Der „Jobmotor Flughafen“ stottert

Eine Auseinandersetzung mit Arbeitsplatzprognosen
von Hermann Schaus, MdL (Die LINKE) und Sabine Leidig, MdB (Die LINKE)
Beitrag für die Zeitschrift Lunapark21  Extra 03 „Globalisierung-Flugverkehr-Gegenwehr“, August 2010 (Übersicht zum Heft)

Am Beispiel des Frankfurter Flughafens lassen sich einige Nebelkerzen um das Arbeitplätze-Argument lichten. Beim Streit um den Ausbau des Airport Frankfurt (um den Bau der dritten Landebahn im Kelsterbacher Wald), war die Beschäftigungswirkung von Anfang an eine große Keule:

In den ersten euphorischen Aussagen des Flughafenbetreibers Fraport Ende der neunziger Jahre wurde noch von 90.000 weiteren Jobs auf dem Flughafengelände und doppelt  so viel außerhalb gesprochen. Der Begriff „Jobmaschine" wurde geprägt , um den Ausbaugegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Damit wurden höhere Lärmbelastung, die Einschränkung der baulichen Entwicklungsmöglichkeiten der umliegenden Städte und Gemeinden, oder der geplante Eingriff in den Bannwald gerechtfertigt. Aber die Gutachten, die Fraport im Rahmen des Mediationsverfahren (G 19.1 und G 19.2) in Auftrag geben musste,  kamen zu erheblich kleineren Zahlen:  40.000 neue Arbeitsplätze auf dem Flughafengelände und weitere 60.000 in der Region. Mit diesen insgesamt 100.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ging Fraport dann propagandistisch in das öffentliche Planfeststellungsverfahren.

Bei den Gewerkschaften gibt es Uneinigkeit über die Bewertung und es kam innerhalb des DGB Hessen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen von Befürwortern und Gegnern des Ausbaus, die 2006 mit einem salomonische sowohl-als-auch befriedet wurden.

Allerdings  hat die ver.di Hessen auf ihrem 1. ordentlichen Gewerkschaftstag im April 2003 unerwartet die klare Ablehnung des Flughafenausbaus beschlossen. Dies ist  erstaunlich, weil ver.di , als Verkehrsgewerkschaft, auch die Beschäftigten am und um den Frankfurter Flughafen organisiert. Im Beschluss heißt es: "Wenn der verheißene Fortschritt die Gesundheit der Menschen zerrüttet und ihre lebenswirtschaftlichen Interessen erstickt muss er verhindert werden. Das Arbeitsplatzargument für den weiteren Flughafenausbau wird dann zu einem tatsächlichen Totschlagsargument“. Darüber hinaus wurden die Mitglieder aufgerufen, "sich in Bündnissen und Bürgerinitiativen gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens einzusetzen“.

 

Kaum Gewinn für die Region

Mittlerweile wird utopische Zahl  von 100.000 neuen Arbeitsplätzen  selbst von den eifrigsten Befürwortern von CDU und FDP nicht mehr aufrechterhalten. Den erwarteten Beschäftigungszuwachs mussten sie abermals, nun auf insgesamt 40.000 Stellen, reduzieren. Aber auch das ist nicht haltbar: Das Rhein Main Institut (RMI) veröffentlichte am 30.04.2007 die Ergebnisse einer ausführlichen wissenschaftliche Überprüfung der Arbeitsplatzprognosen und stellt fest, dass diese  gravierende Mängel auf weisen. Die Studie stellt fest,  dass „ der Flughafen zu einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe bei(trägt)“ und „die Entstehung von Arbeitsplätzen durch den Betrieb eines vergrößerten Flughafens mit mehr Luftverkehr für das Rhein-Main-Gebiet insgesamt keine zusätzlichen Arbeitsplätze (bringt)“.

In der Zwischenzeit  werden auf dem Flughafen Rhein Main Stellen gestrichen und die  Arbeitsbedingungen verschlechtert. Auf der Jagd nach Marktanteilen und Gewinnen, wurde den Mitarbeitern von Fraport 2005 enorme tarifliche Verschlechterungen, wie längere Arbeitszeiten, Verzicht auf Urlaubstage oder Lohnerhöhungen abgerungen. Fraport gliedert Sicherheitsaufgaben in ihre eigene Tochtergesellschaft FraSec aus,  betreibt so Tarifflucht, oder nötigt gemeinsam mit der Lufthansa die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste zu erheblichem Lohnverzicht, um weiteren Ausgliederungen zu entgehen. Aus Protest gegen dieses Gebaren, erklärten DGB und ver.di, nach zehnjähriger Mitarbeit, ihren Austritt aus dem Forum Flughafen und Region (FFR). Diesem Schritt schloss sich auch die Landtagsfraktion der LINKEN an. Anlass war ein Beschluss des Aufsichtsrats zur Ausgliederung der Dienste, der gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Fraport, mit der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden, Finanzminister Karlheinz Weimar, gefällt wurde(einamlig in 30 Jahren).

In  ihrem Geschäftsbericht weist Fraport für 2009 einen deutlichen Rückgang der durchschnittlichen Zahl der Beschäftigten im Konzern aus: sie sank um 3.109 auf 19.970, was einem Rückgang von über 13% entspricht. Im Jahre 2007 waren es noch mehr als 30.000 gewesen. Bei solchen Zahlen zerplatzt das Argument vom Jobmotor Fraport wie eine Seifenblase!

Die derzeit neu entstehenden Einzelhandelsflächen im Neubaugebiet Gateway Gardens und in Airrail-Center werden Konkurrenz zum Einzelhandel der gesamten Rhein-Main-Region darstellen. Bei der Schaffung von Cargo-City-Süd versprach man 6.000 neue Arbeitsplätze im Speditionsgewerbe. Tatsächlich fand aber lediglich eine Verlagerung aus den Anrainergemeinden im Norden des Flughafens, in einer Größenordnung von 3.500 Arbeitsplätzen statt. Lediglich 500 Arbeitsplätze wurden seinerzeit neu geschaffen. Schon heute ist das Hauptgeschäft des Flughafenbetreibers Fraport nicht mehr der Vorfeldbetrieb der Start- und Landebahnen, sondern die Vermietung von Büros Einzelhandelsflächen, Hotels, Kinos, Restaurants und Freizeiteinrichtungen. Die Sogwirkung macht sich in der gesamten Region negativ bemerkbar.

 

Joblüge auch anderswo

 In ihrem Flughafenkonzept von 2008, behauptet die Bundesregierung, dass 850.000 Arbeitsplätze „direkt oder indirekt“ vom Luftverkehr abhängen. Sie stützt sich auf Arbeiten von Prof. Herbert Baum, der seit Jahrzehnten die höchsten Arbeitsplatzzahlen für Beschäftigte im Flugverkehr produziert . Er rechnet zusätzlich zu den direkt Beschäftigten auch indirekte Arbeitsplatzeffekte infolge von Aufträgen und Investitionen an Flughäfen und „induzierte“ Arbeitsplätze, die durch die Gehälter und die Kaufkraft der Beschäftigten geschaffen werden, außerdem so genannte „katalytische“  Arbeitsplätze, die es ohne den Luftverkehr nicht geben würde. So wird jeder reale Arbeitsplatz mit dem Faktor drei multipliziert.

Das o.g. Flughafenkonzept gibt die Zahl von 950 Arbeitsplätzen pro einer Million Fluggästen an. Allerdings waren an den deutschen Verkehrsflughäfen nach Auskunft der ADV (Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen) im Jahr 2006 knapp 35.000 MitarbeiterInnen beschäftigt. Diese Zahl umfasst auch Auszubildende, Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte. Pro einer Million Fluggäste sind das 185 (statt 950) Personen!

Staatliche Investitionen in die Schieneninfrastruktur schaffen zwei Drittel mehr Arbeitsplätze als der Bau von Autobahnen. Das haben Berechnungen der TU Wien ergeben. Gerechnet in Beschäftigtenjahren pro investierte Milliarde Euro kommt der Autobahnbau auf rund 10.000 Beschäftigte. Der Bau von Bahnhöfen schafft bei gleicher Investition rund 17.400 Arbeitsplätze, der Eisenbahnstreckenbau, Arbeiten im Bereich des ÖPNV und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung bringen es auf jeweils 16.000 Arbeitsplätze pro Milliarde Euro.  Für Flughafen(aus)bau steht der Vergleich aus. ´Der wäre aber notwendig, bevor die Arbeitsplatzkarte gezogen wird.  Immerhin gibt der Staat hunderte Millionen Euro aus, um deutsche Provinzflughäfen zu internationalen Airports hochzurüsten.

Zum Beispiel: Die Gemeinde Calden, die Stadt Kassel, der Landkreis und das Land Hessen lassen sich den Ausbau von  Kassel-Calden mehr als 150 Millionen Euro kosten. Hof-Plauen soll eine neue Landebahn bekommen, und dafür vom Land Bayern rund 30 Millionen Euro. Der ebenfalls geplante Ausbau des Airparks Allgäu in Memmingen dürfte den Freistaat bis zu 7,3 Millionen Euro kosten. In den Ausbau des ehemaligen sowjetischen Militärflughafens Cochstedt  hat das Land Sachsen-Anhalt nach der Wende rund 60 Millionen Euro investiert. Um den Flughafen Hahn im Hundsrück, der über 10 Jahre mit Landesmitteln gepäppelt wurde, sind rund 2.000 Arbeitsplätze entstanden.

Weil Profite aber die Ausnahme sind, werden Flughäfen oft vom Steuerzahler unterstützt. Für Unternehmensberater Booz Allen Hamilton birgt das Geschäftsmodell »ein hohes Risiko«. McKinsey erwartet »zunehmend gesättigte Märkte« für Ryanair und Co. Und die Boston Consulting Group glaubt, dass für viele Regionalflughäfen »die Rentabilität nicht gewährleistet« sei.

Es wäre sich nicht nur sinnvoller, sondern auch beschäftigungswirksamer, wenn öffentliche Mittel in nachhaltige, soziale und ökologische Projekte investiert würden, anstatt in den Standortwettbewerb um Betonpisten.

Denn die Jobmaschinen-Argumentation wird vor dem Hintergrund der absehbaren Endlichkeit der fossilen Rohstoffe gänzlich abwegig. Der Flugverkehr hängt vollständig an der Verfügbarkeit von billigem Erdöl. Die Möglichkeiten, auf andere Antriebsstoffe umzusteigen sind begrenzt (Agrotreibstoff), oder noch nicht entwickelt (Wasserstoff). Die OECD, das Deutsche Institut der Wirtschaft, die Amerikanische Energiebehörde, sie alle gehen davon aus, dass das Maximum der Ölförderung erreicht ist und in den kommenden zehn Jahren (Flug)Benzin erheblich viel teurer werden. Dann ist es vorbei mir der Billigfliegerei. Und wenn nicht vorher umgesteuert wird, stehen die meisten der Beschäftigten auf der Straße.

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