Nationale Gentech-Anbauverbote sind eine Mogelpackung

Am 12. Juni haben die EU-Umweltministerinnen und –minister darüber abgestimmt, wie zukünftig Anbauverbote von Gentech-Pflanzen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten erlassen werden können. Was sich aus gentechnikkritischer Sicht erst einmal gut anhören mag, ist aus Sicht der Linksfraktion alles andere als ein Schritt in die richtige Richtung. Die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, Dr. Kirsten Tackmann, bezeichnet die neue Regelung als eine „Mogelpackung“. Die neuen Regelungen nationaler Anbauverbote seien ein trojanisches Pferd, findet Tackmann. „Sie sollen die kritische Öffentlichkeit in einigen Mitgliedstaaten neutralisieren und gleichzeitig den Zulassungsprozess für die Gentech-Pflanzen beschleunigen“, so die Agrarexpertin weiter.

Aus Sicht der Linksfraktion ist der opt-out-Vorschlag nicht dazu geeignet, die gentechnikfreie Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Imkerei vor Verunreinigungen zu schützen. Stattdessen ist vielmehr zu befürchten, dass in Europa ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen entstehen wird. Dann kann es zur besagten Beschleunigung des Zulassungsprozesses kommen. Die Koexistenz zwischen Agro-Gentechnik-Anbau und gentechnikfreier Landwirtschaft bzw. Imkerei ist nicht möglich. Immer wieder kommt es zu Verunreinigungen. Schutzmaßnahmen sind aufwendig und teuer. Daher bedeutet die Regelungsvielfalt durch das „opt out“ ein zusätzliches Risiko. Die Kosten für Kontrolle und Vorsorge bleiben wieder an der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft hängen.

Im Einzelnen kritisieren wir am Verordnungsvorschlag 10271/14 mit welchem die Richtlinie 2001/18/EG geändert werden soll:

  • Im Artikel 26b Absatz 1 soll geregelt werden, dass der EU-Mitgliedstaat den Antragssteller (also Monsanto und Co) um eine Herausnahme seines Staatsgebietes ersuchen darf: Die Linksfraktion findet es unangemessen, dass der EU-Mitgliedstaat beim Antragsteller bitten muss anstatt sofort und frei entscheiden zu können. Der Verhandlungspartner eines souveränen Staates kann kein Unternehmen sein. Das gilt auch, wenn die EU-Kommission dazwischen geschaltet ist. Zudem entsteht mit dieser Regelung ein Erpressungspotenzial, das zu Zugeständnissen der Staaten jenseits parlamentarischer Kontrolle genutzt werden kann. Nebenabsprachen könnten dadurch begünstigt werden. Kirsten Tackmann sagt dazu: „Diese Regelung untergräbt die Demokratie, das Primat der Politik und steht in unheiliger Allianz zum Demokratieabbau mittels Investorenschutz-Klauseln und Schiedsgerichten im Rahmen der Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen.“
  • Im Artikel 26b Absatz 3 werden die Verbotsgründe aufgeführt, bspw. sozioökonomische Auswirkungen oder sogar „öffentliche Ordnung“: Die aufgeführten Gründe für ein nationales Anbauverbot sind zu den bisher vorgeschlagenen definitiv ein Fortschritt, denn bisher war strikt abgelehnt worden, sozio-ökonomische Kriterien in die Zulassung oder Anbaugenehmigung einzubeziehen. Das hat die Linksfraktion zusammen mit vielen Verbänden seit Jahren gefordert. Allerdings bezweifeln wir die Rechtssicherheit der Regelung, beispielsweise was den Grund „öffentliche Ordnung“ betrifft.
  • Im Artikel 26b Absatz 5 wird geregelt, dass nach einer erfolgten Zulassung einer Gentech-Pflanze frühestens nach zwei Jahren ein Antrag auf Anbauverbot gestellt werden kann, wenn dies nicht bereits während des Zulassungsverfahrens gemacht wurde: Wir halten eine Frist von zwei Jahren für zu lange. Sollte es in diesem Zeitraum zu einer anderen politischen Bewertung kommen, muss der Mitgliedstaat entsprechend handeln dürfen. Beispielsweise könnte es ja zwischenzeitlich eine neue Bundesregierung geben, die einen gentechnikkritischeren Kurs fährt, als ihre Vorgänger.Grundsätzlich sehen wir nationale Anbauverbote deshalb kritisch, weil sie einerseits ein politischer Deal sind, mit dem die Zulassungsverfahren beschleunigt werden sollen und die Gefahr besteht, den Block bisher gentechnikkritischer EU-Mitgliedstaaten aufzuweichen. Andererseits wird die Forderung z. B. des Europäischen Parlaments, das Zulassungsverfahren endlich deutlich zu verbessern (Langzeitstudien, Transparenz des Verfahrens, unabhängige Studien, sozio-ökonomische Bewertungskriterien, gemeinsame Bewertung herbizidresistenter Pflanzen mit dem entsprechenden Herbizid etc.) mit der Erleichterung nationaler Anbauverbote ausgebremst. Damit können zwar Symptome behandelt, nicht aber die Krankheit geheilt werden.

Aus Sicht der Linksfraktion sollte es keine nationalen Anbauverbote sondern ein EU-weites Anbauverbot der Gentech-Pflanzen geben. Doch das dürfte angesichts der großen Mehrheit von EU-Mitgliedstaaten, die dem Vorschlag am 12. Juni zugestimmt hat (nur 2 enthielten sich der Stimme) in weiter Ferne liegen. Falls es allerdings zur entsprechenden Regelung kommen sollte, muss dies unbedingt für das ganze Bundesgebiet gelten. Der EU-Flickenteppich darf nicht noch weiter zergliedert werden, indem die Entscheidungsebene auf die Bundesländer herab delegiert wird.

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