Schienenverkehr als sichere Verkehrsform erhalten und stärken

"Schienverkehr als sichere Verkehrsform erhalten und stärken"
Rede von Sabine Leidig am 22.04.2010 zum Antrag der LINKEN "Den Schienenverkehr als sichere Verkehrsform erhalten und stärken"

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal betonen, dass mit der Pannenserie bei der Berliner S-Bahn, die Ende 2008 begonnen hat, vor unseren Augen ein beispielloser Niedergang eines funktionierenden öffentlichen Nahverkehrssystems stattgefunden hat.
Dieser Niedergang hatte zwei zentrale Gründe: Erstens gab es eine Menge Probleme mit Rädern und Radachsen, die zu schwach und nicht ausreichend dimensioniert waren. Zweitens das ist das Entscheidende gewesen sind die Wartungskapazitäten, die der Bahn zur Verfügung stehen, systematisch heruntergefahren worden. Warum? Weil die S-Bahn Berlin jährlich Zigmillionen Euro Gewinn an die Muttergesellschaft Deutsche Bahn AG abzuführen hatte.

(Patrick Döring (FDP): Schlichter Quatsch!)

Ich glaube, dass man an diesem Beispiel wie in einem Brennglas sehen kann, worin zentrale Probleme der Bahnsicherheit bestehen,

(Patrick Döring (FDP): Unverantwortlich!)

auch im Fernverkehr, bei den ICEs und im Güterverkehr. Eines der größten und schwersten Unglücke der Eisenbahngeschichte, die Entgleisung des ICE bei Eschede 1998, hatte genau diesen Grund: Die Radachsen, die Räder waren den Belastungen nicht gewachsen.

(Patrick Döring (FDP): Da ist ein Radreifen gesprungen! Das ist etwas völlig anderes!)

24 Radsatzwellenbrüche und 31 Radreifen- und Radscheibenbrüche im In- und Ausland sind seit 2000 bekannt geworden. Die Konsequenz, die man aus diesen Feststellungen bereits 2004 in einer Studie gezogen hat, ist, dass das Material anders ausgelegt sein muss, dass man stärkere, dauerfeste Teile braucht. Im japanischen Fernverkehrssystem und auch beim TGV in Frankreich wird genau diese Schlussfolgerung gezogen. Dort wird ein stärkeres Material eingesetzt. Die Deutsche Bahn AG wählt diesen Weg nicht.

(Patrick Döring (FDP): Das stimmt nicht!)

Die Deutsche Bahn AG hat sich entschieden, die Radachsen einer engmaschigen Kontrolle zu unterziehen, sie mit Ultraschallgeräten zu prüfen und auf feine Haarrisse und Kerben zu untersuchen.

(Patrick Döring (FDP): Und, wenn nötig, auszutauschen!)

Und, wenn nötig, auszutauschen. Völlig richtig.

(Patrick Döring (FDP): Das gehört ja wohl dazu!)

Sie setzt aber nicht auf ein System, das garantiert, dass diese Räder und Radachsen bis zum Lebensende eines Zuges halten.
(Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Es gibt keine Garantie dafür!)
Sie müssen einfach stärker sein. Aber damit sind sie natürlich auch teurer, und das ist genau der Grund, warum die Deutsche Bahn AG dieses stärkere Material nicht bestellt hat. Das hat übrigens auch Verkehrsminister Ramsauer genau so veröffentlicht.

(Patrick Döring (FDP): Es gibt keine stärkeren Radachsen, die zugelassen sind!)

Er hat darüber hinaus festgestellt, dass die Börsenorientierung des Unternehmens dafür verantwortlich ist, dass an dieser Stelle gespart wird.

(Patrick Döring (FDP): Das hat er nicht festgestellt! Das ist falsch! Unverantwortlich!)

Nun stellen wir fest, dass offensichtlich auch die Werkstattkapazitäten nicht nur bei der S-Bahn, sondern insgesamt so stark heruntergefahren wurden, dass sie nicht mehr ausreichen, um das Herausfliegen einer ICE-Tür zu verhindern. Wann hat es das in der Zuggeschichte jemals gegeben? Das muss man sich einmal vorstellen: Eine Schraubenmutter löst sich. Die löst sich doch nicht einfach so, sondern sie löst sich, weil der Wagen nicht richtig gewartet worden ist.

(Patrick Döring (FDP): Auch das ist Quatsch!)

Da darf auf keinen Fall gespart werden. Aus unserer Sicht ist die zentrale Forderung, dass sich die Deutsche Bahn AG ganz klar auf einen sicheren Verkehr, auf einen ausreichend gewarteten Fahrzeugpark orientiert und nicht darauf, mehr Gewinn zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Döring zulassen?

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Ja.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.
Patrick Döring (FDP):

Frau Kollegin Leidig, sind Sie bereit, zuzugestehen, dass bezüglich der Untersuchung des tragischen Unglücks mit der herausgerissenen ICE-Tür erstens die Ermittlungen des Eisenbahnbundesamtes andauern, zweitens in allen Richtungen ermittelt wird, auch in Richtung Fremdeinwirkung/Sabotage? Und sind Sie bereit, zuzugestehen, dass wir zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erkenntnisse aus dem Eisenbahnbundesamt haben, wie es zu diesem tragischen Unglück gekommen ist, bevor Sie hier weiter verbreiten, es handele sich bei diesem Unfall um einen Wartungsfehler?

(Zuruf von der LINKEN: Das war al-Qaida!)

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Zumindest hat man gelesen, dass es eine lockere Schraubenmutter war.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da ist die Frage, bei wem die Schraube locker ist!)

Ich denke, so etwas muss in einer Werkstatt festgestellt und geklärt werden.

(Patrick Döring (FDP): Unglaublich! Quatsch!)

Ich möchte dazu, dass Sie in Ihrem Antrag fordern, die Verantwortung und Rechte der Betriebsleiter zu stärken, feststellen, dass wir der Meinung sind, dass die Verantwortung da nicht an der richtigen Stelle abgeladen wird. Ein Betriebsleiter, der permanent dem Renditedruck des Unternehmens ausgesetzt ist, wird in ständigem Widerstreit stehen zwischen den notwendigen umfangreichen Sicherheits- und Wartungsarbeiten und der Vorgabe, dass die Züge schnell wieder in Betrieb genommen werden können. Das wird übrigens auch von denjenigen, die sich da fachlich auskennen, genauso geschildert.

Es geht darum, der Deutschen Bahn AG eine andere Richtung zu geben. Genau darin besteht die Verantwortung der Politik. Wir wollen nicht das operative Geschäft betreiben, sondern wir wollen eine Bürgerbahn und keine Börsenbahn. Wir wollen, dass die Sicherheit im Mittelpunkt steht und nicht die Gewinne. Wir wollen nicht Arriva in Großbritannien aufkaufen, sondern wir wollen sicher reisen und das Gefühl haben, dass wir auch in Zukunft gern in die Bahn steigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, Sie müssten dringend zum Ende kommen.

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Ich komme zum Ende. Ein erster Schritt, um diesen Kurs der Bahn zu ändern, wäre, den Aufsichtsrat anders zu besetzen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, Sie müssten schon zum Ende gekommen sein.

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Warum kann man nicht vonseiten der Bundesregierung, die das alleinige Berufungsrecht hat, eine Bahnsicherheitsfachkraft in den Aufsichtsrat berufen? Das ist unser Vorschlag.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.
Sabine Leidig (DIE LINKE):

Die Lieferanten von Rädern und Radachsen sollten nicht in diesem Aufsichtsrat sitzen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)


 

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