Die Macht der Autoindustrie ist brüchig, aber nicht gebrochen

Ein Erster Blick auf den Verkehrsteil des Corona-Konjunkturpakets

Vorweg: Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 3.6. 2020 legen den Rahmen des größten Konjunkturpaketes in der Geschichte der Bundesrepublik fest. Grundsätzlich wird sich wohl nichts mehr ändern. Und doch wird am Ende der Bundestag entscheiden und es gibt noch einiges im Detail zu klären. Dabei lohnt es sich, für Verbesserungen zu kämpfen.

Die erste positive Nachricht war, dass es keine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor geben wird. Der Stimmungswandel in der Gesellschaft zu Klimaschutz und Autoindustrie zeigt endlich auch politisch Wirkung. Und doch darf dies nicht zu hoch gehängt werden: Der starke Einfluss der Autoindustrie zeigt sich allein schon in der Tatsache, dass eine ökonomisch, ökologisch und sozial völlig unsinnige Maßnahme überhaupt in der Diskussion war. Diese Forderung der Autolobby wurde von der Politik nicht einhellig und umgehend zurückgewiesen und sogar von einem grünen Ministerpräsidenten unterstützt.

Die pauschale Absenkung der Mehrwertsteuer beinhaltet nun eine Kaufprämie durch die Hintertür: Während die Kaufprämie für Verbrenner bis zu einem Listenpreis von 76.000 Euro vom Tisch ist, können Käufer eines solchen Wagens nun aber 2.280 Euro sparen, wenn die Mehrwertsteuersenkung komplett an die Verbraucher weitergegeben wird. Anders als bei der Kaufprämie ist dies nicht gedeckelt und der Zuschuss umso höher, je teurer das Auto. Sozial und ökologisch ist dies nicht.

Die Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos soll nun verstärkt auch Plug-In-Hybriden zu Gute kommen. Dabei zeichnet sich hier bereits die nächste Abgasschummelei der Autoindustrie ab. Soll die Prämie also auch für Autos fließen, die wegen des zusätzlichen Elektromotors und der Batterien mehr verbrauchen, wegen der rein elektrischen Reichweite von z.T. unter 20km und fehlender Ladesäulen aber ausschließlich als Verbrenner gefahren werden?

Die bisherige Kaufprämie für Elektroautos ist allemal hoch genug. Erstens hat die deutsche Autoindustrie hier Lieferprobleme, zweitens macht die mangelhafte Ladeinfrastruktur den Kauf unattraktiv und drittens brauchen wir nicht noch mehr Autos auf den Straßen. Die neue Sonderregelung für Dienstwagen ist auch völlig unverständlich (Begrenzung auf Nettolistenpreis bis 60.000 Euro statt ansonsten 40.000 Euro).

Sinnvoll ist hingegen der Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur - hoffentlich erfolgt dies aber nicht nach dem Gießkannenprinzip und möglichst in öffentlicher Hand.

In unserem Sinne ist die Reform der Kfz-Steuer für Neuwagen sowie das Flottenaustauschprogramme für Soziale Dienste und Handwerker und das Flotten-Modernisierungs-Programm für Busse und LKW. E-Autos sollten gezielt dort gefördert werden, wo sie viel genutzt werden, denn dies hat einen viel größeren Klimaschutzeffekt. Das Flottenerneuerungsprogramm 2020/21 für schwere Nutzfahrzeuge mit Euro VI-Norm ist aber überflüssig, weil diese Norm bereits etabliert ist. Dies ist daher eher ein verdecktes Subventionsprogramm für Spediteure und LKW-Hersteller.

VW & Co zahlen Milliardendividenden aus und haben viel Geld auf der hohen Kante. Das soll scheinbar nicht angetastet werden. Was vom Konjunkturpaket am Ende aber bei den von der Krise besonders hart betroffenen Zulieferbetrieben und deren Beschäftigten ankommt, ist fraglich. Vor allem fehlen zentrale Impulse für einen sozial-ökologischen Umbau, der die Jobs der Branche langfristig krisensicher machen würden.

Weitgehen unklar ist, wie und mit welchen Auflagen die zwei Milliarden Euro aus dem „Bonus-Programm“ für Zukunftsinvestitionen sowie Forschung und Entwicklung an Autokonzerne und Zulieferindustrie fließen sollen. Geht es nur um alternative Antriebe und den digitalen Wandel? Ist die Entwicklung autonom fahrende Elektro-SUVs damit förderfähig? Oder lässt sich hieraus noch ein Programm gestalten, das einen wirklich sozial-ökologischen Umbau von zumindest Teilen der Branche ermöglicht?

Es muss an dieser Stelle auch noch mal betont werden: Die Autoindustrie hat seit Jahren Absatzprobleme, sie hat den Umstieg auf Elektromobilität und kleinere, leichte Fahrzeuge weitgehend verschlafen und sich mit dem Abgasskandal und anderem nicht als verlässlicher Akteur ausgezeichnet. Eine klare, steuernde Hand der Politik, um die Branche ökologischer und krisenfester zu machen, wäre nötiger denn je.

Der Spiegel bezeichnet den verlorenen Kampf der Autolobby um die Abfrackprämie als historisches Scheitern. Vielleicht lässt sich tatsächlich sagen, dass die Politik der Autolobby  nicht mehr blind folgt. Allerdings kann jetzt auch eine Phase folgen, in der aufgrund des gesellschaftlichen Widerstandes die Interessen der Autoindustrie noch verdeckter eingefädelt und über die Hintertür durchgesetzt werden.

Wachsamkeit ist also wichtiger denn je!

Öffentlicher Verkehr: Krise größer, Hilfen geringer

Richtig und wichtig ist, dass die Länder bei der ÖPNV-Finanzierung unterstützt werden. Die einmalige Erhöhung der Regionalisierungsmittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr gleicht aber nicht mal die Einnahmeausfälle während der Corona-Krise aus (erste Schätzungen gehen von 5 Mrd. € aus). Der Rückgang der Fahrgastzahlen lag zwischen 60 und 90 Prozent. Die Frage ist zudem, wann das alte Niveau wieder erreicht werden kann, wenn es weiterhin Abstandsregelungen und Mundschutzpflicht gibt und die Sorge vor Ansteckungen.

5 Milliarden Euro als Eigenkapital für die Bahn sind viel Geld. Doch auch dies wird kaum reichen, um die Bahn gestärkt aus der Krise hervorgehen zu lassen (die Corona-Verluste werden afu 10-11 Mrd. € geschätzt). Anders als beim ÖPNV steht hier der Bund allein in der Pflicht. Auch wird wohl die Chance vertan, stärker regulierend einzugreifen, um den Ausbau in der Fläche und Engpassbeseitigungen voranzutreiben.

Subvention für grüne Mäntel der alten fossilen Wirtschaft

Weitere Milliarden fließen hingegen in Bereiche, die nicht gefördert werden sollten: Das Förderprogramm für moderne, aber konventionell betriebene Flugzeuge in Höhe von einer Milliarde Euro ist eine zusätzliche Subvention für die Luftverkehrswirtschaft. Völlig überzogen ist zudem die Förderung der Wasserstoffwirtschaft mit 9 Milliarden Euro und das Förderprogramm für LNG-Betankungsschiffe (Flüssiggas).

Sehr kritisch ist zudem die Beschleunigung des Planungsrechts auf europäischer Ebene zu sehen. Auch wenn dies im Einzelfall mal einem sinnvollen Schienenprojekt zugutekommen kann, werden damit vor allem wichtige Beteiligungsrechte und Umweltprüfungen ausgehebelt. Die Verhinderung unnötiger und umweltschädlicher Straßenprojekte wird damit schwerer.

Vorläufiges Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Chance vertan wurde, das Konjunkturpaket dafür zu nutzen, die Mobilitätswende anzuschieben und damit die Ziele Wirtschaftsbelebung, langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen, Verbesserung der Lebensqualität sowie Schutz von Umwelt und Klima optimal zu verbinden (hier die Ansätze dazu der Linksfraktion im Bundestag). Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben. Die Bundesregierung muss ihre weitgehend alte Politik neu verkaufen. Wenn es uns gelingt, den Druck für eine echte Mobilitätswende aufrechtzuerhalten sowie Transparenz über die Interessen und verdeckten Hilfen herzustellen, wird ein echter Politikwechsel möglich.

 


Die zentralen Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 3.6. 2020 zum Verkehr in Stichworten:

  • Beschleunigung des Planungsrechts auf europäischer Ebene (Punkt 11).
  • Bundesrahmenregelung, die es den Ländern erlauben soll, ÖPNV-Unternehmen zum Ausgleich der stark verringerten Fahrgeldeinnahmen Beihilfen zu gewähren. (Punkt 21)
  • Einmalige Erhöhung der Regionalisierungsmittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro in 2020 (Punkt 22).
  • Die Kfz-Steuer für Pkw wird stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet (Punkt 35a)
  • Die „Umwelt“-Prämie für Elektro-Autos (und evtl. Plug-In-Hybrid) wird als neue „Innovationsprämie“ verdoppelt, von 3.000 auf 6.000 Euro für Autos mit Nettolistenpreis bis zu 40.000 Euro (für Dienstwagen bis zu 60.000 Euro). Vorgesehen sind 2,2 Milliarden Euro (Punkt 35b).
  • Bonus-Programm für Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie zur Förderung von Investitionen in neue Technologien, Verfahren und Anlagen (1 Milliarde Euro in 2020/21). Forschung und Entwicklung für transformationsrelevante Innovationen und neue regionale Innovationscluster vor allem der Zulieferindustrie (1 Milliarde Euro in 2020/21). (Punkt 35c)
  • Flottenaustauschprogramm für Soziale Dienste und Handwerker (Punkte 35d/e).
  • Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur und Batteriezellenforschung und -produktion für Elektromobilität; vorgesehen sind 2,5 Milliarden Euro (Punkt 35f).
  • Der Bund stellt der Bahn weiteres Eigenkapital in Höhe von 5 Mrd. Euro zur Verfügung (Punkt 35g).
  • „Bus- und LKW-Flotten-Modernisierungs-Programm“ für private und kommunale Betreiber zur Förderung alternativer Antriebe, vorgesehen sind 1,2 Milliarden Euro (Punkt 35i)
  • Auf EU-Ebene für ein Flottenerneuerungsprogramm 2020/21 für schwere Nutzfahrzeuge zur Anschaffung von LKW der neuesten Abgasstufe EURO VI einsetzen (Punkt 35j).
  • 1 Mrd. Euro mehr für Förderprogramme im Bereich der Schifffahrt (Punkt 35k).
  • 1 Mrd. Euro für moderne Flugzeuge (Punkt 35l).

> Gesamtes Dokument der Ergebnisse des Koalitionsausschuss 3. Juni 2020

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