Dorothée Menzner in Japan: 19.02.2012: Provinz Fukui

Nach einer Nacht in einer kleinen Monteurspension machen wir uns früh auf den Weg zum Bahnhof. Hier wollen wir einen Aktivisten und eine Aktivistin treffen, die mit künstlerischen Aktionen ihren Protest untermauern. Mit Ihnen fahren wir die Küste entlang - ein landschaftlich traumhaftes Feriengebiet an der Westküste. An der einen Seite Meer, an der anderen steile Berge - windet sich die Straße an der Küste entlang. Unvermittelttaucht hinter einer Biegung eine Ansammlung von drei Reaktorblöcken auf. Weiter im Verlauf der Küstenstraße passieren wir ein Informationszentrum von Kepco, dem Betreiber von 11 Reaktoren in der Region. Die Architektur erinnert an ein unvermittelt gelandetes Ufo - nur Captain Kirk ist nicht zu Hause. Wir fahren weiter zu dem seit 2010 wieder in Betrieb befindlichen Schnellen Brüter. Zuvor war er nach einem schweren Unfall jahrelang abgeschaltet. Auch er steht in einer traumhaften Bucht. Die beiden Künstler nutzen den längeren Stopp für ein künstlerisches Happening, wir die Zeit, um mit ihnen und einem örtlichen Herrn, der seit Jahren im Anti- Atom Widerstand ist, Interviews zu führen. Danach geht es zu dem lokalen Aktivisten zum Mittagessen. Er betreibt einen Zeltplatz und macht naturkundliche Programme für Kinder und Familien. Im Sommer will er mit einer Delegation arbeitslos gewordener Atomarbeiter sowie Anti-AKW Aktivisten nach Deutschland kommen, um sich ein Bild zu machen, wie Atomausstieg bei uns funktioniert - oder auch nicht. Und um zu sehen, wie das mit den erneuerbaren Energien bei uns läuft. Ich sage meine Unterstützung für das Besuchsprogramm zu. Ein Naturfreundehaus auf japanisch.

Danach geht es zu einem shintoistischen Tempel in der Nähe. Der Tempel ist rund 1300 Jahre alt. Der leitende Priester hat uns eingeladen. Er leistet seit 40 Jahren Widerstand gegen Atomenergie und hat zumindest für seine Gemeinde erreicht, dass kein (ursprünglich geplanter) Reaktor realisiert wurde. Leute wie er erfahren inzwischen, nach dem Desaster von Fukushima, viel Zustimmung und Anerkennung in der Bevölkerung. Zwischenzeitlich sind rund 70% der Japaner für einen schnellstmöglichen Atomausstieg. In den Jahrzehnten davor wurden Menschen wie er eher verlacht und als Spinner abgetan.

Er empfängt uns in einem Audienzraum des Klosters. Klassisch auf Tatamimatten nehmen wir Platz. In der Mitte des Raumes brennt das Holzkohlenfeuer und spendet mäßig Wärme, während draußen die Schneeflocken fallen. Neben örtlichen Anti-AKW-Aktivisten hat er Medienvertreter eingeladen, die sehr zahlreich gekommen sind. Wir diskutieren die Fragen des Atomausstiegs und der Gründe, wieso jenseits des Risikos eines GAUs diese Technik grundsätzlich abzulehnen ist. Die Aktivisten und die Presse haben auch umfangreiche Fragen an mich. Der Wissensdurst ist immens, hat doch bis vor 11 Monaten die Gehirnwäsche FÜR die Atomtechnik nahezu hundertprozentig gewirkt und von daher besteht enormer Nachholbedarf an Wissen und Information - auch für die Medienvertreter.

Dass er und die anderen Aktivisten nun froh sind, über meinen Besuch mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, freut mich. Die Begegnung ist nicht nur wegen der Räumlichkeit beeindruckend, sondern alle Aktivisten und vor allem der Priester hinterlassen einen tiefen menschlichen Eindruck bei mir. Voll der vielfältigen Eindrücke des Tages machen wir uns auf den Weg nach Osaka.

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