer Stelle in Brandenburg eine weitere Möglichkeit zum Fliegen Tag und Nacht geschaffen werden. Diese Forderung hat die Mehrheit der Menschen in Brandenburg gar nicht zur Kenntnis genommen und wurde öffentlich von den Initiatoren auch nicht deutlich gemacht .Das hat nun gar nichts mehr mit Nachhaltigkeit und solidarischem Verhalten zu tun. Die SPD und die Landtagsfraktion DIE LINKE lehnen deshalb das Ergebnis des Volksbegehrens ab. Auch mit der Begründung, dass ein Nachtflugverbot an einem Flughafen ungeheure wirtschaftliche Nachteile bringt, wenn es nicht bundesweit erfolgt. Das ist ein Argument, das man nicht von der Hand weisen kann. Muß aber nun dieser aus vielen Gründen unglaublich teuerer Flughafen, der das Ergebnis einer SPD-CDU-Wirtschaftspoltik ist, seine Wirtschaftlichkeit durch Nachtflüge auf Kosten der vielen im Umfeld wohnenden Einwohnerinnen und Einwohner beweisen?

Wie nun heraus aus dem Dilemma? – Nicht indem man seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, sondern das mit so eindeutigem Ergebnis gelaufene Volksbegehren als Druckmittel bundesweit nutzen. Fachleute sagen, Einzellösungen sind machbar. Und auch in Frankfurt (Main) und München regt sich Widerstand. Nur mit Mut zum Handeln kann man die Welt verändern, das hat die Geschichte schon immer bewiesen. …Und diese Welt hat es nötig.

Dr. Annemarie Kersten ist Mitglied und war lange Jahre die Sprecherin der LAG Umwelt im Landesverband Brandenburg der Partei DIE LINKE.

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