Hessische Agrarpolitik von LINKS

Rede von Marjana Schott, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag zu:Regierungserklärung der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz betreffend „Hessische Landwirtschaft in die Zukunft führen – leistungsstark, vielfältig, nachhaltig“ 01.04.2014

Es gilt das gesprochene Wort  

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, Frau Ministerin,

Sie sprechen hier in wohlklingenden Worten von der hessischen Landwirtschaft und wie Sie sie fördern wollen. Sie sagen, Sie wollen unsere Standards nicht immer weiter senken, um andere Länder zu unterbieten. Sie möchten verhindern, das konventionelle und ökologische Landwirtschaft „gegeneinander ausgespielt“ werden. Sie wenden sich – was ich einen ganz wichtigen Punkt finde – gegen eine „ungehemmte Wachstumsspirale“. Sie setzen sich ein für höhere Produktionsstandards und einen starken Schutz unserer natürlichen Ressourcen.

Wer das möchte – meine Damen und Herren – der muss sich auch und gerade in einer Regierungserklärung zur Landwirtschaft ausdrücklich gegen das Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP stellen! Wer nicht möchte, dass   Genmais, Klon- und Hormonfleisch sowie Milch von mit gentechnisch erzeugten Wachstumshormonen und gedopten Turbo- Kühen auf den Markt kommen, muss TTIP ablehnen. Weder Bäuerinnen, Bauern noch Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa bringt TTIP einen Vorteil. Für gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es in den USA weder ein durchgängiges und stringentes Zulassungsverfahren noch eine Kennzeichnungspflicht. Das Handelsabkommen öffnet die Türen für Agrar-Exportschlachten. Europäische Bauern gerieten noch mehr unter Wettbewerbsdruck. US-Exporteure würden verstärkt mit Soja- und Milchprodukten auf den EU-Markt drängen und unsere Bemühungen, Soja durch einheimische Futterpflanzen zu   ersetzen, zunichtemachen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrer Rede beschrieben haben, Frau Ministerin! Unter dem Freihandelsabkommen würde die kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft noch mehr leiden als unter dem ohnehin schon gewaltigen Druck der Globalisierung auf den Agrarmärkten.

Wenn es möglich wird, dass Agrokonzerne über die sogenannten Schiedsgerichte die Zulassung von gentechnisch verändertem Saatgut in Europa einklagen können, weil ihr Nichtanbau ein Wettbewerbsnachteil darstelle, dann können Sie alle Ihre   Aussagen zu einer gentechnikfreien hessischen Landwirtschaft in die Tonne treten – Frau Ministerin! Nutzen Sie die Mehrheit der Grünen Agrarministerinnen und Agrarminister. Stelle Sie sich ganz klar gegen das Freihandelsabkommen TTIP. 

Sie haben die Agrarministerkonferenz in Cottbus angesprochen, Frau Ministerin. Neben Hessen stehen aktuell in fünf weiteren Bundesländern grüne Politiker_innen dem Landwirtschafts-Ressort vor. Die Union kommt nur noch auf vier   Landwirtschaftsminister, die SPD auf drei. Grüne und SPD stellen damit auf Bundesebene doppelt so viel Landwirtschaftsministerinnen und Landwirtschaftsminister wie die Union. Die Dominanz einer unionsgeführten konservativen Landwirtschaftspolitik ist vorbei. Mit dieser Mehrheit auf Bundesebene - meine Damen und Herren - kann man die Agrarpolitik in Deutschland entscheidend verändern. Es lässt sich eine ökologische, sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaftpolitik spätestens über den Bundesrat durchsetzen. Das erste klare Signal der Agrarministerkonferenz muss lauten: Transatlantisches Handelsabkommen TTIP stoppen. Wenn Sie ihre Regierungserklärung auch nur halbwegs ernst nehmen - Frau Ministerin Hinz - müssen Sie sich morgen in Cottbus für den Stopp von TTIP einsetzen.

Kommen wir zu der Entwicklung ländlicher Räume, welches ein Dauerthema ist, und Grünen wie Linken sicher gleichermaßen am Herzen liegt. Es stellen sich folgende Fragen: wie sollen die  ländlichen Räume wieder attraktiver werden? Wie sollen gerade die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe wieder eine berufliche Perspektive bieten? Wie sollen junge  Menschen sich für die Landwirtschaft begeistern, wenn der Lohn nicht stimmt, das Betriebsrisiko nicht abgesichert ist und die Altersversorgung prekär ist? Dazu gibt es nicht einen Vorschlag in der Regierungserklärung! Kein anderer Beruf ist enger, geradezu zwingend mit den ländlichen Räumen verbunden, wie der der Landwirtin und des Landwirtes. Wenn wir die bäuerliche Landwirtschaft stärken wollen, müssen wir für mehr als nur eine Grundversorgung, wir müssen für eine Infrastruktur aller Art im ländlichen Raum Sorge tragen. Viele Betriebe werden in den nächsten Jahren Nachfolger_innen suchen. Das werden oft nicht die eigenen Kinder sein. Um das Höfesterben zu verhindern, braucht es Strukturen, die für junge Landwirte und vor allem auch Landwirtinnen attraktiv sind. Bei aller Liebe zum Beruf werden sie Regionen ohne eine Kita, ohne Schule, ohne ÖPNV, ohne Arztversorgung und Hebammen, ohne den Pflegedienst, der bei der Versorgung der Eltern hilft, nicht auswählen, um sich nieder zu lassen. Deshalb, Frau Ministerin, darf man nicht davon reden, die hessische Landwirtschaft in die Zukunft führen zu wollen ohne einen Satz über die Infrastruktur auf dem Land zu verlieren. Sie aber tun das. So kann man aber nicht ernsthaft über die Entwicklung ländlicher Räume sprechen. Für uns Linke zeigt das einmal mehr, dass die Grünen Ökologie können (oder eher wollen können), auf dem sozialen Auge aber blind sind. Mindestlohn und GeschlechtergerechtigkeitIm Koalitionsvertrag ist nachzulesen, dass die schwarz-grüne Landesregierung für eine „multifunktional ausgerichtete Landwirtschaft“ stehe, „die gute Arbeitsplätze und Einkommen im ländlichen Raum erhält.“ [Z. 1014] Schöner Satz, aber offenbar steckt nicht viel dahinter. In jetzt bereits zwei hessischen Regierungserklärungen gibt es nicht ein Bekenntnis der Landesregierung zum Mindestlohn - meine Damen und Herren. Ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn in der Agrarbranche kommt spät, aber immerhin.

Wer „gute Arbeitsplätze und Einkommen“ in ländlichen Räumen erhalten will, muss sich zum Mindestlohn bekennen – meine Damen und Herren! Gute Arbeit auch in der Landwirtschaft steht für DIE LINKE ganz oben auf der Tagesordnung. Dabei bedürfen die Arbeitsbedingungen für Frauen in der Landwirtschaft ganz besonders der Verbesserung. Überall auf der Welt bekommen Frauen für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld als Männer. An gleiches Geld für gleichwertige Arbeit ist erst Recht nicht zu denken. In der EU liegen die Einkommensunterschiede durchschnittlich bei 17 Prozent. Deutschland gehört mit 22 Prozent seit Jahren zu den Schlusslichtern. In ländlichen Räumen ist die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern mit durchschnittlich 33 Prozent noch größer. Das gefährdet den sozialen Frieden, aber auch die Einkommenssicherheit von Familien. Und es demotiviert die Frauen, in ihrem Dorf zu bleiben. Wer will schon für ein „Taschengeld“ arbeiten. Zumal sich aus der aktuellen Lohnlücke perspektivisch eine Sicherungslücke im Alter aufbaut – und zwar von bis zu 68 Prozent. Altersarmut ist die Folge. Gerade im Rahmen der Neugestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) hätte die reale Chance bestanden, über die formale Gleichbehandlung hinaus wirklich etwas für die Gleichstellung der Geschlechter in der Landwirtschaft zu erreichen. Auch diese Chance scheint vertan. Obwohl in der Landwirtschaft 38 Prozent aller Arbeitskräfte weiblich sind, werden nur sechs Prozent der Agrarbetriebe von Frauen geleitet. Deshalb müssen Förderprogramme die Perspektiven für Frauen in ländlichen Räumen verbessern. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Frauen gleiche Bezahlung sichern, ihnen mehr Verantwortung in den Betrieben ermöglichen und die Rückkehr aus familienbedingter Teilzeitarbeit in die Vollbeschäftigung ermöglicht. Die Bewilligung von Projekten - auch in Hessen - muss an wirksame Effekte zur Gleichstellung gebunden werden. Die Einhaltung bestehender Tarifverträge und ein gesetzlicher Mindestlohn als Lohnuntergrenze müssen als Fördervoraussetzungen festgeschrieben werden. So kann man strukturell etwas verändern, Frau Ministerin. 

Darüber hinaus muss die landwirtschaftliche Sozialversicherung reformiert werden. Kein Wort davon in der Regierungserklärung der Ministerin. DIE LINKE ist für die Überführung der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung in die allgemeinen gesetzlichen Systeme und für die Abschaffung der „Hofabgabeklausel“ in der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Wenn es in der Familie keine Nachfolge gibt, muss ein Bauer seinen Hof verkaufen, der oft schon über Generationen im Familienbesitz ist, damit er eine Armutsrente bekommt. Ich finde, das ist eine staatlich angeordnete Enteignung und wird den Strukturwandel allerhöchstens beschleunigen. „Beratungsangebote zur Hofübergabe“, wie Sie sie anbieten wollen, Frau Ministerin, reichen nicht. Auch das ist ein Thema für die Agrarministerkonferenz: Treten Sie dafür ein, Frau Ministerin, dass auf Bundesebene die anachronistische Hofabgabeklausel in der bestehenden Form abgeschafft wird. In der Agrarpolitik geht es bereits seit Jahren um existenzsichernde Einkommen aus landwirtschaftlicher Arbeit. Dafür will DIE LINKE kostendeckende Erzeuger- und bezahlbare Verbraucherpreise. Das geht mit einer fairen Marktordnung mit fairer Gewinnverteilung in der Wertschöpfungskette. Die Marketinggesellschaft „GUTES AUS HESSEN“ war in diesem Punkt bis dato wenig hilfreich.

Eine Grundvoraussetzung dafür und für die ländliche Entwicklung überhaupt sind die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden – meine Damen und Herren. Auch dazu kein Wort der Ministerin. Aktuell werden Lebensmittel und Landwirtschaftsflächen immer öfter zu Spekulationsobjekten auf einem deregulierten Weltagrarmarkt. Deshalb ist es eine Schlüsselaufgabe der Agrarpolitik, eine flächendeckende, nachhaltige Landwirtschaft mit einer vielfältigen Agrar-Struktur und breiten Eigentumsstreuung in den Händen der regionalen Akteur/innen zu sichern. DIE LINKE will die breite soziale Streuung des Grundeigentums in Hessen erhalten, das private Kleineigentum, das genossenschaftliche und das öffentliche Eigentum vor dem Ausverkauf schützen. Wir müssen Hemmnisse beseitigen, die einer noch erfolgreicheren Entwicklung der Agrargenossenschaften entgegenstehen, zumal diese Rechtsform den Vorrang der Menschen vor dem Kapital festschreibt. Dazu gehören z.B. die mangelnde Vermittlung des Genossenschaftsprinzips in der Berufsausbildung oder die ungünstigeren Finanzierungsmöglichkeiten für Genossenschaften. Genossenschaften müssen im Landwirtschafts- und Steuerrecht besser gestellt werden als bisher (z.B. Körperschaftssteuer). Nachteile der Genossenschaften gegenüber anderen Gesellschaftsformen müssen verringert werden. Auch zu dieser Problematik fehlt jedweder Hinweis in der Regierungserklärung.

Im Folgenden möchte ich zu einigen eher originär „grünen Themen“ kommen – meine Damen und Herren. Klimaschutz in der LandwirtschaftAls erstes der Klimaschutz in der Landwirtschaft: Landwirtschaft ist beim Klimawandel Teil des Problems und Teil der Lösung zugleich. Der hohe Energieeinsatz in der konventionellen Landwirtschaft, Methanausgasungen und Humusverlust beschleunigen den Klimawandel. Durch sparsameren Energieeinsatz und unter Berücksichtigung der bereits erprobten klimaschonenden Anbaumethoden wie im ökologischen Landbau kann die Landwirtschaft aber zum Klimaschutz beitragen. Vor allem dann, wenn es gelingt landwirtschaftliche Böden über eine Humusanreicherung zu CO2–Senken zu machen. In Ihrer Rede Frau Ministerin taucht der Klimaschutz – eigentlich eine Domäne Grüner Umweltpolitik - nur zwischen den Zeilen auf. Dazu ist es aber zu wichtig, denn auch die Landwirtschaft muss zur Vermeidung einer Klimaerwärmung über das „2-Grad-Ziel“ hinaus einen Beitrag leisten.

Ich möchte konkreter werden: Klimabilanz für Hessen! Was wir brauchen, ist eine wissenschaftlich belastbare Klimabilanz landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Hessen. Darauf aufbauend kann eine Strategie für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft erarbeitet werden. In eine solche Rechnung ist die gesamte Wertschöpfungskette einzubeziehen. Das beginnt aus Sicht der Linksfraktion bei der Produktion von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln, geht über Acker, Stall und Ladentheke bis zum Teller oder Tank. Das schließt auch Ferneffekte ein, z. B. die Rodung von Wäldern zur Landgewinnung für neue Plantagen, auf denen Futtermittel oder Energiepflanzen angebaut werden sowie Effekte durch Lebensmittelverschwendung. Darüber hinaus muss auch die eingesetzte fossile Energie für landwirtschaftliche Maschinen und Transportfahrzeuge, für Lagerung und Kühlung bis zur Verarbeitung und dem Handel von Lebensmitteln eingerechnet werden. Gleiches gilt für die Futtermittel-, Agroenergie- oder Biomasseproduktion. Die Förderung eines Umstiegs auf die Nutzung regional erzeugter reiner Pflanzenkraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft ist sinnvoll. Mittelfristig gesehen muss die Steuerrückerstattung für Agrardiesel komplett gestrichen werden. Besonders klimaschonende Produktionsverfahren sollten als ökologische Leistungen anerkannt und honoriert werden, beispielsweise extensive Dauergrünlandnutzung. So etwas umzusetzen erwarten wir auch von der Hessischen Landesregierung und von einer Grünen Ministerin allemal. Grundsätzlich sollten alle Umweltfolgekosten aus Gründen einer gerechten Verursacherbeteiligung in den Preis einbezogen, internalisiert werden. Solche Kosten zu vergesellschaften - z.B. durch öffentlich finanzierte Klimaanpassungsmaßnahmen - und gleichzeitig Gewinne zu privatisieren, so wie es auch bei Kali und Salz geschieht, lehnen wir kategorisch ab.

Zweitens Schutz der Honigbienen und der Imkerei in Hessen.Von Albert Einstein stammt die Aussage, wenn die Bienen verschwinden, habe die Menschheit nur noch vier Jahre zu leben. Tatsächlich ist die Bedeutung der Bestäubungsleistungen von Honigbienen und anderen Insekten für die Artenvielfalt, die Landwirtschaft und den Gartenbau nicht zu unterschätzen. Bienen werden oftmals als das wirtschaftlich drittwichtigste Nutztier nach Rindern und Schweinen bezeichnet. Die Imkerei hat nach wie vor mit vielen Problemen zu kämpfen, die von der letzten Landesregierung sträflich vernachlässigt wurden. Zu nennen sind die abnehmende biologische Vielfalt in den ländlichen Räumen, ausgeräumte Agrarlandschaften und das Fehlen von Brachflächen. Monokulturen und eingeschränkte Fruchtfolgen verstärken diese Defizite. Pestizide und chemisch behandeltes Saatgut können die Bienen beeinträchtigen. Im Frühsommer 2008 starben dadurch 11.500 Bienenvölker. Wer die Bienen schützen möchte, muss sich gegen bienengefährliche Pflanzenschutzmittel und speziell die Neonikotinoide einsetzen, so wie es die Bundestagsfraktionen von LINKE und Grüne vor einem Jahr im Bundestag getan haben. Sich für eine bienenfreundliche Landwirtschaft und über das Agrarumwelt- und Landschaftspflegeprogramm finanzierte Blühstreifen einzusetzen, wie es in der Regierungserklärung angekündigt wird, ist sicher eine gute Sache. Wenn das aber alles zum Schutz von Bienen und der Imkerei sein soll, ist das deutlich zu wenig.

Die Imkerei wird darüber hinaus durch die Agro-Gentechnik bedroht – meine Damen und Herren, was zu meinem dritten Thema überleitet. Bienen werden durch gentechnisch veränderte Pflanzen, die zu ihrem Schutz insektenschädliche Substanzen produzieren - so wie die Genmais-Sorte 1507 - beeinträchtigt. Honig wird durch den Eintrag von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen unverkäuflich. Deshalb müssen Saatgut und Äcker frei sein von gentechnisch veränderten Pflanzen auch unterhalb der 1 Prozentschwelle. Wer Bienen und die Imkerei schützen möchte, muss sich für die Nulltoleranz in der Grünen Gentechnik engagieren – notfalls auch gegen das Votum der Kanzlerin – Frau Ministerin. Die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen mehrheitlich Agro-Gentechnik ab und wollen sie nicht in Lebensmitteln. Der Schutz - nicht nur der gentechnikfreien Imkerei - ist also ein klarer gesellschaftlicher Auftrag an uns als Gesetzgeber. Auch das ein Thema für die grüne Mehrheit der Agrarminist_erinnen. Der Markt mit transgenen Pflanzen wird weltweit fast vollständig von wenigen großen Firmen beherrscht. Die Größten sind Monsanto, Syngenta, Bayer Crop Science, Dow Agro Science, DuPont/Pioneer und BASF Plant Sciene. Alleine Monsanto hat einen Marktanteil beim Saatgut (konventionell wie gentechnisch) von 27 Prozent, Dupont von 17 Prozent. Viele dieser Firmen kontrollieren gleichzeitig den globalen Markt für Pflanzenschutzmittel. Besonders lohnend ist es für die Unternehmen, genetisch verändertes Saatgut mit dem dazu passenden firmeneigenen Totalherbizid zu verkaufen. Auch die Genmais-Sorte 1507 von Pioneer, deren Zulassung in der EU aufgrund der Enthaltung der Bundesregierung immer noch droht, hat eine solche Resistenz gegen ein firmeneignes Herbizid. Bei den Agrarmultis klingelt dadurch die Kasse gleich doppelt. Wer etwa Sojasaatgut von Monsanto benutzt, muss auch das Pflanzenschutzmittel „Roundup“ einsetzen. Nach den transgenen Kulturpflanzen entsteht so ein neuer Markt für Herbizide, das eigentliche Wirtschaftsziel der Chemiegiganten. Eine Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) von 2013 hat in Urinproben aus 18 europäischen Ländern Glyphosat nachgewiesen. Glyphosat ist der Wirkstoff des Totalherbizids „Roundup“ von Monsanto. Deutschlands Verbraucher verzehren regelmäßig ohne ihr Wissen Fleisch, Eier, Käse oder Milch von mit Gensoja gefütterten Tieren. Schätzungsweise über 80 Prozent aller Soja-Importe für den deutschen Markt bestünden aus gentechnisch veränderten Bohnen, teilte die Umweltstiftung WWF in Berlin bereits 2012 mit. In Südamerika wird Urwald unwiderruflich vernichtet, die Existenz von Millionen von Kleinbauern zerstört und die Bevölkerung in den Sojaanbaugebieten mit Agrochemie vergiftet. Wir sind uns mit der Ministerin darüber einig, dass wir eine solche Agrarindusrtrie und den Einsatz dieser Produkte mit ihren vielfältig schädlichen Folgen nicht haben wollen. Dem „Netzwerk Gentechnik freie Regionen“ beizutreten, wie die Landesregierung es ankündigt, ist sicher gut. Dieser Schritt ist aber auch längst überfällig, er ist kostenfrei und er ist nicht mehr als Symbolpolitik - meine Damen und Herren.

Auch reicht es nicht aus den Anteil vom Ökolandbau in Hessen von zehn Prozent weiter fördern zu wollen. Dass die Zielmarke von 20 Pozent für den Ökolandbau aus dem Grünen-Wahlprogramm verschwunden ist, darüber möchte ich gar nicht sprechen. Eine Koalition braucht eben Kompromisse, die mit der CDU eben ein paar mehr – vielleicht auch ein paar zu viele. Stellen Sie klar, dass eine Vorerntebehandlung mit dem Unkrautvernichter Glyphosat keine gute landwirtschaftliche Praxis ist, Frau Ministerin. Sorgen Sie dafür, dass das eingestellt wird und arbeiten Sie mit ihren Amtskollegen_innen an einer kritischen Überprüfung des Glyphosateinsatzes und im Zweifel an dessen Verbot.Milchproduktion in Hessen.

Ich möchte zu meinem vierten Thema kommen: Die Milchproduktion in Hessen. Landwirtschaftliche Betriebe in Hessen arbeiten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. In Ihrer Rede Frau Ministerin wird nicht deutlich, dass es fast unmöglich ist, die Produktionsbedingungen beispielsweise von Milch in der Rhön mit denen von Wein im Rheingau zu vergleichen. Während wir in Nord- und Mittelhessen überwiegend kleine und mittlere Betriebe haben, die in einem hohen Maß von Familienmitgliedern bewirtschaftet werden, haben wir im Süden häufig arbeitsintensiven Obst- und Gemüseanbau, in dem Saisonkräfte beschäftigt werden. Die Einkommenssituation in Südhessen ist für landwirtschaftliche Betriebe trotz höherer Lohnkosten deutlich besser als in Nordhessen, da für Produkte wie Wein oder Spargel bessere Preise erzielt werden als für Milch. Im Rahmen der Studie „Was kostet die Erzeugung von Milch“ konnte für die Jahre 2009 bis zum Juli 2013 nachgewiesen werden, dass die Milcherzeugungsbetriebe bereits seit mehreren Jahren mit einer andauernden Unterdeckung der Milcherzeugungskosten konfrontiert sind. Für den Stand vom Oktober 2012 sind für Hessen 42,3 Cent ermittelt worden. Der Milchauszahlungspreis lag im Jahr 2012 dagegen durchschnittlich bei etwa 32,5 Cent. So verwundert es nicht, dass von 2005 bis 2012 fast jeder vierte Milchviehbetrieb in Deutschland aufgegeben hat. Die Zahl der Betriebe sank von 110.400 auf 84.900 und damit um 23 Prozent. In Süddeutschland ist der Milchkuhbestand weiter geschrumpft, wobei die Abnahmen in Baden-Württemberg und Hessen stärker ausgeprägt sind als in Bayern. Wie, Frau Ministerin, wollen Sie dieser Situation begegnen? Sie wollen die Zukunft der hessischen Betriebe nicht an den Schwankungen der Weltagrarmärkte festmachen. Wie das konkret aussehen soll, dazu sagen Sie nichts.

Kommen wir zu letzen fünften und letzten Thema, das ich behandelt haben möchte. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik und die Finanzierung in Hessen.Wir brauchen einen Richtungswechsel in der europäischen Agrarpolitik, darin waren wir uns mit den Grünen in den vergangenen Jahren immer einig. Nötig ist eine konsequentere Bindung der Agrar-Direktzahlungen aus Brüssel - der sogenannten 1. Säule - an soziale und ökologische Leistungen und eine Stärkung der 2. Säule für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und Ökologisierung der Landwirtschaft.Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) soll ein Instrument zur Sicherung der Ernährungssouveränität der Mitgliedsstaaten, der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen, erneuerbaren Energieträgern, der Honorierung von Umwelt- und Klimaleistungen sowie dem Erhalt und der Entwicklung von Kulturlandschaften sein. Die europäische Agrarpolitik muss gerechter, umweltverträglicher und sozialer werden - meine Damen und Herren. Das gilt auch nach den Neuverhandlungen im letzen Jahr. Eine weitere Aufgabe der landwirtschaftlichen Förderung durch die Europäische Union ist es, die ländlichen Räume auch für die Menschen lebenswert zu gestalten. DIE LINKE schlägt dazu vor, die Fördermittel für die Landwirtschaft stärker nicht nur an ökologische, sondern auch an soziale Leistungen zu binden. „Soziale Bindung“ heißt, die Zahl der Arbeitsplätze zu berücksichtigen. Das würde arbeitsintensiven, auch tierhaltenden Betrieben zugutekommen. Die Arbeitsprämie soll pro Arbeitskraft gezahlt werden. Die Arbeit muss bei lohnabhängig Beschäftigten selbstverständlich existenzsichernd sein und - wo vorhanden - nach dem nationalen Mindestlohn bezahlt werden. Das wollte auch die EU-Kommission so, mit der wir uns an der Stelle sehr einig waren. In Deutschland war DIE LINKE aber die einzige Partei, die eine solche Bindung will - meine Damen und Herren.Eine Verschiebung zu Gunsten der Entwicklung der ländlichen Räume und zur Honorierung ökologischer Leistungen der Landwirtschaft, wie Grundwasserschutz, Schutz der biologischen Vielfalt und Klimaschutz, lehnte die CDU bisher immer ab. In Hessen sind daher in der letzten Legislatur Gelder der Direktförderung, die nicht verbraucht wurden, nicht vollständig in die zweite Säule überführt worden. DIE LINKE begrüßt es sehr, dass das ab 2014 nicht wieder vorkommen soll. Höhere EU-Fördermittel für die Förderperiode vom 2014 bis 2022 bedeuten aber auch, dass das Land Hessen mehr Mittel zur Komplementärfinanzierung aufbringt muss. Wo soll das Geld bei gleichzeitigem Spardiktat durch die Schuldenbremse herkommen? Auch diesen Teil hat die Ministerin offen gelassen. Im Hessischen Haushalt sind für dieses Jahr Ausgaben für die Landwirtschaft von rund 44 Millionen Euro geplant. Den mit Abstand größten Posten macht das HIAP mit 50,1 Millionen Euro aus - davon trägt das Land 24,6 Millionen als Co-Finanzierung an Agrarförderung und das ist noch ohne die Steigerung durch die Neuordnung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Mit der alleinständigen Förderung der Landwirtschaft hat sich Hessen – ähnlich wie beim ÖPNV - bis dato sehr zurückgehalten. Ganze 7,1 Millionen Euro eigene Fördermittel sind für dieses Jahr im Haushalt angesetzt. Ohne die Gelder für die Landesgartenschau sind es nur noch 3,8 Millionen Euro. Das ist nicht nur mäßig, das ist schlecht. Viele der angekündigten Richtungsänderungen wird es ohne zusätzliche Finanzmittel nicht geben.Wir werden sehr genau hinschauen, wie sich die wohl gesetzten Worte der Ministerin in dem Nachtragshaushalt 2014 niederschlagen. Bereits dort wird sich zeigen, wie viele der Ankündigungen der Ministerin genau solche bleiben werden.

Abschließend möchte ich festhalten, dass die Darstellung der zukünftigen Landwirtschaftpolitik in erschreckender Weise über zentrale Probleme in Hessen einfach hinweggeht: Die Einkommen, Löhne, Alters- und Sozialversicherung in der Landwirtschaft spielen keine Rolle. Zu drängenden Umweltproblemen wie Klimaschutz, den Einsatz von Agrochemie oder Ausbreitung transgener Pflanzen gibt es – wenn überhaupt – kaum konkrete Vorschläge. Die Rhetorik ist grüner geworden. Aber wenn das wirklich Ihre Regierungspraxis wird – Frau Ministerin – wird die von den Grünen vor der Wahl angekündigte Agrarwende nicht mehr als eine programmatische Wende der Grünen werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

 

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