Öffentlichkeitsbeteiligung ist Messlatte der Demokratie

Bürgerinitiativen gegen mangelnde Transparenz und Mauscheleien

Ob Milliardenprojekte wie Stuttgart 21, Brückenbauten wie die feste Fehmarnbelt Querung oder Flughafenausbauten wie der Berlin-Brandenburg-International, eines haben die Großprojekte gemeinsam: im Umfeld schießen Bürgerinitiativen wie Pilze aus dem Boden.

Betroffene Bürgerinnen und Bürger bringen auf diesem Weg ihren Unmut gegen diese Milliarden Euro verschlingenden Großprojekte zum Ausdruck. Wesentlicher Kritikpunkt ist dabei die mangelnde Beteiligung der Betroffenen bei der Entwicklung und Planung der Projekte. Mangelnde Transparenz und Mauscheleien werfen die Bürgerinitiativen den Entscheidungsträgern vor. Zu Recht, allein bei Stuttgart 21 wurden 11.000 Einwendungen vom Tisch gefegt. Was die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt Querung tatsächlich kosten wird steht in den Sternen und viele Berlinerinnen und Berliner kommen sich verschaukelt vor, denn es war offenbar von vornherein klar, dass die Jets auf ganz anderen Routen als bisher angesagt davon düsen werden.

Alles im grünen Bereich?

Für die Befürworter der Projekte ist alles in Ordnung. Sie weisen Kritik mit dem Verweis auf das jeweilige Planungsverfahren zurück. Alles im Rahmen der Gesetze schallt es aus Regierungskreisen von Kiel über Berlin bis Stuttgart. Die baden-württembergische Umwelt- und Verkehrsministerin Gönner (CDU) sieht sich erst nach monatelangen Protesten gegen Stuttgart 21 genötigt zu zugeben, dass Bürgerinnen und Bürger offenbar nicht ausreichend beteiligt worden sind.

Massiver Abbau der Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Proteste sind logische Folge der Gesetzgebung der letzten 20 Jahre. Öffentlichkeitsbeteiligung war allen Regierungen seit der Wiedervereinigung ein Dorn im Auge. Mit dem Erlass der Beschleunigungsgesetze zum Ausbau der Infrastruktur im Osten setzte ein systematischer Abbau der Öffentlichkeitsbeteiligung ein. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit dem Erlass des Infrastrukturplanungbeschleunigungsgesetzes und dem Gesetz zur Beschleunigung immissionschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren. Der Erörterungstermin wurde in das Ermessen der Behörde gestellt, Unterlagen werden den Verbänden nicht mehr zugeschickt, Auslegungsfristen verkürzt und die Eininstanzlichkeit des Bundesverwaltungsgerichts festgeschrieben. Weitere Einschränkungen der Öffentlichkeitsbeteiligung als Folge der Abweichungesetzgebungim Bereich Naturschutz gibt es derzeit in den eiligst zusammen gezimmerten Landesnaturschutzgesetzen .

Dabei hat Deutschland 1998 die Aarhus-Konvention unterschrieben und 2006 ratifiziert. Mit dieser einigte man sich in Europa darauf den Bürgerinnen und Bürgern einen weiten Zugang zu Umweltbelangen, wie Umweltinformationen, dem Verwaltungsverfahren und zu Gerichten, zu gewähren. Die darauf aufbauende Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der EU hat Deutschland mehr schlecht als recht umgesetzt. Insbesondere das Umweltrechtsbehelfsgesetz ist ein klarer Verstoß gegen die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie und den Geist von Aarhus.

Öffentlichkeitsbeteiligung ist Ausdruck lebendiger Demokratie

Eine effektive und umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung ist neben direkter Demokratie durch Bürgerbefragung, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide Ausdruck einer lebendigen und attraktiven Demokratie. DIE LINKE im Bundestag hat in der Vergangenheit immer auf die Bedeutung einer effektiven und umfassenden Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger hingewiesen und alle Einschränkungen abgelehnt. 2009 lies die Fraktion dazu durch das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) Berlin ein Gutachten zur „Gesetzgebung und Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfahren im Zeitraum 2005-2009“ anfertigen.

Neue Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung

Fest steht, die vorgenommenen Einschränkungen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern müssen zurückgenommen werden.  Es reicht allerdings nicht aus lediglich den Zustand der Vergangenheit wiederherzustellen. Neue Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung müssen entwickelt werden. Dazu ist neues Denken notwendig. Die Entscheidungsträger müssen erkennen die Bürgerinnen und Bürger sind keine Nörgler, vielmehr sind sie von Anfang an mit gestaltend einzubinden. Planungsverfahren gehören auf den Prüfstand. Ansätze dafür bieten die bei verschiedenen Projekten, wie dem Frankfurter Flughafen oder dem Landwehrkanal in Berlin durchgeführten Mediationsverfahren.

 

Lutz Heilmann

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